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Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (2): Mythologische Cyklen — Berlin, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.12015#0090
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72

TROISCHER KREIS

Arm mit rauhem Griff gepackt hat und ihr das Kind ent-
reissen zu wollen scheint. Auf diesen letzteren eilt von
links eine zweite Frau zu, gleichfalls in ärmellosem Chiton
und Mantel, das hinten in einen Knoten zusammengebun-
dene Haar mit einem Band durchzogen; den Oberkörper
weit vorbeugend, hält sie mit der Linken den Arm des
Kriegers fest und umfasst mit der Rechten flehend sein
Kinn. Ein neben ihr herschreitendes Knäbchen in gegür-
tetem Armelchiton, kurzem Mäntelchen, Hosen und Schuhen
hält sich ängstlich an ihr fest, als ob es sie zurückhalten
wollte, und blickt voll Schrecken nach dem Krieger. Ein
anderes Troianerknäbchen in gleicher Tracht, nur ohne
Mantel, sitzt, dem Beschauer den Rücken zukehrend, am
Boden und soll von einem vor ihm knieenden Knaben in
Mütze, gegürtetem Aermelchiton und Hosen aufgehoben
werden; der Knabe fasst das Kind mit beiden Händen
unter den Armen, das Kind hält sich mit beiden Händchen
an seinen Oberarmen und blickt, den Kopf weit zurück-
legend, hilfesuchend zu ihm auf. Dass die Hauptfigur
dieser Scene, die ihr Kind vergeblich schützende Mutter,
Andromache mit dem kleinen Astyanax ist, wie Labus
annahm, Brunn aber bestreitet, ist um so wahrscheinlicher,
als es den beiden Griechen offenbar nur um dieses Kind
zu thun ist, während die übrigen Troianerknaben und die
zweite Troianerin unbehelligt bleiben. Die Krieger würden
demnach Menelaus und Ulixes sein, doch ist nament-
lich letzterer nicht genügend charakterisirt. Hingegen
sind unter den übrigen Figuren dieser und der links an-
schliessenden beiden Scenen, wie Brunn mit Recht gegen
Labus hervorhebt, keine bestimmten Personen der troischen
Sage gemeint.

In der links folgenden dritten Scene erscheint im
Vordergrund eine Kämpfergruppe; ein bärtiger langlockiger
Troianer in phrygischer Mütze, doppeltem Chiton, dem
unteren mit langen, dem oberen mit kurzen Aermeln,
Hosen und Schuhen ist auf die Kniee gesunken; am
linken Arm trägt er den Schild; der rechte ist erhoben
und gebogen; da die Hand durch den Kopf verdeckt wird,
lässt sich nicht entscheiden, ob sie ein Schwert hielt
und zum Schlag ausholte oder nur eine schmerzliche
Bewegung nach dem Hinterkopf machte. Sein Gegner,
ein jugendlicher Grieche, steht, dem Beschauer den Rücken
kehrend, mit gespreizten Beinen da und holt, die das
Schwert führende Rechte über die Schulter emporhebend,
zum tödtlichen Schlage aus. Er trägt Helm, langen Chiton,
Lederpanzer und hohe Soldatenstiefel; am linken Arm
führt er den Schild; die an dem quer über den Rücken
laufenden Wehrgehäng befestigte Scheide ist bis auf das
obere und untere Ende (über dem Kopf des sich bückenden
Jünglings der folgenden Scene) abgebrochen. Im Hinter-
grund, auf etwas höherem Terrain, führt ein weit aus-
schreitender und stolzen Blickes sich umschauender bär-

tiger Grieche drei gefangene Troianer vorbei; er trägt
Helm, Panzer, hohe Soldatenstiefel und am linken Arm
den Schild; an der Seite hängt das Schwert; die jetzt
abgebrochene rechte Hand hielt eine Kette, von der ein
kleines Stück neben der rechten Schulter des jugend-
lichen Kriegers im Vordergrund erhalten ist. An dieser
Kette führt er die Gefangenen, von denen die beiden
ersten die phrygische Mütze tragen, der letzte barhäuptig ist;
der gegürtete Chiton der beiden ersten Gefangenen ist
zum Theil sichtbar; der erste und dritte sind bärtig, das
Gesicht des zweiten wird durch den Helm des Kriegers
im Vordergrund verdeckt.

Die vierte Scene zerfällt in vier Gruppen, von denen
zwei den Vordergrund einnehmen, während die beiden
anderen mehr im Hintergrund auf erhöhtem Terrain spielen.
Im Vordergrund rechts ein nackter jugendlicher Troianer,
der sich niederbeugt, um die Leiche eines getödteten eben-
falls jugendlichen Genossen aufzuheben, eine sehr schön
empfundene und trotz der starken Fehler bei dem Körper
des Todten sehr wirkungsvolle Gruppe; rechts wird ein
wohl dem Todten gehöriger Schild sichtbar. Weiter links
folgt ein am Boden sitzender, vom Rücken gesehener bär-
tiger Troianer, mit phrygischer Mütze und gegürtetem
Aermelchiton; sein Unterkörper verschwindet im Relief-
grund. Er scheint verwundet zu sein und richtet, die
rechte Hand mit gespreizten Fingern erhebend, die Blicke
angstvoll auf den bärtigen Griechen, der nach rechts
schreitend ihn bei den Haaren fasst. Der Grieche trägt
Helm, Panzer, Paludamentum und Stiefel, hat am linken
Arm den Schild und an der Seite das Schwert. Von der
anderen Seite ist eine Frau in gelöstem Haar, mit einem
von der rechten Schulter abgleitenden Chiton und Mantel,
ohne Zweifel seine Gattin, um den Gefallenen bemüht;
während sie mit der Rechten seinen linken Arm gefasst
hält, richtet sie das Antlitz bittend auf den Griechen;
auch der hinter dem Kopf des Gefallenen verschwindende
linke Arm soll wohl eine bittende Geberde machen. Ueber
diesen beiden Gruppen zieht sich im Hintergrund eine
Anhöhe hin, die rechts durch ein von der Seite gesehenes,
mit Ziegeln gedecktes Wohnhaus abgeschlossen wird. Vor
diesem Gebäude kniet eine alte Frau in Kopftuch, von der
linken Schulter abgleitendem Chiton und Mantel, also der
sonst auf Sarkophagen für die Amme charakteristischen
Tracht; sie richtet ein kleines, am Boden sitzendes Knäb-
chen, das vielleicht verwundet zu denken ist, auf, indem
sie mit der Rechten seinen Kopf umfasst und die Linke
unter seinen Rücken legen zu wollen scheint; das Knäb-
chen, das doppelten Chiton, den unteren mit langen, den
oberen mit kurzen Aermeln, ferner Hosen und Schuhe
trägt, streichelt mit erhobener Rechten das Kinn der Alten.
Durch zwei Oelbäume getrennt folgt, etwas tiefer stehend,
eine jugendliche Frau mit Kopftuch, zwei Untergewändern,
 
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