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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 48.1923

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Pfuhl, Ernst: Bemerkungen zur archaischen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.29492#0149
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BEMERKUNGEN ZUR ARCHAISCHEN KUNST 135

rundlich massigen Haarschopf ist der Bildhauer aus der Rolle
gefallen: er gehört erst der Perserzeit an (so bei der sacht
dahinschwebenden Nike) 1. Hiermit können wir leider nur noch
die kleinen Köpfe der Kinder vergleichen; aber auch sie genügen
noch, um den Unterschied zu zeigen. Die zurückgebogenen
Finger des anbetenden Knaben sind kein gesuchter Manierismus,
sondern folgen aus der iiberlieferten fächerförmigen Anordnung 2.

Angesichts alles dessen ist es zweifellos, daß der Kiinstler
hier die Göttin selbst in den Formen einer altertiimlichen Statue
darstellen wollte. Das ist aber sachlich wie kiinstlerisch etwas
ganz anderes, als wenn archaische oder klassische Meister ein
primitives Idol im Zusammenhang einer Iliupersis, eines Ken-
taurenkampfes oder in einer sonstigen Darstellung eines Heilig-
tumes wiedergeben 3. Hier ist vielmehr das spätere Archaisieren
schon in der archaischen Kunst selber vorweggenommen, und
die altertümlichen Formen sind bereits bewußt übertrieben;
sakrale und künstlerische Absicht durchdringen einander schon
ebenso wie später. Erst damit ist der Schlußstein fiir den Bau
gewonnen, den Eduard Schmidt in seinem ausgezeichneten Buch
über die archaistische Kunst errichtet hat. Im größeren kunst-
geschichtlichen Zusammenhange braucht diese merkwürdige Er-
scheinung nicht zu befremden. Die zum Wesen des archaischen
Stiles gehörende Formelhaftigkeit des mehr oder minder orna-
mentalen Ausdruckes führte schon um die Mitte des VI. Jahr-
hunderts im Zusammenhange mit den besonderen technischen
und dekorativen Bedingungen der schwarzfigurigen Vasenmalerei
zu jener bekannten manieristischen Stilstrenge der Meister Klitias,
Amasis, Exekias und ihres Kreises. Gegen Ende des VI. Jahr-
hunderts brach der Konflikt zwischen den archaischen Formeln
und der vordringenden Naturbeobachtung in der Gesamtkunst
aus: der Peithinosstil ist nicht auf die Vasenmalerei beschränkt.

1 Arch. Jahrb. XXXV 1920, 104 f.

2 Ausgebildet seit Mitte VI. Jahrhunderts, so bei Exekias, Furtw.-
Reichh. T. 132 (Malerei III T. 58, 230); rotfigurig z. B. Malerei III T. 90,
318 (Hoppin II 203).

3 Furtw.-Reichh. T. 8 (Hoppin II 179), 34 (Malerei III T. 114, 239);
Parthenonmetope, Phigaliafries, argivisches Heraion, Asklepiostempel in
Epidauros u. ö.
 
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