Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 35.1905(1906)

DOI Artikel:
Beck, Ludwig: Die Familie Remy und die Industrie am Mittelrhein
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.70482#0058
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
50

L. Beck

Gesuch ist von dem Zunftschreiber Johannes Remy ausgefertigt. Die herzog-
liche Regierung, vorsichtiger wie die fürstlich weilburgische, behandelte die
Angelegenheit dilatorisch und liess einstweilen alles im status quo.
Die Gesuche der Kannenbäckerzunft um Wiederherstellung wiederholten
sich bis 1809. Gegen Ende dieses Jahres fand eine Separation der wiedischen
Zunft in der Weise statt, dass sich die Kannenbäcker von Grenzhausen und
Hilgert von denen von Mogendorf und Nordhofen trennten. Die gemeinschaft-
liche Zunftschuld wurde geteilt. Nachdem durch den Wiener Frieden Grenz-
hausen, Hilgert und Mogendorf dauernd mit Nassau vereinigt worden waren,
erfolgte im Jahr 1816 die Aufhebung der wiedischen Zunft. Die Regelung
der Zunftschulden und Schliessung der Zunftkassen geschah 1819.
Damit hatte die alte Zunft aufgehört. Sie war auch innerlich insofern
zugrunde gegangen, als das Kunstgewerbe der Kannenbäcker fast erloschen
und sich die Interessen fast nur noch um die Krug- und Pfeifenbäckerei drehten.
Dadurch war das Handwerk numerisch verstärkt, aber proletarisiert worden.
Die Kruglieferungen, die schon so viel Schaden angerichtet, hatten zum Schluss
auch die Veranlassung zu der Auflösung der Zunft gegeben.
Dass dieser Zusammenbruch der alten Stützen dem Gewerbe schaden
musste, ist selbstverständlich. Aber alles konnte doch nicht aufgehoben werden,
wie namentlich die auf Berggesetz beruhenden Beleihungen der Tongruben und
auch manche erworbene Rechte des Holzbezugs. Da diese ihrer Natur nach
an die Ortschaften gebunden waren, so bildeten sich als Träger dieser Rechte
örtliche Kannen- und Krugbäckergesellschaften, die doch noch einiges von den
alten Überlieferungen retteten und den Zusammenschluss aufrecht erhielten.32)
Die ersten fünfzig Jahre des 19. Jahrhunderts waren aber wohl die traurigsten,
welche die Kannenbäckerindustrie des Westerwaldes seit ihrer Entstehung erlebt
hat. Die Ortschaften, in denen die alte Zunft ihre Sitze gehabt hatte, verarmten
in einer Weise, dass schliesslich die nassauische Regierung nicht anders konnte,
als auf Abhülfe durch Wiederaufrichtung des alten Nahrungsstandes zu sorgen.
Wie dies geschah, können wir nur kurz berühren. In den vierziger Jahren
des 19. Jahrhunderts setzte die Regierung eine Kommission, an deren Spitze
Regierungsrat von Reichenau und Hofrat Henoch standen, ein, um über Lage
und Verbesserungen des Kannenbäckergewerbes zu berichten und Vorschläge zu
machen. Die Kommission entledigt sich ihrer Aufgabe in vortrefflicher sach-
gemässer Weise33), besonders wies sie auf zeitgemässe technische Neuerungen,
Zusammenschluss zu einer Innung und Verbesserungen im Unterricht hin. Ein
Erfolg wurde aber durch die Revolution im Jahre 1848 vereitelt. In der zweiten
Hälfte des Jahres 1849 erstatteten Professor Thomä und Assessor Odern-
heimer ein Gutachten in demselben Sinne, worin sie besonders auf freiwilligen
Zusammenschluss in Form einer Innung hinwiesen. Landrat Wissmann arbeitete
mit Eifer für die Sache, aber die Gründung einer Innung kam nicht zu Stande,
weil sich gerade die Hauptbeteiligten dagegen aussprachen; es waren dies die
32) W. Müller a. a. 0. S. 243.
33) W. Müller a. a. O. S. 245.
 
Annotationen