TAFEL LXXIX DIE CALYDONISCHE JAGD 231. 232
3OI
sich mit einem Zipfel seiner Chlamys weinend das Gesicht,
während er in der Linken eine Lanze hält; vgl. 4. 5. g. xi.
Der Hundewärter, in geschürztem Chiton, steht dem Wagen
zugekehrt und hält in der erhobenen Rechten ein, wie es
scheint, am Joch befestigtes Leitseil. Sein Kopf, sein linker
Unterarm und der Kopf des zu seinen Füssen sitzenden
Hundes sind ergänzt, was Eichler entgangen ist; s. die
Abbildung bei Braun a. a. O., wo der ächte Kopf dieses
Mannes erhalten ist, der wie auf 230a unbärtig war;
natürlich hielt er den Hund mit der Linken an der Leine.
In der kleineren Scene rechts ist die Figur der Althaea
etwas verändert. Sie liegt auf beiden Knieen, hat einen Zipfel
ihres um den Unterkörper geschlungenen Mantels über die
linke Schulter geworfen und streckt den linken Arm seit-
wärts aus. Die Meleagride fehlt, dafür ist die Amme auf
die rechte Seite versetzt; sie fasst, sich etwas nieder-
beugend, mit der Linken den ausgestreckten Arm ihrer
Herrin und scheint die rechte Hand auf deren Rücken zu
legen; bekleidet ist sie mit Chiton, Mantel und Kopftuch.
Neuerdings hat man auch ihr einen anderen Kopf gegeben,
und zwar einen solchen mit gelöstem Haar, so dass sie
jetzt wie eine der Meleagriden aussieht. Rechts das Grab-
mal des Meleager, ein viereckiger Quaderbau mit Giebel-
dach. Von links naht wankenden Schritts und von zwei
Jünglingen geleitet ein alter Mann, der beide Hände hilflos
vorstreckt. Er trägt kurz geschnittenen Bart, hat im Haar
eine Binde und ist mit gegürtetem Chiton, einem auf der
linken Schulter aufliegenden und zwischen den Beinen herab-
hangenden Mantel und hohen Schuhen bekleidet. Seine
ganze Erscheinung ist von der des majestätischen Oeneus
in der ersten Scene so verschieden, dass diese Benennung
schlechterdings ausgeschlossen ist. Vielmehr wird man in
ihm den Vater der Althaea, den greisen Thestius, zu er-
kennen haben. Von seinen jugendlichen Begleitern steht
der eine vor ihm und legt wie beruhigend die linke Hand
auf seine Schulter. Der andere schreitet hinter ihm her und
fasst mit seiner rechten Hand die Rechte des Alten. Dieser
Jüngling ist mit der Chlamys bekleidet, während der zuerst
besprochene völlig nackt ist.
Auch die Eckacroterien sind mit Figuren geschmückt.
Zur Ausfüllung des rechten ist die Meleagride ver-
wandt, die auf 230 a vor dem Grabmal des Meleager an-
gebracht ist. Hier sitzt sie nach der anderen Seite ge-
wandt auf einem Felsen vor einem Oelbaum, das Haupt
auf die rechte Hand und den rechten Ellenbogen auf die
im Schooss ruhende linke Hand gestützt. Den Mantel,
unter dem ein Aermelchiton sichtbar wird, hat sie, wie
auf 230 a, ganz über den Kopf gezogen. Als Gegenstück
zu ihr erscheint in dem linken Acroterium ein nackter
bärtiger Flussgott, der wohl mit Zoega Achelous benannt
werden darf; vgl. 230 S. 296. Er sitzt auf einem Felsen
in einer Haltung, die vermutlich gleichfalls Trauer aus-
drücken soll, das gesenkte Haupt auf den rückwärts er-
hobenen rechten Arm gestützt, der auf einer Urne ruht,
aus der sich ein Wasserschwall über den Felsen ergiesst.
Die auf dem linken Oberschenkel liegende Linke hält
einen Schilfstengel. An den Schmalseiten des Deckels
ist eine liegende Fackel angebracht; vgl. den Orestes-
Sarkophag II 155 a. 155 b.
Soweit die starke Ueberschmierung ein Urtheil gestattet,
gute Arbeit aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts,
vielleicht nur wenig jünger als 230.
232) F. Rom, Villa Pamfili, an der Ostseite des Ca-
sinos eingemauert. Fig. 232. L. 0,97. H. 0,42. Links
durch sechs moderne aus Stuck gearbeitete Fiouren ver-
grössert, die auf unserer Abbildung weggelassen sind.
Zeichnung von Eichler 1882.
Litteratur: Raffei Osservazioni sopra alcuni antichi Monumenti
esistenti nella Villa delV Eminentissimo Sign. Cardinale Alcssandro
Älbani, Diss.Vll, 1773 (1821) p. 1191); Zoega Fol. 224. Fol. 242.
Fol. 535 Nr. 7; Helbig a. a. 0. p. 82 ss. (I); Stephani a. a. 0. S. 96
Nr. n; Matz a. a. O. 77 (I); Matz und von Duhn Antike Bild-
werke in Rom 1881 II S. 393 f. Nr. 3243.
Auf diesem Fragment Fig. 232 ist zwar nur die Jagd-
scene erhalten, diese aber stimmt in allem Wesentlichen
mit der zweiten Scene von 231 so frappant überein, dass
das gleiche auch für die fehlende erste Scene unbedenk-
lich angenommen und das Exemplar als eine kleinere Re-
plik von 231 betrachtet werden darf. Es genügt daher
die geringfügigen Abweichungen zu notiren. Atalante
trägt einen bogenförmig über ihrem Haupt flatternden
Mantel. Ueber dem Eber erscheint nur ein einziger Jäger,
der seinen Stein mit beiden Händen hochhebt. Statt des
Eichbaums neben Atalante ist rechts von diesem Jäger ein
Feigenbaum angebracht. Das Felsterrain mit seinem Schilf
ist weggelassen. Ancaeus stützt sich mit beiden Händen
auf eine Lanze und trägt eine hinter seinem Rücken flat-
ternde Chlamys. Die Dioscuren haben ihre Chlamys
dicht um den Leib geschlungen; der den Arm des Me-
leager berührende ist ganz ins Profil gestellt. Hinter den
Dioscuren ist noch ein nach links bewegter Jäger hinzu-
gefügt, der mit der linken Hand seine Chlamys hochzieht
und wahrscheinlich den rechten Arm mit geschwungener
Lanze erhob, wie auch der Restaurator angenommen hat.
Bei der starken Zerstörung ist ein sicheres Urtheil über
die Zeit nicht möglich. Doch scheint das Stück noch ins
zweite Jahrhundert zu gehören.
') Wenn Raffei hier von 8 Meleager-Sarkophagen spricht, die er in
Villa Pamfili gesehen haben will, so sind darin offenbar die drei Sarko-
phage mit gewöhnlicher Eberjagd (Matz und von Duhn a.a.O. Nr. 2973.
Nr. 2976 und Nr. 2978) mit einbegriffen. In Wahrheit befanden sich zu
Raffei's Zeit 5 Meleager-Sarkophage in der Villa, nämlich 231. 232. 235.
254. 283.
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sich mit einem Zipfel seiner Chlamys weinend das Gesicht,
während er in der Linken eine Lanze hält; vgl. 4. 5. g. xi.
Der Hundewärter, in geschürztem Chiton, steht dem Wagen
zugekehrt und hält in der erhobenen Rechten ein, wie es
scheint, am Joch befestigtes Leitseil. Sein Kopf, sein linker
Unterarm und der Kopf des zu seinen Füssen sitzenden
Hundes sind ergänzt, was Eichler entgangen ist; s. die
Abbildung bei Braun a. a. O., wo der ächte Kopf dieses
Mannes erhalten ist, der wie auf 230a unbärtig war;
natürlich hielt er den Hund mit der Linken an der Leine.
In der kleineren Scene rechts ist die Figur der Althaea
etwas verändert. Sie liegt auf beiden Knieen, hat einen Zipfel
ihres um den Unterkörper geschlungenen Mantels über die
linke Schulter geworfen und streckt den linken Arm seit-
wärts aus. Die Meleagride fehlt, dafür ist die Amme auf
die rechte Seite versetzt; sie fasst, sich etwas nieder-
beugend, mit der Linken den ausgestreckten Arm ihrer
Herrin und scheint die rechte Hand auf deren Rücken zu
legen; bekleidet ist sie mit Chiton, Mantel und Kopftuch.
Neuerdings hat man auch ihr einen anderen Kopf gegeben,
und zwar einen solchen mit gelöstem Haar, so dass sie
jetzt wie eine der Meleagriden aussieht. Rechts das Grab-
mal des Meleager, ein viereckiger Quaderbau mit Giebel-
dach. Von links naht wankenden Schritts und von zwei
Jünglingen geleitet ein alter Mann, der beide Hände hilflos
vorstreckt. Er trägt kurz geschnittenen Bart, hat im Haar
eine Binde und ist mit gegürtetem Chiton, einem auf der
linken Schulter aufliegenden und zwischen den Beinen herab-
hangenden Mantel und hohen Schuhen bekleidet. Seine
ganze Erscheinung ist von der des majestätischen Oeneus
in der ersten Scene so verschieden, dass diese Benennung
schlechterdings ausgeschlossen ist. Vielmehr wird man in
ihm den Vater der Althaea, den greisen Thestius, zu er-
kennen haben. Von seinen jugendlichen Begleitern steht
der eine vor ihm und legt wie beruhigend die linke Hand
auf seine Schulter. Der andere schreitet hinter ihm her und
fasst mit seiner rechten Hand die Rechte des Alten. Dieser
Jüngling ist mit der Chlamys bekleidet, während der zuerst
besprochene völlig nackt ist.
Auch die Eckacroterien sind mit Figuren geschmückt.
Zur Ausfüllung des rechten ist die Meleagride ver-
wandt, die auf 230 a vor dem Grabmal des Meleager an-
gebracht ist. Hier sitzt sie nach der anderen Seite ge-
wandt auf einem Felsen vor einem Oelbaum, das Haupt
auf die rechte Hand und den rechten Ellenbogen auf die
im Schooss ruhende linke Hand gestützt. Den Mantel,
unter dem ein Aermelchiton sichtbar wird, hat sie, wie
auf 230 a, ganz über den Kopf gezogen. Als Gegenstück
zu ihr erscheint in dem linken Acroterium ein nackter
bärtiger Flussgott, der wohl mit Zoega Achelous benannt
werden darf; vgl. 230 S. 296. Er sitzt auf einem Felsen
in einer Haltung, die vermutlich gleichfalls Trauer aus-
drücken soll, das gesenkte Haupt auf den rückwärts er-
hobenen rechten Arm gestützt, der auf einer Urne ruht,
aus der sich ein Wasserschwall über den Felsen ergiesst.
Die auf dem linken Oberschenkel liegende Linke hält
einen Schilfstengel. An den Schmalseiten des Deckels
ist eine liegende Fackel angebracht; vgl. den Orestes-
Sarkophag II 155 a. 155 b.
Soweit die starke Ueberschmierung ein Urtheil gestattet,
gute Arbeit aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts,
vielleicht nur wenig jünger als 230.
232) F. Rom, Villa Pamfili, an der Ostseite des Ca-
sinos eingemauert. Fig. 232. L. 0,97. H. 0,42. Links
durch sechs moderne aus Stuck gearbeitete Fiouren ver-
grössert, die auf unserer Abbildung weggelassen sind.
Zeichnung von Eichler 1882.
Litteratur: Raffei Osservazioni sopra alcuni antichi Monumenti
esistenti nella Villa delV Eminentissimo Sign. Cardinale Alcssandro
Älbani, Diss.Vll, 1773 (1821) p. 1191); Zoega Fol. 224. Fol. 242.
Fol. 535 Nr. 7; Helbig a. a. 0. p. 82 ss. (I); Stephani a. a. 0. S. 96
Nr. n; Matz a. a. O. 77 (I); Matz und von Duhn Antike Bild-
werke in Rom 1881 II S. 393 f. Nr. 3243.
Auf diesem Fragment Fig. 232 ist zwar nur die Jagd-
scene erhalten, diese aber stimmt in allem Wesentlichen
mit der zweiten Scene von 231 so frappant überein, dass
das gleiche auch für die fehlende erste Scene unbedenk-
lich angenommen und das Exemplar als eine kleinere Re-
plik von 231 betrachtet werden darf. Es genügt daher
die geringfügigen Abweichungen zu notiren. Atalante
trägt einen bogenförmig über ihrem Haupt flatternden
Mantel. Ueber dem Eber erscheint nur ein einziger Jäger,
der seinen Stein mit beiden Händen hochhebt. Statt des
Eichbaums neben Atalante ist rechts von diesem Jäger ein
Feigenbaum angebracht. Das Felsterrain mit seinem Schilf
ist weggelassen. Ancaeus stützt sich mit beiden Händen
auf eine Lanze und trägt eine hinter seinem Rücken flat-
ternde Chlamys. Die Dioscuren haben ihre Chlamys
dicht um den Leib geschlungen; der den Arm des Me-
leager berührende ist ganz ins Profil gestellt. Hinter den
Dioscuren ist noch ein nach links bewegter Jäger hinzu-
gefügt, der mit der linken Hand seine Chlamys hochzieht
und wahrscheinlich den rechten Arm mit geschwungener
Lanze erhob, wie auch der Restaurator angenommen hat.
Bei der starken Zerstörung ist ein sicheres Urtheil über
die Zeit nicht möglich. Doch scheint das Stück noch ins
zweite Jahrhundert zu gehören.
') Wenn Raffei hier von 8 Meleager-Sarkophagen spricht, die er in
Villa Pamfili gesehen haben will, so sind darin offenbar die drei Sarko-
phage mit gewöhnlicher Eberjagd (Matz und von Duhn a.a.O. Nr. 2973.
Nr. 2976 und Nr. 2978) mit einbegriffen. In Wahrheit befanden sich zu
Raffei's Zeit 5 Meleager-Sarkophage in der Villa, nämlich 231. 232. 235.
254. 283.