Heſt 2
würdigen und auffälligen Geſtalten mit den Angehörigen anderer Bünde
und Sekten verwechſelt. So nennt man ja meiſt auch indiſche Religiöse,
Gaukler und Zauberer fälſchlich in einem Atem; und ebenso verwedhſelt
man Fakire und Yogis miteinander. Als Fatire bezeichnet man ſtreng ge-
nommen nur mohammedaniſche Fanatiker, aber dieſe ſind mit den brahmi-
niſchen Hinduyogis durchaus nicht auf eine Stufe zu ſtellen.
Zahlreich ſind in Perſien die Derwiſche, die das Land als Bettler heim-
ſuchen; gleich den Zigeunern Europas halten Jie ſich nur ſelten irgendwo
längere Zeit auf. Die Derwiſche führen meiſtdas bequeme, verantwortungs-
loſe und arbeitſcheue Dasein von Bettlern. Auf alle Bequemlichkeiten der
Häuslichkeit, auf die Annehmlichkeiten eines geordneten Lebens und die
ſonſt von Menſchen so begehrten „Genüſſe der Welt“ verzichtend, nur den
allernötigſten Besiß häufig am nackten Leibe mit Jich ſchleppend, durch-
ſtreifen ſie zu allen Zeiten des Jahres weite, entlegene Gebiete. Ihre
allerdings meiſt karge tägliche Nahrung verdanken Jie der allgemeinen
Mildtätigkeit. Ein Almosengefäß, ein Wasserkrug sind meiſt ihre ganze Habe
Da s B uch für A lle 39
außer ein paar elenden Lappen zur notdürftigſten Bedeckung ihrer Blöße.
Was Boeck von indiſchen „Büßern“ sagt, gilt auch für die perſiſchen Brüder;
wenn er auch der Meinung iſt, daß viele dieser Sonderlinge auch aus
lauteren Beweggründen handeln, so behauptet er doch, daß oft genug
weniger ein tiefreligiöſer Entſagungs- und Selbſtbeherrſchungsdrang als
vielmehrderWunſsch nach einemarbeitsloſenund doch einträglichenLebenfür
verworrene Köpfe den Anlaß zu einem o abſonderlichen Dasein geben mag.
Zu alledem kommt noch, daß dieſe Faulenzer und Streuner in den Augen
der Masse vom Heiligenschein des Märtyrertums verklärt erſcheinen.
Was Sonnerat gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts über solche
Menſchen ſchrieb, gilt auch heute noch: „Das Volk sieht ſie als Heilige an
und dentt, daß sie alles von Gott erhalten, was sie verlangen. Da jeder-
mann ein herrliches Werk zu verrichten wähnt, wenn er diesen Leuten
Gutes tut, so läuft alles Volk herzu und bringt ihnen zu essen.“ Daßſſich die
abergläubiſche Masse vor diesen „Bezwingern des Götterwillens“ auch
fürchtet und geheimes Grauen vor ihnen fühlt, trägt nicht wenig dazu bei,
Radio in der Wiiſte
würdigen und auffälligen Geſtalten mit den Angehörigen anderer Bünde
und Sekten verwechſelt. So nennt man ja meiſt auch indiſche Religiöse,
Gaukler und Zauberer fälſchlich in einem Atem; und ebenso verwedhſelt
man Fakire und Yogis miteinander. Als Fatire bezeichnet man ſtreng ge-
nommen nur mohammedaniſche Fanatiker, aber dieſe ſind mit den brahmi-
niſchen Hinduyogis durchaus nicht auf eine Stufe zu ſtellen.
Zahlreich ſind in Perſien die Derwiſche, die das Land als Bettler heim-
ſuchen; gleich den Zigeunern Europas halten Jie ſich nur ſelten irgendwo
längere Zeit auf. Die Derwiſche führen meiſtdas bequeme, verantwortungs-
loſe und arbeitſcheue Dasein von Bettlern. Auf alle Bequemlichkeiten der
Häuslichkeit, auf die Annehmlichkeiten eines geordneten Lebens und die
ſonſt von Menſchen so begehrten „Genüſſe der Welt“ verzichtend, nur den
allernötigſten Besiß häufig am nackten Leibe mit Jich ſchleppend, durch-
ſtreifen ſie zu allen Zeiten des Jahres weite, entlegene Gebiete. Ihre
allerdings meiſt karge tägliche Nahrung verdanken Jie der allgemeinen
Mildtätigkeit. Ein Almosengefäß, ein Wasserkrug sind meiſt ihre ganze Habe
Da s B uch für A lle 39
außer ein paar elenden Lappen zur notdürftigſten Bedeckung ihrer Blöße.
Was Boeck von indiſchen „Büßern“ sagt, gilt auch für die perſiſchen Brüder;
wenn er auch der Meinung iſt, daß viele dieser Sonderlinge auch aus
lauteren Beweggründen handeln, so behauptet er doch, daß oft genug
weniger ein tiefreligiöſer Entſagungs- und Selbſtbeherrſchungsdrang als
vielmehrderWunſsch nach einemarbeitsloſenund doch einträglichenLebenfür
verworrene Köpfe den Anlaß zu einem o abſonderlichen Dasein geben mag.
Zu alledem kommt noch, daß dieſe Faulenzer und Streuner in den Augen
der Masse vom Heiligenschein des Märtyrertums verklärt erſcheinen.
Was Sonnerat gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts über solche
Menſchen ſchrieb, gilt auch heute noch: „Das Volk sieht ſie als Heilige an
und dentt, daß sie alles von Gott erhalten, was sie verlangen. Da jeder-
mann ein herrliches Werk zu verrichten wähnt, wenn er diesen Leuten
Gutes tut, so läuft alles Volk herzu und bringt ihnen zu essen.“ Daßſſich die
abergläubiſche Masse vor diesen „Bezwingern des Götterwillens“ auch
fürchtet und geheimes Grauen vor ihnen fühlt, trägt nicht wenig dazu bei,
Radio in der Wiiſte