Heft 2
führen, das ſich bald auf einige wenige Tümpel beschränkt, die oft ebenso
weit voneinanderliegen wie die Wasserſtellen der Wüſten und nicht weniger
ſchwierig zu findenſind als diese. Denn während die Waſſerſtellen der Wüſte
imgroßenund ganzen nurdurch gelegentliche Karawanen und die natürliche
Verdunſtung eine langſame Verminderung erfahren, können die des Buſches
und der Steppe oft in wenigen Tagen, ja von heute auf morgen verſchwun-
den sein, wenn es einem besonders ſtarken Wildrudel gefallen hat, hier
seinen Früh- oder Abendtrunk einzunehmen, oder wenn es, durch gute
Mung verlockt, ſich gar tagelang in der Nachbarschaft aufhält.
Wer einmal durch einen solchen Zufall in Bedrängnis gekommen iſt,
trägt Vorsorge, ſtets durch Mitführung von kleinen, ein bis zwei Tage aus-
reichenden Wassermengen auf eine derartige Möglichkeit gerüſtet zu Jein.
Sie tritt zum Beispiel in den Rieſenſteppen des Somalilandes öfter ein,
als man glauben ſollte. Oft genug bin ich mit meiner Karawane, wenn
nicht nur die erſte, ſondern auch die zweite und dritte „ſichere" Waſserſtelle
verſchwunden war, trotz aller Voraussicht doch vom Durſt gepeinigt endlich
am rettenden Naß angelangt. Einmal aber, an einer Stelle, wo ſogar
die eingeborenen Landeskinder es nicht für möglich hielten, ſtanden mehr
als dreihundert Menschen in Gefahr, zu verſchmachten. Nur durch einen
Zufall, der von einem Wunder nicht weit entfernt war, entrannen ſchließ-
lich doch alle dem Tod durch Verdurſten.
Im Jahre 1913 hatte ich den Auftrag, für das Gouvernement von
Deuischoſtafrika die Möglichkeit einer Bahn vom Viktoriasee zum Kili-
mandjaro, insbeſondere das Gebiet der zwiſchen See und Berg liegenden
Serengetiſteppe an der engliſchen Grenze des Schutzgebietes zu erkunden,
deren Inneres damals so gut wie gar nicht bekannt war. Wohl waren Rei-
ſende ſchon verschiedentlich in dieses ungeheure, mehr als fünfzigtauſend
Quadratkilometer bedeckende Steppenland, das zu den reichſten Wild-
Vor dem Wirtshaus: Blick ins ferne Gelände
Da s G u ch für Alle 35
paradiesen der Erde gehört, einen oder zwei Tagemärſche weit vom Rande
aus eingedrungen, aber das eigentliche Innere kannte kein Menſch, außer
vielleicht den schweifenden Wanderobojägern, die als oſtafrikaniſche Ver-
treter der nomadischen Buſchleute dieſes Grasmeer bewohnen, ſcheu und
flüchtig wie das Wild, dem Jie folgen.
Eine Durchquerung des Herzens der Steppe waralſo, was die Möglichkeit
der Wasserversorgung anbelangt, eine Fahrt ins Ungewisse. Wohl ließ der
märchenhafte Wildreichtum der Serengeti vermuten, daß irgendwo im
Innern große Waſsſerſtellen vorhanden ſein mußten. Aber die Aussicht, dieſe
Stellen im Grasmeer zu finden, war ungefähr gleich Null und konnte als
besonderer Glücksfall bei der Vorbereitung der Expedition nicht in An-
rechnung gebracht werden.
Da meine Reise auf den Höhepunkt der Trockenzeit fiel, viele Wochen
nach dem Ende der letten Regen, mußte ich troß des großen dadurch er-
forderlich werdenden Trägerapparates mit einer Durststrecke von wenigstens
zehn Tagen rechnen. Obwohl ich die zweihundert Wasserträger eigentlich
erſt vom Steppenrande ab brauchte, mußte ich ſie doch, da das Umland der
Serengeti diese Menge Träger auf keinen Fall liefern konnte, ſchon von
Muansa am Viktoriasee mitnehmen, ſehr zur Freude der regulären Träger,
die von dieser einstweiligen Hilfsmannſchaft mit Begeiſterung Gebrauch
machten, die geduldigen Hilfstruppen ausgiebig beluden, so daß Jich für ſie
sſelbſt der Marsch bis zur Steppe zu einem wahren Genuß geſtaltete. Denn
vegetabiliſche Verpflegung hatten wir reichlich mit, und Jleiſch, „Nyama",
den Traum aller Schwarzen, lieferte täglich die Büchſe. Das von uns
durchzogene Mealagetital wimmelt von Hochwild aller Art, und wenn
man nur das Tier vor dem Verenden rituell geſchächtet hatte, war es
meinen schwarzen Helden gleichgültig, ob sie Fleiſch vom Büffel, Gnu,
Zebra oder einer großen Antilope nach oberflächlichem Röſten versſpeiſten.
Nach einem Gemälde von Hermann Gradl
führen, das ſich bald auf einige wenige Tümpel beschränkt, die oft ebenso
weit voneinanderliegen wie die Wasserſtellen der Wüſten und nicht weniger
ſchwierig zu findenſind als diese. Denn während die Waſſerſtellen der Wüſte
imgroßenund ganzen nurdurch gelegentliche Karawanen und die natürliche
Verdunſtung eine langſame Verminderung erfahren, können die des Buſches
und der Steppe oft in wenigen Tagen, ja von heute auf morgen verſchwun-
den sein, wenn es einem besonders ſtarken Wildrudel gefallen hat, hier
seinen Früh- oder Abendtrunk einzunehmen, oder wenn es, durch gute
Mung verlockt, ſich gar tagelang in der Nachbarschaft aufhält.
Wer einmal durch einen solchen Zufall in Bedrängnis gekommen iſt,
trägt Vorsorge, ſtets durch Mitführung von kleinen, ein bis zwei Tage aus-
reichenden Wassermengen auf eine derartige Möglichkeit gerüſtet zu Jein.
Sie tritt zum Beispiel in den Rieſenſteppen des Somalilandes öfter ein,
als man glauben ſollte. Oft genug bin ich mit meiner Karawane, wenn
nicht nur die erſte, ſondern auch die zweite und dritte „ſichere" Waſserſtelle
verſchwunden war, trotz aller Voraussicht doch vom Durſt gepeinigt endlich
am rettenden Naß angelangt. Einmal aber, an einer Stelle, wo ſogar
die eingeborenen Landeskinder es nicht für möglich hielten, ſtanden mehr
als dreihundert Menschen in Gefahr, zu verſchmachten. Nur durch einen
Zufall, der von einem Wunder nicht weit entfernt war, entrannen ſchließ-
lich doch alle dem Tod durch Verdurſten.
Im Jahre 1913 hatte ich den Auftrag, für das Gouvernement von
Deuischoſtafrika die Möglichkeit einer Bahn vom Viktoriasee zum Kili-
mandjaro, insbeſondere das Gebiet der zwiſchen See und Berg liegenden
Serengetiſteppe an der engliſchen Grenze des Schutzgebietes zu erkunden,
deren Inneres damals so gut wie gar nicht bekannt war. Wohl waren Rei-
ſende ſchon verschiedentlich in dieses ungeheure, mehr als fünfzigtauſend
Quadratkilometer bedeckende Steppenland, das zu den reichſten Wild-
Vor dem Wirtshaus: Blick ins ferne Gelände
Da s G u ch für Alle 35
paradiesen der Erde gehört, einen oder zwei Tagemärſche weit vom Rande
aus eingedrungen, aber das eigentliche Innere kannte kein Menſch, außer
vielleicht den schweifenden Wanderobojägern, die als oſtafrikaniſche Ver-
treter der nomadischen Buſchleute dieſes Grasmeer bewohnen, ſcheu und
flüchtig wie das Wild, dem Jie folgen.
Eine Durchquerung des Herzens der Steppe waralſo, was die Möglichkeit
der Wasserversorgung anbelangt, eine Fahrt ins Ungewisse. Wohl ließ der
märchenhafte Wildreichtum der Serengeti vermuten, daß irgendwo im
Innern große Waſsſerſtellen vorhanden ſein mußten. Aber die Aussicht, dieſe
Stellen im Grasmeer zu finden, war ungefähr gleich Null und konnte als
besonderer Glücksfall bei der Vorbereitung der Expedition nicht in An-
rechnung gebracht werden.
Da meine Reise auf den Höhepunkt der Trockenzeit fiel, viele Wochen
nach dem Ende der letten Regen, mußte ich troß des großen dadurch er-
forderlich werdenden Trägerapparates mit einer Durststrecke von wenigstens
zehn Tagen rechnen. Obwohl ich die zweihundert Wasserträger eigentlich
erſt vom Steppenrande ab brauchte, mußte ich ſie doch, da das Umland der
Serengeti diese Menge Träger auf keinen Fall liefern konnte, ſchon von
Muansa am Viktoriasee mitnehmen, ſehr zur Freude der regulären Träger,
die von dieser einstweiligen Hilfsmannſchaft mit Begeiſterung Gebrauch
machten, die geduldigen Hilfstruppen ausgiebig beluden, so daß Jich für ſie
sſelbſt der Marsch bis zur Steppe zu einem wahren Genuß geſtaltete. Denn
vegetabiliſche Verpflegung hatten wir reichlich mit, und Jleiſch, „Nyama",
den Traum aller Schwarzen, lieferte täglich die Büchſe. Das von uns
durchzogene Mealagetital wimmelt von Hochwild aller Art, und wenn
man nur das Tier vor dem Verenden rituell geſchächtet hatte, war es
meinen schwarzen Helden gleichgültig, ob sie Fleiſch vom Büffel, Gnu,
Zebra oder einer großen Antilope nach oberflächlichem Röſten versſpeiſten.
Nach einem Gemälde von Hermann Gradl