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T.15 mit der Illustrierung des Schwanks: Der Mund der Wahrheit 11
hier angeschlossen werden. Die Szene ist in einen engen Hof ver-
legt, wo sich in einer rundbogigen Nische der gequaderten Mauer
das geheimnisvolle Standbild des Löwen befindet, das von dem
Lebenswandel der beschuldigten Frau Zeugnis geben soll. Diese
betritt mit ihrem in Narrentracht erschienenen Geliebten das weit-
vorspringenden Podest, um unter den Augen des eifersüchtigen
Ehegatten das Orakel über ihre Treue zu befragen. Man sieht dem
Vorgang zu, der sehr anschaulich und in einer Mischung von
Schalkhaftigkeit und Ernst erzählt ist. Zeichnerisch ist ein über-
aus dünner und feiner Strich maßgebend, der vor allem die Kon-
turen in hellen Rändern festigt. In der räumlichen Anordnung
sind das nur zu einem Teil sichtbare Eingangstor mit dem großen
Rundpfeiler und die schräg gestellte Mauer nicht in einem inne-
ren architektonischen Gefüge zusammen verbunden. — Ahnliches
wäre hinsichtlich der Unklarheit der räumlichen Umgebung von
einer Zeichnung in Kopenhagen zu sagen, in der eine Frau zum

T. 15 Götzendienst gezwungen wird. Die in der Bildmitte stehende
Säule mit zweiteiligem Gewölbeansatz steht in keiner inneren Ver-
bindung zum rahmenden Arkadenbogen im vorderen Bildgrund.
Der rechts und links gegebene Ausblick auf eine Landschaft läßt
eine offene Halle vermuten, die aber in ihrem architektonischen
Zusammenhang nicht klar erfaßt ist. 12 Die Zeichenweise des Blat-
tes, das wohl nur als Kopie anzusprechen ist, steht ,,dem Mund
der Wahrheit“ nahe.

T.16 In der Zeichnung der Anbetung der Hirten (München) lebt
eine frühere Stufe räumlicher Gestaltung weiter in dem parallel
zum Bildrand gestellten nach vorn sich öffnenden Hüttenraum.
Der Beschauer wird mit den an eine niedrige Mauer gelehnten,
in die Hütte schauenden Hirten, auf der Schwelle festgehalten.
Die Wände sind lose und ohne innere Verbindung zusammen-

11 Zum Inhalt: Betty Kurth, Des Zauberers Virgil Ehebrecherl'alle aus
Werken der norddeutseh. Renaissance. Städel-Jahrbuch III/IV, 1924, S. 49 ff.

12 Ähnliche Kompositionsarten in Verbindung mit Architektur werden
von Altdorfer in der Holzschnittfolge der Erlösung verwandt. Ein sinnfälli-
ges Beispiel ist die Dornenkrönung (B 24).

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