BEMERKUNGEN ZUR ARCHAISCHEN KUNST
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dener Richtungen innerhalb der attischen Kunst bezeugt uns
der große, grundsätzliche Unterschied in der Körperbildung
zweier nur durch wenige Jahre getrennter, zweifellos attischer
Werke in Delphi: des eben genannten Jünglings vom Apollon-
tempel und der untereinander auch wieder reichlich verschie-
denen Gestalten an den Metopen des Schatzhauses der Athener 1.
Dieser innere Reichtum ist nirgends so verständlich wie in der
Stadt, die sich anschickte, das Hellas von Hellas zu werden.
Basel. Ernst Pfuhl.
29; vgl. von Lücken, A. M. 1919 T. 3, 12). Bei dem delphischen Torso
ist ganz auf lehrhafte Deutlichkeit der Einzelformen verzichtet; auch
die Beckenlinie ist nicht scharf durchgezogen, obvvohl der Weichenwulst
kräftig angegeben ist; immerhin ist der Torso als datiertes Hauptstück
in die von Bieber, A. M. XXXVII 1912, 157 f. verfolgte Entwicklung ein-
zustellen. Der Modellierung entspricht der Umriß mit seinen flachen
Linien, an welchen die Betonung von Kurven vermieden ist, genau wie
bei der Kore des Antenor und bei dem ‘Dionysos’ des delphischen
Westgiebels (BCH. 1901 T. 19 D). Hiernach muß man sich die Tyrannen-
mörder des Antenor vorstellen; falls sie bewegt waren, sind die Athena
und der Gigant des Westgiebels (der nicht ihr Gegner war) zu ver-
gleichen (Fouilles IV T. 36; Winter 215, 1). Für die Köpfe ist vielleicht
der Kopf Webb heranzuziehen; denn dessen Abbiidung läßt ihn viel
zu fett und unbestimmt wirken (Lechat, Sculpt. att. 262, nach BCH. XVII
1893 T. 12f.; Studniczka, Arch. Jahrb. XI 1896, 264; N. Jahrb. XVII 1906,
549, T. 2, 15. Abguß z. B. in Kiel; der Schopf ist schlecht ergänzt); dem
Antenor selber gehört der Kopf Webb jedoch schwerlich an. Tatsächlich
wissen wir übrigens gar nichts von der Gruppe des Antenor (richtig
Amelung und Lippold, Griech. Porträtstatuen 24, 1; entscheidend die
panathenäischen Amphoren Arch. Anz. XXXIV 1919, 79, 86; vgl. Schmidt,
Archaist. Kunst 79). Ob das würzburger Vasenbild auf ein Gemälde des
Tyrannenmordes zurückgeht? Dann hätten wir eine bildliche Überlie-
ferung, die in der Gruppe von Kritios und Nesiotes ihre endgültige
monumentale und heroische Form erhielt.
1 Fouilles IV T. 38 ff.
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dener Richtungen innerhalb der attischen Kunst bezeugt uns
der große, grundsätzliche Unterschied in der Körperbildung
zweier nur durch wenige Jahre getrennter, zweifellos attischer
Werke in Delphi: des eben genannten Jünglings vom Apollon-
tempel und der untereinander auch wieder reichlich verschie-
denen Gestalten an den Metopen des Schatzhauses der Athener 1.
Dieser innere Reichtum ist nirgends so verständlich wie in der
Stadt, die sich anschickte, das Hellas von Hellas zu werden.
Basel. Ernst Pfuhl.
29; vgl. von Lücken, A. M. 1919 T. 3, 12). Bei dem delphischen Torso
ist ganz auf lehrhafte Deutlichkeit der Einzelformen verzichtet; auch
die Beckenlinie ist nicht scharf durchgezogen, obvvohl der Weichenwulst
kräftig angegeben ist; immerhin ist der Torso als datiertes Hauptstück
in die von Bieber, A. M. XXXVII 1912, 157 f. verfolgte Entwicklung ein-
zustellen. Der Modellierung entspricht der Umriß mit seinen flachen
Linien, an welchen die Betonung von Kurven vermieden ist, genau wie
bei der Kore des Antenor und bei dem ‘Dionysos’ des delphischen
Westgiebels (BCH. 1901 T. 19 D). Hiernach muß man sich die Tyrannen-
mörder des Antenor vorstellen; falls sie bewegt waren, sind die Athena
und der Gigant des Westgiebels (der nicht ihr Gegner war) zu ver-
gleichen (Fouilles IV T. 36; Winter 215, 1). Für die Köpfe ist vielleicht
der Kopf Webb heranzuziehen; denn dessen Abbiidung läßt ihn viel
zu fett und unbestimmt wirken (Lechat, Sculpt. att. 262, nach BCH. XVII
1893 T. 12f.; Studniczka, Arch. Jahrb. XI 1896, 264; N. Jahrb. XVII 1906,
549, T. 2, 15. Abguß z. B. in Kiel; der Schopf ist schlecht ergänzt); dem
Antenor selber gehört der Kopf Webb jedoch schwerlich an. Tatsächlich
wissen wir übrigens gar nichts von der Gruppe des Antenor (richtig
Amelung und Lippold, Griech. Porträtstatuen 24, 1; entscheidend die
panathenäischen Amphoren Arch. Anz. XXXIV 1919, 79, 86; vgl. Schmidt,
Archaist. Kunst 79). Ob das würzburger Vasenbild auf ein Gemälde des
Tyrannenmordes zurückgeht? Dann hätten wir eine bildliche Überlie-
ferung, die in der Gruppe von Kritios und Nesiotes ihre endgültige
monumentale und heroische Form erhielt.
1 Fouilles IV T. 38 ff.