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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 17.1882

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Cohausen, August von: Die Höhlen bei Steeten an der Lahn
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https://doi.org/10.11588/diglit.70113#0177

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arm vom Polar- und weissen Meer über Finnland und Norddeutschland bis
zur britischen Küste ergossen, und als seine südliche Küste das sächsische
Erzgebirge, den Harz, den Süntel, das südliche Wesergebirg, den Teuto-
burger Wald und den westfälischen Haarstrang bespült.
Da dies Meer in seiner von Nordost nach Südwest gerichteten Strö-
mung mit seinen Eisinseln nicht nur die polare Kälte und die erratischen
Blöcke aus den skandinavischen Gebirgen gebracht, sondern auch den Bern-
stein, welchen die Ostsee jetzt nur bis an das Samländische Ufer wirft, an
jene Küsten gespült hat, so mögen unsere Troglodyten sich nicht erst auf
weitläufigen Handelswegen, sondern an der Teutoburger Küste, an die sie zur
Sommerzeit ihre Renntiere trieben, den Bernstein selbst aufgelesen haben.
Die Geologen, welche, ohne ihren wissenschaftlichen Ruf aufs Spiel zu
setzen, mit ihrem Glauben Berge versetzen, würden wohl auch im Wester-
wald oder im Feldberg die Höhen finden, von denen herab sich Gletscher
über die Leerschlucht geschoben hätten, um jene Gletschertöpfe zu bohren;
allein wir bedürfen ihrer nicht.
Durch die Untersuchungen des zu früh hingeschiedenen Landesgeologen
Dr. C. Koch kann es als nachgewiesen angesehen werden, dass sich ein
Süsswassersee über das Lahnthal, im breitem Sinn von Hangenmeilingen
bis Oberselters und von Weilburg bis Diez ausbreitete, und dass sein Abfluss
durch die Scharte von Niedernhausen sich in die Meeresbucht ergoss, die
wir das „Mainzer Becken“ nennen, sowie wir jenen See als das „Limburger
Tertiärbecken“ bezeichnen und dadurch zugleich die geologische Zeit angeben,
in welcher jene Verhältnisse bestanden. Durch einen Strich von Kiesablage-
rungen konnte der genannte Forscher die Höhe angeben, welche jener See-
spiegel bespülte: sie erreicht einen Horizont, welcher jetzt 950' über der
Nordsee liegt, und welcher, da der Herrenplatz bei Steeten 480' über der
Nordsee liegt, diesen mit einer Wassertiefe von 490' bedeckte.
Wie der Bodenseespiegel einst viel höher lag und mit Eis überbrückt
dem Rheingletscher als Bahn diente, seine Moränen an die Rauhe Alp und
den Schwarzwald zu schieben, so war auch der Limburger See, als ihn die
Eiszeit überraschte, eine grosse Eismasse, die wie auf dem ganzen See-
grund auch auf dem Herrenplatz aufruhte — später allmälig taute und
Risse bekam, durch die sein Tauwasser in gewaltigen Strömen in die Tiefe
stürzte und die Steine im Wirbel drehte und Gletschertöpfe ausbohren konnte,
gegen welche die in der Leerschlucht nur Kinderspiel sind. Wir dürfen uns
daher in der angegebenen Eisdicke von 490' schon füglich einige Reduktion
gefallen lassen, ohne die Theorie unserer Strudeltöpfe in Frage zu stellen und
ohne das Eis vor Ankunft der Remitiere weggeschmolzen zu sehen.

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