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Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (2): Mythologische Cyklen — Berlin, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.12015#0025
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LE DA Tafel II

7

In der linken Nebenscene Leda nackt bis auf das
bogenförmig sie umflatternde Obergewand, welches sie mit
der linken Hand fasst. Sie wendet den Kopf dem auf sie
zufliegenden Schwan zu, den sie gleichzeitig mit der Rechten
umhalst, wie um ihn zu sich heranzuziehen. Links unten
der Flussgott Eurotas mit erhobener Rechten seinen Bart
berührend, als aufmerksamer und erstaunter Zuschauer. Im
Hintergrund Schilf. Rechts eine Balaustra. Antiphilos (Anth.
Pa/at. V 307)

~K.sG/xa ßsv Evpurao kct/ccwiKÖv ■ ä V ä/cdXvTrrog
Kyjda- kukvo) npvirrofAsvog K.povf6ag.

Die Mittelscene spielt in einem durch ein Parape-
tasma angedeutetem Gemach. Auf einer mit Matratze und
Kopfkissen bedeckten Kline sitzt Leda, mit Chiton, Man-
tel und Schleier bekleidet; im Haar sind die Reste eines
Diadems bemerkbar; die beschuhten Füsse ruhen auf einem
hohen, zierlich geschmückten Schemel. Am Boden das
eben geborene, geborstene Ei, in welchem die kleine
Helena und die kleinen Dios euren Sichtbarwerden, alle
drei die Händchen zu ihrer Mutter emporhebend. Hinter der
Kline Iuno Lucina mit Diadem, Chiton, der an der rechten
Schulter herabgeglitten ist, und Mantel, die Rechte auf die
Brust legend. Links Tyndareus mit dem Schwert an
der Seite, dem Scepter in der Linken, der Chlamys um den
linken Arm, die rechte Hand erstaunt und nachdenklich
zum Munde erhebend. Am Kopfende der Kline die alte
Amme der Leda in Chiton und Kopftuch. Von rechts
kommt in gebückter Haltung der Vater der Leda, der alte
Thestius, heran. Erstaunt streckt er die Linke vor und
erhebt die Rechte; im Haar trägt er eine Binde.

3) P. verschollen. Fig. 3. Photographische Auf-
nahme nach der Zeichnung des Coburgensis.

Im 16. Jahrhundert „in domo Corneliorum" Pighius (c. 1550),
d. h. an einer auf dem Quirinal, gegenüber der Kirche San Silvestro
etwa an der Stelle des Pal. Rospigliosi gelegenen Oertlichkeit, wo
man den Palast der Cornelier vermuthete; Fulvius Antiquitates urbis
1527 p. XXIII, Marliani Urbis Romae topograpbia 1544 P' ^8;
Lucio Mauro Le antichita della cittä di Roma 1 5 5 8 p. 80; J. J. Boissard
Romae urbis topograpbia 1597 p. 05. Dass aber das Monument schon
im Anfang des 16. Jahrhunderts bekannt gewesen und von Michel-
angelo für sein jetzt in National Gallery in London befindliches Ge-
mälde der Leda benutzt worden sei, hat Michaelis wahrscheinlich
gemacht (Michelangelos Leda und ihr antikes Vorbild im Strassburger
Festgruss an Anton Springer S. 3 3 ff.). Vgl. zu 4.

Alte Zeichnung: Coburgensis Fol. 4 Nr. 150 Fig. 3, danach
Pighianus Fol. 301a Nr. 156.

Einzelstiche: Bibl. Corsin. Anonym, saec. XVI 46, 2 fol. 106
und fol. 14 (im Gegensinn).

Abbildungen: Nach dem Pighianus O. Jahn Berichte der
k. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 185z Taf. 1; Overbeck

Atlas zur Kunstmythologie Taf. VIII 24; die Ledadarstellung auch
Michaelis a. a. O. S. 41.

Litteratur: O. Jahn Berichte der k. sächsischen Gesellschaft
der Wissenschaften 1852 S. 47 ff; 1868 S. 212 Nr. 156; F. Matz
Monatsberichte der k. preussischen Akademie 1871 S. 486 Nr. 150;
Overbeck Griechische Kunstmythologie 1871 I 1 S. 510 Nr. 34, vgl.
S. 506 Nr. 26; S. 538 Nr. 30; Michaelis a. a. O. S. 40 f.

Die fünffach gegliederte Platte trägt in ihrem quadra-
tischen Mittelfeld ein weibliches Porträt, wie es scheint
mit der Haartracht des beginnenden 3. Jahrh.; darunter zwei
einander zugekehrte unbärtige Masken, die links mit ge-
öffnetem, die rechts mit geschlossenem Mund; zwischen bei-
den der Rest eines Zweiges (?). Von den beiden grösseren
Feldern zeigt das zur Linken den gelagerten Ganymedes;
mit phrygischer Mütze und Chlamys bekleidet, die Unter-
schenkel mit eigenthümlich geformten Reifen, wahrscheinlich
Fussspangen, nicht etwa Stiefelbesatz, umgeben, richtet er sich
auf dem linken Arm empor, starrt den mit geöffnetem Schna-
bel und ausgebreiteten Flügeln vor ihm stehenden Adler an
und macht mit der Rechten eine abwehrende Geberde. Am
Boden neben ihm liegen eine gebogene und eine gerade
Flöte; vgl. die ganz analoge Darstellung auf der in Sparta
gefundenen, aus der Sammlung Sabouroff in das Berliner
Museum übergegangenen Thonlampe des Preimos, auf wel-
cher jedoch der Adler weggelassen ist, Furtwängler
Sammlung Sabouroff Taf. LXXV. Links in der Luft Amor
mit einer brennenden Fackel; im Hintergrund ein Eich-
baum. In dem entsprechenden Felde rechts Leda mit dem
Schwan. Ovid Metam. VI 109 fecit olorinis Ledam reeubarc
sub aüs. Im Hintergrund eine Cypresse und ein Eichbaum.
Rechts in der Luft ein flatternder Amor, den linken Arm
vorgestreckt, vielleicht schoss er einen Pfeil auf Leda ab.
In den Eckfeldern auf einem Postament, also als Statue
gedacht, je ein auf die umgekehrte, brennende Fackel ge-
stützter Amor; neben dem zur Rechten Reste seines Bogens.

Für die Eintheilung der Vorderseite in fünf Relief-
felder, wie sie bei diesem Stücke vorliegt, giebt es unter
dem ganzen Vorrath der erhaltenen Sarkophage kein zweites
Beispiel. Man ist deshalb zu der Frage berechtigt, ob
dieses ganz singuläre Decorationsschema wirklich ursprüng-
lich und nicht vielmehr erst in der Renaissance hergestellt
ist; und der selbst in der Zeichnung merkliche stilistische
Gegensatz zwischen den malerisch behandelten mythologi-
schen Scenen und den rein handwerksmässig gearbeiteten
Mittel- und Eckfeldern kann diesen Zweifel nur verstärken.
Die Vermuthung erscheint nicht zu gewagt, dass wir
hier die Vorderseite eines geriefelten Sarkophags vor uns
haben, bei dem die geriefelten Felder im Cinquecento ent-
fernt und durch die malerischen Reliefplatten ersetzt worden
sind; letztere, die ohne Zweifel als Pendants auch im Alter-
thum verwandt waren, werden in Wahrheit zur Classe der
decorativen Wandreliefs gehören.
 
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