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Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (2): Mythologische Cyklen — Berlin, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.12015#0212
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194

THEBANISCHER KREIS

von ihrem Körper herabgeglitten. Die Augen zum
Himmel emporgerichtet, breitet sie flehend beide Arme
aus. Die abgebrochenen Unterarme hat der Zeichner
Pozzo's im Wesentlichen richtig ergänzt, nur waren die
Hände nicht nach unten, sondern, wie es sich bei einer
Bittenden gebührt, nach oben gekehrt; vgl. die unten-
stehende Textabbildung der Aschenurne Pacca. Auf
Polynices eilt seine Schwester Antigone zu, die Rechte
wie beruhigend auf seine Schulter legend und die Blicke
ängstlich auf Eteocles richtend. Ihr Haar ist gelöst; be-
kleidet ist sie mit ärmellosem Chiton und Mantel. Links
neben ihr hinter locaste steht der greise Oedipus; die
blinden Augen sind geschlossen, der Mund geöffnet; Bart
und Haupthaar fallen wirr herab. Mit der Rechten greift
er sich nachdenklich in den Bart. Bekleidet ist er mit einem
langen, die rechte Seite der Brust freilassenden Mantel. Die
drei Hauptfiguren dieser Gruppe, Iocaste, Eteocles und Poly-
nices kehren, nach demselben Original, auch auf der früher
in Vigna Pacca befindlichen Aschenurne des A. Aegrilius
Eutychus wieder; s. die beistehende Textabbildung nach

ASCHENURNE, FRÜHER IN VIGNA PACCA

einer Zeichnung von L. Schulz; nach derselben Zeichnung
auch bei Spiro a. a. O. tab. fig. z (vgl. Matz und von
Duhn Antike Bildwerke in Rom III S. 213 Nr. 3994; Corpus
Inscriptionum Latinarum XIV 934). Das Pathos der Euripi-
deischen Scene ist in der bildlichen Darstellung dadurch,
dass Iocaste, die dort nur mit Worten die Söhne zu ver-
söhnen sucht, sich ihnen hier zu Füssen wirft und die
Mutterbrust entblösst, bedeutend gesteigert. Auffallend
ähnlich die Situation bei Seneca Phoeniss. V. 443—458, wo
Iocaste ruft:

In me arma et ignes vertite, in me omnis ruat
unam iuventus quaeque ab Inachio venit
animosa muro quaeque Thebana ferox
desccndit arce; civis atque hostis simul
bunc petite ventrem, qui dedit fratres viro.
haec membra passim spargite ac divellite:
ego utrumque peperi — ponitis ferrum ocius?

an dico et ex quo? dexteras matri date,

date, dum p'iae sunt.......

........si placuit scelus,

maius paratum est: media se opponit parens.
proinde bellum tollite aut belli moram.
und zu Polynices V. 467—474

accede propius, clude vagina impium
ensem et trementem iamque cupientem excuti
hast am solo defige; maternum tuo
coire pectus pectori clipeus vetat:
bunc quoque repone. vinculo frontem exue
tegumenque capitis triste belligeri leva
et ora matri redde. quo vultus refers
acieque pavida fratris observas manum?
Gesteigert wird das dramatische Interesse der Scene auch
noch durch die Anwesenheit des Oedipus und der
Antigone, die Euripides aus dramaturgischen Gründen
nicht einführen konnte. Nichtsdestoweniger ist der Keim
zu dieser Erfindung gleichfalls in den Euripideischen Phoe-
nissen zu suchen, da auch dort Oedipus noch lebend und
in Theben weilend eingeführt wird (V. 1539—1757) und
Antigone bei einer anderen Gelegenheit (V. 156—169) die-
selbe lebhafte Parteinahme für Polynices bekundet, wie in
dieser Darstellung. Bei Seneca wird Iocaste auf dem Weg
zur Unterredung von Antigone begleitet. Die auffällige
Uebereinstimmung mit dem römischen Tragiker in diesem
und den vorher erwähnten Punkten wird wohl daraus zu
erklären sein, dass dieser das Original der Sarkophagdar-
stellung, vermuthlich ein berühmtes Gemälde, kannte und
für seine Dichtung verwerthete; denn ihn selbst für die
litterarische Quelle zu halten ist desshalb nicht angängig,
weil er für die im Wesentlichen mit Euripides überein-
stimmende Mittelscene versagt haben würde. Dagegen
darf in einem Gemälde des Tauriskos, das genau dieselbe
Scene behandelt zu haben scheint, vielleicht die Vorlage
für die Sarkophagdarstellung gesucht werden, Plinius nat.
bist. 35, 144 Tauriscus (pinxit) .. . Polynicen regnum repetentem.

Die Mittelscene, die den Tod des Polynices und
seiner Bundesgenossen zeigt, zerfällt selbst wieder in
drei kleinere Scenen. Links steigt Capaneus die Sturm-
leiter hinan; er ist behelmt, trägt in der vorgestreckten
Linken den Schild und an der Seite die an einem Wehr-
gehäng befestigte Scheide; in der Rechten hielt er das
gezückte Schwert, von dem ein Rest auf seiner rechten
Hüfte erhalten ist. Die Ergänzung des rechten Unter-
arms ist dadurch gesichert. Euripides Phoeniss. V. 1172—1181.
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