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fahren bewährt. Die Kartoffeln, wohl geputzt, werden etwas angedämpft,
umſsiemit möglichſt geringem Verluſt abſchälen zu können. Dann kommen
sie in Stücke geſchnitten in ein ſauberes Gefäß mit kaltem Waſſser, in dem
ſie über Nacht siehen bleiben. Erſt zum Anſetzen des Gerichtes werden Jie
aus dem Waſſer geſchöpft, das auf dem Gefäßgrund abgesetzte Kartoffel-
mehl wird nach vorsichtigem Abgießen des Waſſers, nötigenfalls nach er-
neutem Aufschwemmen mit friſchem Wasser und nochmaligem Abſetzen-
laſſen, auf reinem Tuch aufgefangen und bei gelinder Wärme getrocknet.
So gewinnt man Kartoffelmehl zum Sämigmachen von Suppen und Ge-
müſen oder Tunken und Kartoffelſtücke, die auch bei längerem Kochen mit
anderen Speiſen nicht zerfallen.

Kartoffelmus wird besonders leicht verdaulich, wenn es nach Zuſatz von
Milch mit einem Löffel oder dem Schaumbeſsen ſchaumig geschlagen wird
und so durch die aufgenommene Luft den Verdauungsſäften reichliche
. Angriffsflächen bietet.

Werden Kartoffeln in leichtem Salzwaſſer zu Salzkartoffeln gar gekocht,
ſo empfiehlt es ſich, das übrigbleibende Salzwasser, das mit wertvollen
Nährsalzen aus den äußeren Kartoffelſchichten durchſetzt iſt, zur Be-

reitung von Suppen und Gemüſen zu verwerten, nicht aber wegzun

gießen. Im Gegensatß zum Verfahren bei gewiſſen Fleiſchbereitungen
empfiehlt es ſich, bei der Zubereitung der Gemüſe das erforderliche Salz
der Hauptmenge nach ſchon beim Zuſetzen zum Herd beizufügen. Wie die
Hitze des Wassers, der erzeugten Dämpfe dazu dient, die widerſtandsfähige
Zelluloſewand der Zellen zu ſprengen, ſo dient das Kochſalz dazu, während
der Kochdauer unverſehrte Zellwände zu durchdringen, einen Austauſch
löslicher Substanzen zu bewirken und den Zellinhalt zu erſchließen. Neben
dieſer Sprengwirkung aber dient das Kochen der Verkleiſterung der Stärke-
körner, die erſt diesen Prozeß durchmachen müſſen, um weiterhin durch
die Verdauungssäfte in den löslichen Traubenzucker verwandelt zu werden.

Um die Vorbereitung der Verkleiſterung der Stärke handelt es ſich
auch bei den Prozessen, denen wir die Hauptträger der Stärke unterziehen,
um Jie verdaulich zu machen. Beim Kochen der Schleimſuppen und Breie
aus den verschiedenen Getreidemehlen, beim Backen von Brot und Kuchen
und all den anderen Verwendungsarten iſt das Ziel, die Stärke aufzu-





„Ich glaub’, mer machen besser an Umweg . . .“

D a s Bu ch für Alle 19

schließen. Die in fünfzehn Minuten auf Gas ,ſchnell gekochte“ Hafer-
grütze iſt keine „gare“ Speiſe. Jürgen] en weiſt in seinem Kochlehrbuch
auf die Bedeutung des Einweichens der ſtärkehaltigen Nahrungsmittel
hin. Er verlangt dazu die völlige Durchnetung mit kaltem Waſſer erſtens
für eine Stunde Dauer bei allen Mehlarten, Grießmehlen und Flocken,
zweitens für drei Stunden bei Weizen-, Gerſte- und Hafergrieß, drittens
für ſechs Stundenbei feineren Grütenundviertens für zwölf Stunden bei
groben Grützen, ganzen Körnern und Graupen von Hafer, Gerſte, ganzem
Reis, und läßt erst die ſo vorbereiteten Stärketräger in lebhaft kochende
Flüssigkeit unter gründlichem Umrühren eingießen und weiterkochen. Die
mikroskopiſche Unterſuchung so zubereiteter ſtärkehaltiger Nahrungsmittel
erweist deren vollkommene Erſchließzung; ohne dieſe kommen die gebotenen
Nährwerte nicht zur vollen Ausnützung, wie die Proben von Verdauungs-
reſten deutlich erweiſen.* [

* Aus: Gesunde Küche. Ein Lehrbuch richtiger Ernährung und Speiſen-
bereitung von Prof. Dr. Heinrich Kraft und Frau Helene Kraft. Verlag
der Union Deutſche Verlagsgeſsellſchaft, Stuttgart.

Kann der Menſch geradeaus gehen?

VonDr. Franz Bayer

MI allzu leicht wird man geneigt ſein, dieſe Frage mit einem kräftigen
„Ja" zu beantworten. Denn es iſt gar nicht einzuſehen, warum der
Menſch nicht imſtande sein ſollte, geradeaus zu gehen, ſteuert man doch
im Leben so oft geradenwegs auf irgendein Ziel zu. Und doch iſt die Ant-
wort falſch, denn die Frage, ob der Menſch geradeaus gehen könne, läßt
sſich tatſächlich nicht ohne weiteres bejahen. Sie bedarf einer ſehr weit-
gehenden Einſchränkung. Wer jemals in Venedig geweſen iſt, der wird
dort vielleicht Gelegenheit gehabt haben, einen Verſuch zu beobachten,
der ſeit Jahrhunderten von Einheimiſchen, mit Vorliebe von Schulkindern,
Gymnqsiaſten, Studenten, dann aber auch von Erwachſenen und von
Fremden durchgeführt wird. Man verbindet irgend jemand auf dem









Nach einem Gemälde von Wilhelm Gräbhein
 
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