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Banck, Otto; Alte Pinakothek
Die Gallerien von München: eine Stahlstichsammlung der vorzüglichsten Gemälde der Königl. Pinakothek, der Herzogl. Leuchtenberg'schen und Schleißheimer Gallerien — Leipzig, Dresden: Verlag der Englischen Kunstanstalt von A. H. Payne, 1851

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https://doi.org/10.11588/diglit.55342#0499

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welche selbst Reichthümer und die Höhe seines Standes nicht hätten verhindern können. Beiläufig
hob er bei dieser Gelegenheit den alten Adelsnamen Cpllon mit einer taktvollen Schmeichelei hervor,
und setzte hinzu, daß es ihm ein doppelt befriedigendes Gefühl sein müsse, einer solchen Familie sei-
nen Nath zu crtheilen. Peinliches Unbehagen bereite cs ihm dagegen, wenn ihn die Menschenpflicht
nöthige, dem gemeinen Bürger von seinen Erfahrungen mitzurheilen.
Die alte Marquise fühlte sich durch diese Worte sehr harmonisch berührt, lächelte immer hochach-
tungövoller und beifälliger und Rulans versäumte auch seinerseits nicht, sie immer gefesselter und theil-
nahmvoller in's Auge zu fassen. Isabella dagegen blickte er nur flüchtig an, und versäumte nicht, bei
der würdevollen Verbeugung des Verabschiedens rasch ein aus Zinn geschabtes Ordenskrcuz auf der
Brust blicken zu lassen. Die Marquise glaubte zum Ucbcrfluß jetzt auch das Lordkrcuz erschaut zu ha-
ben und war ganz entzückt über den liebenswürdigen Mann, indem sie mehr den Cavalier vom rein-
sten Adel, als den Arzt ehrte. Auch Isabella fühlte sich freier; denn ein dunkles Hoffen sagte ihr, daß
ihr gewandter Geliebter jetzt um so eher einen Plan finden werde, sich mit ihr zu vereinigen. Sie ge-
lobte sich, alles nur irgend Erlaubte zu thun, um von der Gewalt und den Vorurtheilen der Mutter
frei zu werden.
So erschien der vermeintliche Arzt nun täglich, benutzte geschickt die Gelegenheit, mit Isabella ohne
Argwohn allein Zu reden; ermuthigte sie, versicherte sie seiner Liebe und vertraute ihr seine näheren
Verhältnisse an. Beide schwuren sich unzertrennlich anzugchören und doch trotz dem Willen der Mut-
ter sich zu vereinigen.
Gegen die alte Marquise jedoch versäumte Lord Mornay nicht, immer mehr Anschein von Zärt-
lichkeit und verborgener Sehnsucht unter seine Aufmerksamkeiten zu mischen. Man nahm dies mit er-
sichtlichem Wohlgefallen entgegen. Um endlich ganz von seinem Reichthum zu überzeugen und unwi-
derstehlich zu gefallen, miethete sich der Lord der Marquise gegenüber eine Wohnung, die er glänzend
einrichten ließ und dazu zwei Bediente in stattliche Livree nahm. Immer mehr ließ er ihr merken, wie
angenehm es ihm sein würde, sie noch näher und vertrauter kennen zu lernen und öfters auch ohne
lästige Zeugen zu sehen. Indem er so alle Gelegenheit ergriff, mit ihr zusammen zu sein, so folgte er
ihr auch eines Tages, als sie ohne Begleitung die Messe besuchte. Er näherte sich ihr, verbeugte sich,
wie vor einer Königin, reichte ihr nach Endigung der Messe unter vielem Wortgepränge in der Kirche feier-
lich den Arm und führte sie bis an die Thüre ihres Hauses. Unterwegs sagte er: Wie lange habe ich schon
auf die Gelegenheit gewartet, Ihnen die große Hochachtung zu bezeigen, die ich gegen Sie hege. Wenn
Ihnen der Beifall eines Mannes von Vermögen und Stande und der zugleich wünscht, daß Sie ihn
ganz als Ihren Diener betrachten, nicht entgegen ist, so werden Sie an mir den ergebensten Verehrer
von der Welt finden.
Dies geschah nach der Nachmittagsmesse. Die Dämmerung näherte sich und das Kompliment
hatte der Marquise so gefallen, daß sie ihn bat, nicht nur als Arzt, sondern auch als Freund ihr Haus
zu betreten und gleich jetzt auf ein Spiel Piquet sie zu begleiten. Dies geschah von nun an noch oft.
Der neue Liebling ward ihr von Tag zu Tag angenehmer, ja er ward ihr bald ganz unentbehrlich,
wenn sie nicht Langeweile fühlen sollte und bald sah er ihr deutlich an, wie schmerzlich sie darauf warte,
daß er kühner werden und sich nicht länger als bloßer Hausfreund betragen möchte.
Dies hatte er erwartet; sie waren allein. O, meine Gnädige, sprach er, ich kann so vielen Rei-
zen nicht länger widerstehen. Ich muß entweder gegen mein Herz handeln, oder Ihnen meine Liebe
 
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