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Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,2): Einzelmythen: Hippolytos - Meleagros — Berlin, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.12013#0190
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344

MELEAGER

Von den drei kleinen Scenen auf der linken Hälfte, die
Meleagers Kampf mit den Kureten in drei verschie-
denen Momenten darstellen, ist die zeitlich frühste rechts
im Vordergrund angebracht. Meieager dringt mit ein-
gelegter Lanze gegen einen wie es scheint im Fliehen auf
die Kniee gestürzten Kureten vor. Er trägt am linken
Arm den Schild und an der linken Seite das Schwert; der
Kopf war mit dem Helm bedeckt, von dessen1 Busch das
untere Ende über dem Nacken und ein Puntello über der
Bruchstelle am Hals erhalten sind; vgl. Fig. 283'. Die
Beine sind weggebrochen, aber beide Füsse erhalten. Der
Kur et ist in Rückenansicht dargestellt. Mit der das
Schwert haltenden Rechten stützt er sich auf den Boden;
mit dem linken Arm hebt er den Schild zur Deckung
empor; den jugendlichen, von einem Helm mit Busch be-
deckten Kopf wendet er rückwärts nach Meleager hin.
Bekleidet ist er mit einem Panzer, über den eine auf der
rechten Schulter geheftete Chlamys tief herabfällt, darunter
erkennt man das nach der linken Hüfte hin laufende Wehr-
gehäng; an den Füssen trägt er kurze, die Zehen frei-
lassende Stiefel. Auf seinem Schild ist eine Kampfscene
dargestellt, die von der Lanze des Meleager mitten über-
schnitten wird. Man sieht einen am Boden liegenden
nackten Krieger, der am linken Arm einen runden Schild
trägt und sich mit der Rechten in den Nacken greift; über
ihm erscheint sein gleichfalls nackter Gegner, der, nach
der Haltung des rechten Armes zu urtheilen, mit der
Lanze auf den Gefallenen stiess. Zwischen Meleager und
seinem Gegner wird der Oberkörper eines in Vorderansicht
gestellten zweiten Kureten sichtbar, der gleichfalls mit
Panzer und Chlamys bekleidet ist und am linken Arm
einen runden Schild trägt. Sein Kopf war, wie die Stellung
des im Hintergrund an der Mauer erhaltenen Helmbuschs
beweist, nach links zu Meleager hin gewandt, ist also
Fig. 283" und auf der von Winckelmann publicirten Zeich-
nung richtig ergänzt. Der rechte Oberarm ist gesenkt
und verschwindet hinter dem Schild Meleagers, doch
könnte der links von der Schulter über dem Schildrand
erhaltene sehr verstümmelte Gegenstand, die rechte Hand
dieses Kureten sein, die dann keine Waffe geführt hätte,
wie sie auf Winckelmann's Zeichnung ergänzt ist, sondern
mit einer Geberde des Schreckens erhoben gewesen wäre.
Zwischen den Füssen des Meleager liegt, in starker Ver-
kürzung, ein bereits getödteter dritter Kuret auf dem
Rücken, beide Arme seitwärts ausgestreckt, so dass der
rechte Fuss seines Ueberwinders vor seinen linken Ellen-
bogen, der linke vor seine rechte Schulter zu stehen
kommt. Auch er trägt Helm und Panzer mit darüber ge-
legtem Wehrgehäng; sein linker Arm ruht auf dem Schild.
Ohne Zweifel ist der gestürzte Kuret, dem Meleager eben
den Todesstoss geben will, einer seiner Oheime, ein The-
stiade, der hier im Gegensatz zu den Darstellungen nach

der Euripideischen Version seinem Neffen ungefähr gleich-
altrig gedacht ist. Es fragt sich nur, ob auch der Todte
und der Kuret im Hintergrund als Oheime des Meleager
anzusprechen sind. Während aus Apollodor's I 8,3 unbe-
stimmtem Ausdruck xoti xiv'ac xwv öeaxi'ou toxi'6<ov cpovsuaovxoi;
die Zahl der zuerst erschlagenen Thestiaden nicht zu
entnehmen war — später tödtet er dann noch mehrere
(toui; Xoitoüc xxstvGivTa täv öeaxi'ou TcafSwv) —, sind es bei
Bakchylides V 12jss., der in diesem Punkte, unbeschadet
seiner Abängigkeit von Phrynichos (vgl. Robert a. a. O.
S. 155f.), wohl mit der allgemein recipirten Sagenform zu-
sammentrifft, zwei: Iphiklos und Aphares. Da nun auch
auf der Sarkophag-Darstellung zwei Ueberwundene zu
Meleagers Füssen liegen, der eine bereits getödtet, der
andere dem sicheren Tode verfallen, wird man beide für
Thestiaden halten, und Iphiclus und Aphares benennen
dürfen, um so mehr als die Zweizahl auch auf 284 wieder-
kehrt. Doch unterscheidet sich die Darstelluno- und mit-
hin ihre dichterische Quelle von Bakchylides dadurch, dass
Meleager seine Oheime nicht wie bei diesem durch Zufall,
sondern mit Absicht tödtet. Die dritte Figur aber ist
kein Thestiade, sondern ein beliebiger Krieger, der über
den Verwandtenmord des Meleager entsetzt die rechte
Hand erhebt.

Die zweite Scene ist gerade über die erste gestellt.
Man sieht die Stadtmauer von Pleuren mit drei kleinen
Thürmen und ihrem Thor. Vor diesem Thor steht mit
zurückgebeugtem Oberkörper Meleager. In dieser Scene
trägt auch er den Panzer mit darüber gelegtem Wehr-
gehäng. Der obere Theil des Helmbusches ist unter dem
oberen Rand links von dem Stadtthor erhalten, aber von
allen ältern Zeichnern Fig. 283'. Fig. 283" übersehen; ein
über seiner linken Schulter noch eben erkennbarer Pun-
tello rührt entweder von dem Ende dieses Helmbusches
oder wahrscheinlicher von einer Lanze in seiner linken
Hand her. Der rechte Arm war hoch emporgehoben
und hielt eine Fackel, deren Flamme am oberen Rand
der Stadtmauer, links von dem rechten Eckthurm, noch
erhalten ist; auch die Hand ist aus den Umrissen des
Bruches am rechten Pfeiler des Stadtthores noch deutlich
zu erkennen. Salvatore Rosa Fig. 283' scheint sogar
noch den ganzen Arm mit der Fackel wenigstens in den
Conturen des Bruches gesehen zu haben, vgl. 284. Also
ist Meleager dargestellt, wie er im Begriff ist, Feuer an
die Stadtmauer von Pleuren zu legen.

Eine auf einem Pilaster stehende Urne scheidet diese
beiden ersten, übereinandergeschobenen Scenen von der
dritten an der linken Ecke, Apollo im Begriff den
Meleager zu tödten. Der Gott schreitet in lebhafter Be-
wegung, die seine Chlamys im Rücken bogenförmig auf-
flattern lässt, nach links; die Beine sind grösstentheils weg-
gebrochen, aber der rechte, auf ein Felsstück tretende
 
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