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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 48.1923

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Pfuhl, Ernst: Bemerkungen zur archaischen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.29492#0166
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ERNST PFUHL

Tracht aus kompositionellen Gründen mildern, und der formel-
hafte Stil erlaubte ihnen diese Freiheit. Bei den kyrenäischen
Koren wird übrigens niemand ein Brenneisen voraussetzen. Es
wird auch in Wirklichkeit nicht verwendet worden sein. Natiir-
liche Menschen sind nicht so hilflos wie die Träger einer mecha-
nisch gewordenen Zivilisation; sie kommen mit einfachen Mit-
teln aus, drehen, flechten und wickeln ihre Locken, geben feinen
Stoffen durch leichtes Zusammendrehen, Streichen und Binden
Kreppstruktur und pressen Falten höchstens feucht. Fiir das
archaische Gewand wird man auch dies nicht anzunehmen
brauchen; Mode und Stil werden sich nur soweit beriihrt haben,
daß man die Falten sorgfältig zurechtlegte und glatt strich —
grundsätzlich dasselbe wie bei der römischen Toga.

Endlich die Polychromie 1. Bei soviel kiinstlerischer Frei-
heit des Formausdruckes wird man bei ihr von vornherein
geneigt sein, sie mit einem idealeren Maßstab als dem der
Wiedergabe der wirklichen Tracht zu messen. Bei einer farben-
frohen Tracht liegt nichts näher, als daß, man bei zwei iiber-
einander gezogenen Gewändern verschiedene Farben wählt.
Dies zeigen sowohl die Marmorstatuen wie die Terrakotten;
der Unterschied liegt nur in der Verteilung der Farben. Die
Terrakotten folgen der wirklichen Tracht: die eine Farbe iiber-
quert in wirkungsvollem Gegensatze die andere. Diese naive
Buntheit entspricht der Stufe, auf welcher Mode und Klein-
kunst stehen. In der Monumentalplastik, und vollends in der
Marmorplastik, liegen die Dinge anders. Die Marmorpoly-
chromie der zweiten Hälfte des VI. Jahrhunderts steht bekannt-
lich im Gegensatze zu der weitgehenden Färbung der Poros-
plastik: man wollte den edlen Stein selber wirken lassen und
beschränkte die Färbung ganzer Flächen daher auf das Haar
und kleine Teile des Gewandes. Wenn man sich bei diesem
nicht ganz auf Borten und Streumuster beschränkte, so wird
dabei eine doppelte Absicht vorliegen: ein Zugeständnis an die
Wirklichkeit und die Gewinnung eines farbenstarken ‘Kontra-
punktes’ für die Hellbuntheit des Ganzen. In Betracht kommen

1 Treffend v. Netoliczka 263 f. (Schrader, Auswahl 13). Dazu
kommt die Bemerkung von Kalkmann 38, daß die gleiche Stilisierung
der Gewandfalten auch gleichartige Bemalung nahelege.
 
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