Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Banck, Otto; Alte Pinakothek
Die Gallerien von München: eine Stahlstichsammlung der vorzüglichsten Gemälde der Königl. Pinakothek, der Herzogl. Leuchtenberg'schen und Schleißheimer Gallerien — Leipzig, Dresden: Verlag der Englischen Kunstanstalt von A. H. Payne, 1851

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.55342#0066

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
34


Portrait der Frau Govaert Flinck.
Von Rembrandt.
Govaert Flinck war ein schlichter gerader Mann, der die fehlende Poesie und künstlerische Schwung-
haftigkeit in seinem Wesen durch ein ansprechendes klug verständiges Benehmen und sinniges Auffassen
der Welt zu ersetzen wußte. Seine wackeren Arbeiten hatten ihm die Gunst von dem Churfürsten Wil-
helm von Brandenburg und Moritz von Oranien erworben und so fehlte es ihm nicht an Aufträgen,
während ihm sein häusliches Leben durch eine fein gebildete zärtliche und treue Gattin nach allen
Seiten hin angenehm und behaglich gemacht wurde. Sie war aus einer würdigen alten Familie und
ihre Schönheit und Liebenswürdigkeit wirkte so allgemein und überraschend, daß man ihr in den
Künstlerkreisen den Namen „Im bellu" beigelegt hatte.
Flinck erhielt den ehrenvollen Auftrag, für das Rathhaus zu Amsterdam zwölf große Gemälde
auszusühren und wir betreten sein Haus, ungefähr in der Zeit, als er damit beschäftigt war, die
Entwürfe zu diesen Werken zu componiren.
Es war an dem Neujahrsabend 1658. In Govaerts Hause war ein Zimmer festlich geschmückt.
Symmetrisch und geschmackvoll geordnete Goldrahmen mit trefflichen Gemälden von vielen Zeit-
genossen prangten an der dunklen braunseidenen Tapete und verwandelten das Gemach gleichsam
in ein Album der damals lebenden niederländischen Künstlerschaft. Ueber einigen der Bilder hing
ein Lorbeerkranz, mehr oder minder verwelkt, denn Govaert's Frau, die innigste und lebendigste
Verehrerin der Kunst, hatte die Gewohnheit, sobald einer von den Schöpfern dieser Werke starb,
sein Andenken still und sinnig durch einen grünen Lorbeer zu ehren. In der einen Ecke des Zim-
mers stand eine Tafel mit Wein und Speisen besetzt. Alles war glänzend und elegant darauf, nur
nicht der Apparat für die Beleuchtung. Flinck konnte es nicht ertragen, das Zimmer durch mehre
Kerzen an verschiedenen Stellen mit sich kreuzenden Strahlen beleuchtet zu sehen; daher hatte er ein
halbes Dutzend Wachs lichte in eine Schüssel mit Sand gesteckt und diesen seltsamen Kronleuchter
ganz auf die eine Seite des Tisches geschoben. Ein enger Kreis von anserwählten Freunden saß
darum. Unter ihnen auch Abraham Franck, jener berühmte Liebhaber von Kupferstichen, Professor
Tulp, einige Schüler des Ateliers und der kleine geschickte verwachsene Juwelier Peter Fanswieck,
lauter damals bekannte Persönlichkeiten. Die Gesellschaft war eben noch nicht laut und fröhlich
und ein gewisses genirtes erwartungsvolles Schweigen beherrschte Alle. So erblickte man denn
auch in Mitten der Tafel noch einen leeren Sessel. Es war ohne Frage ein Ehrenplatz, denn man
hatte ihm zu beiden Seiten Raum gelassen und durch die Rücklehne desselben hatte die geschickte
emsige Hand der Hausfrau blühende Orangenzweige und Myrthen geflochten, um gleichsam den
Daraufsitzenden aus eine feine und schmeichelhaft graziöse Weise mit angenehmem Duft zu umfächeln.
„Ich kann mir denken, wen Ihr erwartet," sagte Tnlp behaglich, und deutete auf den unbe-
setzten Stuhl.
„Ja das ist nicht schwer zu errathen," entgegnete die schöne Wirthin und legte die eine Hand
auf die weiche Lehne des Sessels und den andern Arm auf die Schulter ihres Gatten. „Mein
 
Annotationen