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Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,2): Einzelmythen: Hippolytos - Meleagros — Berlin, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.12013#0122
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276

MELEAGROS

Demnach scheiden sich die römischen Sarkophage mit
Meleagers Tod in solche, die sich als Illustration des
Euripideischen Stückes darstellen und in solche, die in-
direct noch von der voreuripideischen Version abhängig
sind. Für die ersteren ist die Scene, wie Meleager seinen
Oheimen das Eberfell wieder entreisst, für die zweite die,
wie er sie in der Schlacht tödtet und dann selbst dem
Pfeil des Apollo erliegt, charakteristisch. Hingegen (ist mit
beiden Versionen gleich vereinbar und daher bei beiden
Gruppen zu finden die Scene, wie Althaea das Scheit ins
Feuer wirft, und der früher den Sarkophagarbeitern ge-
machte Vorwurf, als ob sie in den Fällen, wo sich diese
Scene in Verbindung mit der von Meleagros Heimtragung
findet, zwei verschiedene Sagenversionen vermischt hätten,
ist heute nicht mehr gerechtfertigt.

Ein einziges Mal 274 (dazu 304) sind auf der Vorderseite
Jagd und Heimtragung mit einander verbunden, wobei die
voreuripideische Version vorschwebt, da gleichzeitig an der
linken Ecke der Vorderseite Althaea das Scheit ins Feuer
des Heerdes wirft und auf der benachbarten Schmalseite
Apollo auf dem Schlachtfeld den tödtlichen Pfeil gegen Me-
leager richtet. Dieses Exemplar bildet also eine besondere
Classe für sich, die erste. Als zweite Classe folgen die
von dem Euripideischen Drama abhängigen Sarkophage
275—282, in der Regel mit drei Scenen auf der Vorderseite.
Von diesen haben wir zwei, die Tödtung der Thestia-
den und Althaeas wahnsinnige That, auch schon auf
den Schmalseiten der römischen Sarkophage mit calydo-
nischer Jagd gefunden; neu und für diese Classe be-
sonders charakteristisch ist aber die dritte, Meleager
auf dem Sterbebette. Für diese Scene kann das Euri-
pideische Stück kaum die Grundlage bilden. Man würde
sie für eine freie künstlerische Schöpfung halten, wenn
nicht die Verwandtschaft mit der sterbenden Alcestis auf
III 22—24. 26—29 so augenscheinlich zu Tage träte. Aus
dieser, ihrerseits allerdings direct einen Bühnenvorgang aus
der Euripideischen Alcestis illustrirenden Scene scheint die
Darstellung des sterbenden Meleager durch Umbildung ent-
wickelt zu sein, wobei hier wie bei der Vorlage die mensch-
lichen Beziehungen der betheiligten Personen stärker be-
tont werden, als ihr mythischer Charakter, wie denn z. B.
neben den sterbenden Meleager, der hier zugleich den in
dem Sarkophag beigesetzten Römer repräsentirt, römische
Rüstungsstücke gestellt sind. Angeordnet sind diese drei
Scenen in der denkbar verschiedensten Weise. Das ur-
sprüngliche Schema scheint das von 277—280 zu sein, wo
die Sterbescene das Centrum bildet und die That der
Althaea die linke, die Tödtung der Thestiaden die rechte
Ecke einnimmt, also der Zeitfolge der Ereignisse nach:
b — c—a. Auf 275. 276 ist die Sterbescene an das rechte
Ende gestellt oder, richtiger gesagt, sie nimmt hier die
ganze rechte Hälfte der Vorderseite ein, die Tödtung der

Thestiaden ist an die linke Ecke versetzt und an sie
schliesst sich rechts die That der Althaea, so dass hier die
Scenen der zeitlichen Reihenfolge genau entsprechend von
links nach rechts angeordnet sind: a—b—c. Umgekehrt
nimmt auf 281 die Sterbescene die linke Hälfte der Vorder-
seite ein; es folgt die Tödtung der Thestiaden und an der
rechten Ecke die That der Althaea, also schematisch ausge-
drückt: c—a—b. Auf 282. 282 b ist die That der Althaea
weggelassen, vermuthlich war sie auf einer der Schmalseiten
angebracht; die beiden anderen Scenen sind wie bei der
zuletzt besprochenen Gruppe geordnet, also nach dem
Schema: c—a. Auf den Schmalseiten finden sich bei 277
decorative Sphinxe, bei 275. 282 die am Grabe ihres Bru-
ders trauernden Meleagriden. Der Deckel ist von keinem
einzigen Exemplar erhalten. Von mythischen Scenen, die
auf ihm dargestellt sein konnten, kommen die calydonische
Jagd (vgl. 257. 292 b), die Mahlzeit nach der Jagd (vgl.
2641—267. 269—271) und allenfalls die Heimtragung des
sterbenden Meleager (271. 290. 297. 300) in Betracht.

Die dritte Classe besteht aus den von Eurihdes
unabhängigen, auf eine unbekannte litterarische Quelle
zurückgehenden Sarkophagen, zu denen auch eine Anzahl
von Deckeln mit verwandter Darstellung gestellt worden
sind, obgleich diese wahrscheinlich zu Behältern aus
andern Classen gehören, ebenso die Exemplare, auf denen
der Vorgang von Amoren parodiert wird (283 — 308).
Auch hier zeigt sich grosse Mannigfaltigkeit, weniger aller-
dings in der Anordnung als in der Auswahl der Scenen.
Allen Exemplaren gemeinsam ist nur die Scene von Me-
leagers Heimtragung, die für diese Classe ebenso typisch
ist wie Meleagers Tod für die zweite. Auf 283 nimmt sie
die ganze rechte Hälfte der Vorderseite ein, während auf der
linken drei kleinere Scenen, die Tödtung der Thestiaden,
Meleager vor dem Thor von Pleuron und sein Tod durch
Apollo angebracht sind. Von diesen kleineren Scenen
kehren die beiden ersten auch auf dem Sarkophagdeckel
284 wieder, und zwar die Scene am Thor in weit reicherer
Gestaltung. Dagegen beschränkt sich auf der Vorder-
seite von 285. 286 die Darstellung auf zwei Scenen, Apollo
den Meleager tödtend und die Heimtragung des Sterben-
den; auf dem Deckel 300 hingegen war links von der
Heimtragung die verhängnissvolle That der Althaea, auf
292. 306 rechts von der Heimtragung deren Selbstmord
dargestellt, Scenen, die bei 285 auf die Schmalseiten ver-
wiesen sind. Nur eine Scene, nämlich die nie fehlende
Heimtragung, zeigt 287, ebenso wahrscheinlich 296. 301a.
303 und sicher die Amoren-Sarkophage 307. 308, aber auf
allen diesen Exemplaren mit Ausnahme von 308 erscheint
an der Spitze des Zuges der greise Thestius, der eigentlich
zu der Darstellung von Althaeas Selbstmord gehört und
mithin als ein Ueberbleibsel aus dieser Scene zu betrachten
ist. Die Schmalseiten dieser Classe enthalten, wie schon
 
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