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Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,2): Einzelmythen: Hippolytos - Meleagros — Berlin, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.12013#0067
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LEUKIPPIDEN

221

ist (Schreiber Hellenistische Reliefbilder Taf. 49. 50). Beide
Male sind Figuren hinzugesetzt, die mit der Gruppe nichts
zu thun haben: auf dem Thongefäss Minerva und Bacchus (?),
so dass hier eine Zusammenstellung von Götterfiguren be-
absichtigt war, auf dem Marmorkrater ein Jüngling, ver-
muthlich Diomedes, da er auf dem einen Exemplar das
Palladium zu tragen scheint. Weit wichtiger aber ist es,
dass sich dieselbe Gruppe auch auf einem der sogenannten
Campanischen Reliefs d. h. einer zur Zimmerdecoration
dienenden Thonplatte findet, und zwar in Verbindung mit
dem fliehenden Mädchen, das auf den Sarkophagen regel-
mässig die Mitte der Vorderseite einnimmt. Das einzige
bis jetzt bekannte Exemplar befindet sich im Museo
Gregoriano1) und ist S. 220 nach einer Photographie als
Vignette abgebildet. Es leuchtet ohne Weiteres ein, dass
sich an diese Platte rechts eine weitere mit dem zweiten
Dioscuren anschliessen musste und dass um diese Platte
zu füllen ausserdem noch eine Figur nöthig war. Als diese
ergiebt sich sofort die zweite fliehende Gespielin, die auf
den Sarkophagen ebenso regelmässig rechts von dem
nach links bewegten Dioscuren angebracht ist und die
auf dem Vorbild um so weniger fehlen konnte, als auf den
älteren Exemplaren 180 —182 die geraubte Leukippide
nach ihrem Mantel oder ihrem Arm greift. Wenn also
Campana Antiche opere in plastica tav. 55 die Platte des
Museo Gregoriano durch diese Figur und den zweiten
Dioscuren vervollständigt, so hat er in der Sache Recht;
nur durfte er nicht den Anschein erwecken wollen, als ob
diese nur auf dem Papier ergänzten Figuren wirklich auf
einer Terrakottaplatte erhalten seien, wie es auch unerfind-
lich ist, warum er die ganze Darstellung als Spiegelbild
gegeben hat. Hingegen werden die drei Kriegerfiguren,
die auf den Sarkophagen die Darstellung zu beiden Seiten
abschliessen, schwerlich der ursprünglichen Composition
zugeschrieben werden dürfen. Nicht nur stören sie den
Parallelismus der Darstellung, sondern sie passen auch
nicht recht zur Situation, zumal wenn, wie auf 181 ange-
nommen wird, dass die Mädchen beim Blumenpflücken
überrascht werden. Allerdings ist auch auf dem Fries von
Gjölbaschi die dem Raub folgende Verfolgung und der sich
daraus entwickelnde Kampf dargestellt, und dasselbe mag
auch schon für das Polygnotische Bild vermuthet werden
dürfen (vgl. Robert Marathonschlacht in der Poikile S. 53).
Aber dort fehlen auch nicht die Vertheidiger, die man zu-
erst zu finden erwartet, die Bräutigame der Entführten Idas
und Lynkeus. Diese den Dioscuren gleichalterigen Heroen
dürfen aber unter den drei Kriegerfiguren der Sarkophage

T) Museum Gregorianüm, Ausgabe A, I tab. XLI 5; Campana Di
dtte sepolcri romani tab. VIII B; vgl. Reisch in Help.ig's Führer IF
S. 272 f. Nr. 1179. Ueber die Abbildung bei Campana Autiche Opere
in plastica tav. 55 (danach Archaeologische Zeitung X 1852 Taf. 40, 3)
s. oben im Text.

nicht gesucht werden, da zwei von diesen bärtige reife
Männer sind. Man hat also anzunehmen, dass der Bild-
hauer, der zum ersten Male diese Composition auf die
Vorderseite eines Sarkophags übertrug, die Krieger zur
Raumfüllung an den Ecken hinzugefügt hat, wobei er in
pointirter Gegenüberstellung auf der einen Seite einen
muthigen, auf der anderen einen zaghaften anbrachte. Auch
die Gliederung der Composition musste sich bei dieser
Uebertragung eine kleine Aenderung gefallen lassen. Wäh-
rend für das Original zwei streng symmetrische Gruppen,
jede von drei Figuren, anzunehmen sind, rückte nun die
fliehende Gespielin der ersten Gruppe in das Centrum der
ganzen Composition, gemäss der bei den älteren Sarko-
phagen herrschenden Tendenz die Mitte scharf zu markiren.
Hierdurch wurde aber das ursprüngliche Pendant dieser
Figur, die zweite fliehende Gespielin, formell von der Mittel-
gruppe fort zur rechten Seitengruppe geschoben, und es
entstand die Nöthigung links zwei Figuren hinzuzufügen,
während rechts der eine Krieger genügte.

Uebereinstimmung von Sarkophagen mit Terrakotta-
Reliefs konnte auch schon bei dem Peleus-Sarkophag II I,
mit Gefässen aus Terra sigillata bei demselben und bei
einer Gruppe der Hercules-Sarkophage III 101—107 (vgl.
S.i67f.) constatirt werden. Schwerlich aber ist in dem vor-
liegenden Fall die Erweiterung des Typus durch die beiden
fliehenden Mädchen in der decorativen Thonplastik erfolgt;
vielmehr erinnert der wiederholt hervorgehobene strenge
Parallelismus an die gleiche Erscheinung- bei dem Florentiner
Centauren-Sarkophag III 135, und wie bei diesem, wird
man auch hier an ein Vorbild aus dem Kreis der Toreutik,
am liebsten einen Silberbecher, zu denken geneigt sein.

Mit merkwürdiger Zähigkeit wird der übernommene und
gleich anfangs erweiterte Typus im Kreis der Sarkophag-
arbeiter festgehalten; von einer Weiterentwicklung ist bei
den erhaltenen Exemplaren, die sich auf den Zeitraum von
der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts bis in die An-
toninenzeit hinein vertheilen, nichts wahrzunehmen. Höch-
stens dass in der Mitte noch eine (184) oder zwei (181)
Gespielinnen eingesetzt werden. Dagegen lässt sich eine
stetige Steigerung des Pathos beobachten. Die Eck-Horen
werden constant beibehalten; auch für 184 dürfen sie mit
Zuversicht angenommen werden. Auf den Schmalseiten
zeigen die älteren Exemplare 180. 181 die Vermählung der
Dioscuren mit den geraubten Bräuten, die jüngeren 182.
186 die Entführung zu Wagen, wobei eine Abhängigkeit
von den durch Polygnot beeinflussten Darstellungen des
fünften Jahrhunderts nicht ausgeschlossen erscheint. Der
einzige erhaltene Deckel 182 weist rein decorative Motive
auf, Victorien und Candelaber.

Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Sarkophage
meist, wenn nicht ausschliesslich, für Frauen bestimmt
waren. Für 180 wird dies durch die Aufschrift bestätigt.
 
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