XIV
VORBEMERKUNG.
Außerdem darf man wohl hiernach vermuthen, daß Hart-
mann von vornherein, sei es infolge seiner Geburt oder
seines geringen Vermögens, den höfischen Kreisen etwas
ferne stand und in den Sitten des Ritterstandes noch wenig
geübt war. Darauf deuten auch Äußerungen wie im zweiten
Liede , V. 12—13:
vil wandels hat min lip und ouch der muot,
deist an mim ungelücke worden schin,
und V. 15 fg.:
sit sinne machent sseldehaften man —
ob ich mit sinnen niht gedienen kan,
da bin ich alterseine schuldec an.
Wiederholt dringt er daher auf Aneignung von Bildung und
ritterlichen Künsten, wodurch es ihm allein möglich ward,
neben Andern zu glänzen, und hebt nicht ohne Nachdruck
den Werth derjenigen Ritter hervor, die eigenen Anstren-
gungen und Verdiensten ihr Lebensglück zu danken haben
Und nicht dem zufälligen Besitz von Macht und Geburt.. Zu
solchen Wahrnehmungen fühlen sich doch meist nur solche
gedrungen, die sich selbst erst mühsam von unten empor-
gearbeitet, ihre Lebensstellung durch sich selbst erworben
haben.
Es lag übrigens in der Natur dieses von dem Ritterstande
als solchem gepflegten Frauendienstes, daß bei den dichtenden
Standes- und Zeitgenossen sich gleiche Anschauungen und
Erfahrungen wiederholten; daher auch Hartmann nach dieser
Seite hin nicht gerade viel Charakteristisches aufzuweisen
hat, wodurch sich seine Minnepoesie ihrem Gedankeninhalte
nach von der seiner Zeitgenossen unterschiede. Seine lyrischen
Ergüsse berühren sich in dieser Hinsicht z. B. vielfach mit
denen Friedrich’s von Hausen und des ältern Reinmar.
Des Dichters Muse blieb aber bei der weltlichen Minne
allein nicht stehen. In ihrem Dienste scheint er überhaupt
trübe Erfahrungen gemacht und wenig innere Befriedigung
gefunden zu haben. Aus mehreren Stellen geht deutlich her-
vor, daß sein Herz auch für die höhere, göttliche Minne sich
wahrhaft zu begeistern wusste. So lässt er im Gregor 699 fg.
dessen Mutter alle Anträge ihrer Bewerber ausschlagen und
sagt von ihr, daß sie zum Gegenstände ihrer minne den
aller«theuersten» Held, Gott selber, auserkoren habe; ferner
VORBEMERKUNG.
Außerdem darf man wohl hiernach vermuthen, daß Hart-
mann von vornherein, sei es infolge seiner Geburt oder
seines geringen Vermögens, den höfischen Kreisen etwas
ferne stand und in den Sitten des Ritterstandes noch wenig
geübt war. Darauf deuten auch Äußerungen wie im zweiten
Liede , V. 12—13:
vil wandels hat min lip und ouch der muot,
deist an mim ungelücke worden schin,
und V. 15 fg.:
sit sinne machent sseldehaften man —
ob ich mit sinnen niht gedienen kan,
da bin ich alterseine schuldec an.
Wiederholt dringt er daher auf Aneignung von Bildung und
ritterlichen Künsten, wodurch es ihm allein möglich ward,
neben Andern zu glänzen, und hebt nicht ohne Nachdruck
den Werth derjenigen Ritter hervor, die eigenen Anstren-
gungen und Verdiensten ihr Lebensglück zu danken haben
Und nicht dem zufälligen Besitz von Macht und Geburt.. Zu
solchen Wahrnehmungen fühlen sich doch meist nur solche
gedrungen, die sich selbst erst mühsam von unten empor-
gearbeitet, ihre Lebensstellung durch sich selbst erworben
haben.
Es lag übrigens in der Natur dieses von dem Ritterstande
als solchem gepflegten Frauendienstes, daß bei den dichtenden
Standes- und Zeitgenossen sich gleiche Anschauungen und
Erfahrungen wiederholten; daher auch Hartmann nach dieser
Seite hin nicht gerade viel Charakteristisches aufzuweisen
hat, wodurch sich seine Minnepoesie ihrem Gedankeninhalte
nach von der seiner Zeitgenossen unterschiede. Seine lyrischen
Ergüsse berühren sich in dieser Hinsicht z. B. vielfach mit
denen Friedrich’s von Hausen und des ältern Reinmar.
Des Dichters Muse blieb aber bei der weltlichen Minne
allein nicht stehen. In ihrem Dienste scheint er überhaupt
trübe Erfahrungen gemacht und wenig innere Befriedigung
gefunden zu haben. Aus mehreren Stellen geht deutlich her-
vor, daß sein Herz auch für die höhere, göttliche Minne sich
wahrhaft zu begeistern wusste. So lässt er im Gregor 699 fg.
dessen Mutter alle Anträge ihrer Bewerber ausschlagen und
sagt von ihr, daß sie zum Gegenstände ihrer minne den
aller«theuersten» Held, Gott selber, auserkoren habe; ferner