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ERNST PFUHL
denn er bezeugt seine Ergriffenheit von der zeitlosen Größe
dieses Werkes, in dem ein genialer Meister wirklich den klas-
sischen Stil hat vorklingen lassen 1.
Das Gegenstück dazu ist jene schon oben wiederholt heran-
gezogene ‘Olympiakore’, deren Wiedergewinnung zu Schraders
größten Würfen gehört 2. Hier wie bei dem Saburoffschen Kopfe
spiiren wir unmittelbar das Walten einer großen Persönlichkeit.
Deshalb empfinden wir auch nur durch den Vergleich des Ein-
zelnen, aber nicht im Gesamteindruck, daß diese Statue reichlich
ungleichmäßig ist; die Elemente ringen hier, ornamentale Stili-
sierung und erstaunliche Naturbeobachtung, einfache, fast etwas
derbe Größe und zartes Feingefühl stehen unvermittelt nebenein-
ander. Uns geht hier nur eins an: der unerhörte Anachronismus
im Gewandstil, dessentwegen ich dieStatue bildlich als ‘Olympia-
kore’ bezeichne. Nur ein die Natur ganz groß und selbständig
se'nender Meister konnte im dritten Viertel des VI. Jahr-
hunderts diese schweren Stoffmassen mit runden Röhrenfalten
und wie zufälligen schrägen Strichfalten bilden. Er ging damit
weit über das hinaus, was etwas früher an den Säulenreliefs
des ephesischen Tempels geschah; denn die ephesischen Bruch-
stücke von wirklichem Olympiastile sind, sofern sie tatsächlich
zugehören, zweifellos eine spätere Ergänzung 3. In unserem
Zusammenhang ist es nun sehr lehrreich, einen hocharchaischen
Statuettentorso zu vergleichen 4. Er steht im Museum hoch
oben auf einem Wandgesimse, so daß die Hauptsache nur aus
der ersten Veröffentlichung bekannt ist: die Faltenbildung der
Riickseite. Der Mantelsaum zeigt die alte Form der kursiven
einseitigen Fältelung in flachgedriicktem Relief. Nach oben hin
sind diese Falten aber nicht wie die Riemen geschichtet, son-
dern werden stofflich rund und sind zu oberst richtige Röhren-
falten. Die kiinstlerische Wirkung ist schon recht ähnlich wie
bei friihklassischen Peplosfalten, nur fehlt natürlich deren freie
Rhythmik. Wie so oft, war auch hier die Riickansicht fiir den
1 Vgl. N. Jahrb. XLV 53.
2 Festschr. 26 ff.
3 Ephesus Atl. T. 16, 23 f.
4 ‘E<p. olqx- 1891 T. 12, 1 (Nr. 589; Vorderseite Lechat, Au Mus. de
l’Acrop. 186; Winter 206, 1).
ERNST PFUHL
denn er bezeugt seine Ergriffenheit von der zeitlosen Größe
dieses Werkes, in dem ein genialer Meister wirklich den klas-
sischen Stil hat vorklingen lassen 1.
Das Gegenstück dazu ist jene schon oben wiederholt heran-
gezogene ‘Olympiakore’, deren Wiedergewinnung zu Schraders
größten Würfen gehört 2. Hier wie bei dem Saburoffschen Kopfe
spiiren wir unmittelbar das Walten einer großen Persönlichkeit.
Deshalb empfinden wir auch nur durch den Vergleich des Ein-
zelnen, aber nicht im Gesamteindruck, daß diese Statue reichlich
ungleichmäßig ist; die Elemente ringen hier, ornamentale Stili-
sierung und erstaunliche Naturbeobachtung, einfache, fast etwas
derbe Größe und zartes Feingefühl stehen unvermittelt nebenein-
ander. Uns geht hier nur eins an: der unerhörte Anachronismus
im Gewandstil, dessentwegen ich dieStatue bildlich als ‘Olympia-
kore’ bezeichne. Nur ein die Natur ganz groß und selbständig
se'nender Meister konnte im dritten Viertel des VI. Jahr-
hunderts diese schweren Stoffmassen mit runden Röhrenfalten
und wie zufälligen schrägen Strichfalten bilden. Er ging damit
weit über das hinaus, was etwas früher an den Säulenreliefs
des ephesischen Tempels geschah; denn die ephesischen Bruch-
stücke von wirklichem Olympiastile sind, sofern sie tatsächlich
zugehören, zweifellos eine spätere Ergänzung 3. In unserem
Zusammenhang ist es nun sehr lehrreich, einen hocharchaischen
Statuettentorso zu vergleichen 4. Er steht im Museum hoch
oben auf einem Wandgesimse, so daß die Hauptsache nur aus
der ersten Veröffentlichung bekannt ist: die Faltenbildung der
Riickseite. Der Mantelsaum zeigt die alte Form der kursiven
einseitigen Fältelung in flachgedriicktem Relief. Nach oben hin
sind diese Falten aber nicht wie die Riemen geschichtet, son-
dern werden stofflich rund und sind zu oberst richtige Röhren-
falten. Die kiinstlerische Wirkung ist schon recht ähnlich wie
bei friihklassischen Peplosfalten, nur fehlt natürlich deren freie
Rhythmik. Wie so oft, war auch hier die Riickansicht fiir den
1 Vgl. N. Jahrb. XLV 53.
2 Festschr. 26 ff.
3 Ephesus Atl. T. 16, 23 f.
4 ‘E<p. olqx- 1891 T. 12, 1 (Nr. 589; Vorderseite Lechat, Au Mus. de
l’Acrop. 186; Winter 206, 1).