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Ars: časopis Ústavu Dejín Umenia Slovenskej Akadémie Vied — 5.1971

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Saučin, Ladislav: Die slowakische Kunst der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.51699#0010
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slava in den Jahren 1853, 1854 und 1865, in Košice
1857). Anspruchsvollere Adepte der Kunst mussten
sich, um eine Kunsterziehung zu erlangen, ins
Ausland begeben. Die Erziehung im Auslande
hatte zwar gewisse Vorteile, doch auch schwer-
wiegende Folgen, sowohl in kultureller als auch
in nationalpolitischer Hinsicht. Zu den bisherigen,
bisdahin bevorzugten Kunstschulungszentren
(Wien und Prag), kamen in steigendem Masse Mün-
chen und Pest hinzu.
Bei allen angeführten Mängeln verwundert es
kaum, dass viele Künstler die Slowakei verliessen,
wo sie sonst genötigt gewesen wären, ein kümmer-
liches Dasein, ohne jede Aussicht auf Zukunft,
zu frissten. Schon aus den angeführten Gründen,
kann die slowakische Kunstgeschichte keine Sphäre
von bloss ausserordentlichen Persönlichkeiten sein.
Nach Ausmass, Dauer und Problematik der slowa-
kischen Kunstentwicklung haben an ihr einen nicht
unbeachtbaren Anteil auch künstlerische Erschei-
nungen, denen durch Grenzen ihres Talents und
stiefmütterlicher Verhältnisse bedingt, nur ein
bescheidener Platz zukommt. Es befinden sich
unter ihnen nicht wenige Zeichenlehrer an Mittel-
schulen, weiters Fotografen, einen Beruf den
anfangs fasst ausschliesslich Maler ausübten und
letzten Endes solche, die aus reiner Begeisterung
und kraft ihres angeborenen Talents sich künstle-
risch betätigten.
Der Stil-Pluralismus vergangener Epochen hält
weiter an. Ein gezähmter biedermeierisch-bürger-
licher Geist der Wiener Schule ist im Schwinden
begriffen. Wenn in den soeben verflossenen Revolu-
tionsjahren kaum ein slowakischer Künstler einen
freieren oder gesteigerten Ton angeschlagen hat,
umso weniger können wir jetzt solcher Kunst
begegnen. Gegen einer zur Konvention gewordenen
Kunst wendet sich immer aufdringlicher die Reak-
tion, im Sinne eines Realismus und Naturalismus.
Die neue Welle orientiert sich auf ein Erfassen der
Erscheinungswelt ohne empirische und bieder-
meierische Streicheleien oder romantische Geheim-
nistuerei.
Die slowakische national-orientierte Kunst sollte
jetzt die Ernte sammeln, die in den Jahren vor
der Revolution von der Generation des Jozef
Božetěch К1 e m e n s und Peter Michal В o h ú ň gesät
wurde. Doch der Ertrag blieb spärlich, vor allem
deshalb, weil die Gründer — Gruppe Klemens —

Bohúň — mit der man die Vorstellung von einer
national-klassischen Kunst zu verbinden pflegt —
sich um keine einzige Persönlichkeit ihres Forma-
tes erweitert hat, weiters deshalb, weil die
Meister, die befähigt gewesen wären, im Rahmen
der allgemeinen Stilrichtungen national-differen-
zierte Kräfte zu entfalten, sich bald in Schweigen
hüllten.
Künstler, welche die Prager Akademie besucht
hatten, hinterliessen in Wirklichkeit ein tragisches
Pantheon vorzeitig erloschener Hoffnungen. Einer
von ihnen, z. B. Samuel Běláni (1823 — 1850),
ursprünglich Buchbindergeselle, hat seine Treue
zur slowakischen nationalen Bewegung mit der
Schicksalshaften Teilnahme am bewaffneten slowa-
kischen Aufstand manifestiert. Ein ausserordentlich
vielversprechendes Talent war der Maler und Litho-
graf Ján Pálka (1830 —1851). Ein tragisches Los
wurde dem Porträtisten und Figuralisten Štefan
Noel (1825 —1864) (Porträt des patriotischen Pfar-
rers Juraj Holček) zuteil, der seine Studien in
Bratislava, Wien und Rom fortsetzte, dort jedoch
geisteskrank wurde und dann sein Leben in der
Geistesanstalt in Trnava beendete.2
Grosse Hoffnungen erweckte, im Hinblick auf
eine slowakisch nationale Kunst-Schule, der aus
Čadca gebürtige Július F r an к 1 ( 1840—? ), Sohn eines
Arztes, der an der Münchener Akademie studierte
und um das Jahr 1864 in Paris lebte. Dort malte
er Bilder aus der slowakischen Geschichts- und
Mythen weit (Der mythenhafte slowakische Sänger
Zäboj ; Der blinde König Belo II. am Schloss Orava).
Frankl hatte Beziehungen zur Redaktion der slowa-
kischen Zeitschrift Sokol und wahrscheinlich auch
zum tschechischen Schriftsteller Ján Neruda. Spä-
ter scheint sich jedoch die Erde hinter diesem
Romantiker aufgerissen zu haben und er ver-
schwand spurlos.
Die vom Kleinadel abstammende Tochter Anna
Zmeškalová (1813 —1876) hat zwar keine natio-
nale Kunst im agitatorischen Sinne geschaffen,
doch ihre Tätigkeit war für die Wiedergeburt des
slowakischen Landlebens nicht unbedeutend. Sie
lebte in Wien, wo sie sich privat in der Malerei
schulen liess, von hier aus kehrte sie jährlich in die
Liptov-Gegend und besonders in die Orava-Gegend
zurück, dort starb sie. Anfangs malte sie Wohnungs
Interieurs im Geiste klassischer Idealität, doch spä-
ter brachte sie es bis zur Bildnismalerei elegisch-
freundlicher Frauen-Mo delle.

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