Heft z
Da s Buch für Alle 67
Geheimnisvolle Schriften / Bon Ing. Nelken (Charlottenburg)
er Menschen Geiſt iſt erfinderiſch, ganz besonders aber dann, wenn es
ſich um die Ausführung geheimnisvoller oder verbrecheriſcher Taten
handelt, wenn es gilt, andere zu täuſchen. Geradezu ſtaunenswert sind die
techniſchen Leiſtungen der Strafgefangenen, die es verſtehen, mit den ein-
fachſten Mitteln ſich Werkzeuge zur Flucht, wie Leitern, Nach=ſchlüssel,
Sägen und dergleichen herzuſtellen, oder ſich aus Brot die kompliziertesten
Gegenſtände zu kneten; Jie richten ihr Hauptaugenmerk natürlich darauf,
untereinander, lieber aber noch mit der Außenwelt in Verbindung zu
treten. Neben den Klopf- und sFonſtigen Verständigungszeichen ſpielt bei
ihnen die Geheimſchrift eine große Rolle. Aber nicht nur die Gefangenen,
ſondern auch die in Freiheit befindlichen lichtſcheuen Gesellen bedienen
ſich zu gewissen wichtigen Mitteilungen vielfach einer Geheimſchrift,
wie man eine ſolche bei den Landſtreichern, Bettlern, Klingelfahrern und
Zigeunern vielfach bereits kennt.
Die Phantqsie der Jugendlichen, die von jeher an allem Geheimnis-
vollen eine große Freude hatte, hat ſich ebenfalls der Geheimſchrift be-
mächtigt, und auf dieſe Weiſe ſind die verſchiedenſten ſicht- und unsichtbaren
Schriften entſtanden, die von dem Uneingeweihten vorerſt nicht erkannt
oder entziffert werden können.
Die ſichtbaren Geheimſchriften ſind entweder aus neuartigen Zeichen
zuſammengesetztt oder aber Fo gehalten, daß beſtimmte Worte oder Silben
eines ſcheinbar ganz harmloſen Schriftſtücks in ihrer neuen Zuſammen-
ſtellung einen neuen Sinn ergeben, der nur nach Kenntnis der betreffen-
den Vereinbarung gefunden werden kann. So kann zum Beiſpiel jedes
fünſte Wort oder das Anfangswort jeder neuen Zeile die geheimnisvolle
Mitteilung ergeben. Eine andere Art ſolcher Geheimſchriften besteht darin,
daß für gewiſſe Worte beſtimmte andere Worte gesetzt werden, so daſ; der
auflöſende Schlüssel erſt gesucht werden muß.
Die Methode, einem Sklaven eine wichtige Mitteilung auf die rasierte
Schädeldecke zu ſchreiben, dann zu warten bis ihm die Haare wieder ge-
wachſen ſind und ihn hierauf mit dieſer unsichtbaren Geheimpoſt an den
Empfänger der Nachricht zu ſchicken, wie dies im Altertum vorgekommen
iſt, wird, wenn auch in abgeänderter Form, auch heute noch geübt und
beſonders im Kriege von Spionen angewandt. Unter dem Mitroſkop ge-
ſchriebene, mit bloßem Auge nicht lesbare Schriftſtücke werden unter Plom-
ben in hohlen Zähnen aufbewahrt, oder sonſtwie am Körper versteckt.
Überaus gefährlich ſind die Tricks, die mit echten Schriften vorgenommen
werden und diese in eine geheimnisvolle Fälſchung umwandeln. So kann
zum Beiſpiel durch Herausſchneiden einzelner Worte aus einem Brief und
ein verändertes Nebeneinandersetzen ein neuer Brief angefertigt werden,
der photographiert dieſe Fälſchung gar nicht erkennen läßt. (Siehe die
untenstehenden Abbildungen.)
Auf geheimnisvolle Weise wurden vor einigen Jahren in Holland
einige Amerikaner durch Abgabe ihrer Unterschrift betrogen. Ein Bilder-
händler verkaufte diesen Kunſtliebhabern wertvolle Gemälde, die gleich
bezahlt wurden und ließ ſich auf der Rückseite den Kauf durch Unterschrifts-
leiſtung beſtätigen. Als die Gemälde dann den Käufern zugestellt wurden,
mußten diese erkennen, daß ſie wertloſe Kopien erhalten hatten; indes
ihre eigene Unterschrift auf der Rücsseite der Gemälde ließ an diesem Kauf
nicht zweifeln. Ein findiger Kriminaliſt entdeckte aber, in welcher Weise
dieſe echten Unterſchriften auf die Kopie gekommen waren: der Bilder-
händler hatte das echte Gemälde über die wertloſe Kopie auf den Rahmen
geſpannt und so die Käufer veranlaßt, den Kauf auf der Rückseite der
Kopie zu beſtätigen. Als die Käufer sich entfernt hatten, wurde das Original-
gemälde ſorgfältig vom Rahmen heruntergenommen und die Kopie mit
der Unterſchrift dem betrogenen Käufer zugeschickt.
Unter alldiesen Tricks ſind die unſichtbaren Schriften mit den ſogenannten
ſhympathetiſchen Tinten verhältnismäßig die harmloseſten. Sie sind so
bekannt, daß ſie im Ernſtfalle kaum noch Verwendung finden und nur noch
als Spielereien zu betrachten sind. Hier gibt es nun die verschiedensten
Methoden, um ,geheimnisvoll“ zu erſcheinen. Verdünnte Kobaltchlorür-
löſung iſt, als Tinte verwendet, nicht zu ſehen. Wird die Schrift erhitzt,
dann erſcheinen die Schriftzüge blau, sie verſchwinden aber nach dem
Erkalten wieder. Selbſtverſtändlich darf bei allen diesen Tinten nur eine
völlig ungebrauchte Stahlfeder, besſſer aber noch eine Goldfeder Ver-
wendung finden. Enthält eine ſolche Löſung Nickelſalze, dann erscheint die
Schrift in grünlicher Farbe. Verwendet man leichte Löſungen von Blei-
oder Quecfſilberſalzen, ſo kann man ſie durch Schwefelwasserſtoff ſichtbar
machen, und zwar werden Jie dann braun oder ſchwarz erſcheinen.
Auch der Saft einer auseinandergesſchnittenen Zwiebel kann als Geheim-
tinte Verwendung finden. Erwärmt erſcheint dann die Schrift deutlich
lesbar. Bei dieser Gelegenheit sei darauf hingewiesen, daß die Mehrzahl
aller ſympathetiſchen Tinten in der Wärme ſichtbar wird. Es genügt, sie
über eine Flamme zu halten oder Jie heiß zu plätten.
Ungleich wichtiger iſt für den Kriminaliſten die Sichtbarmachung von
Schriften auf verbranntem Papier oder das Zuſammenſsetzen vernichteter
Schriftſtücke. In beiden Fällen ſpielt die Photographie eine wichtige Rolle.
Zum Photographieren beſchriebener, verkohlter Papiere eignen ſich nach
Angabe des Chefs der däniſchen Staatspolizei, Tage-Jensen, orthochro-
matiſche Platten, die man am besten auf Kontaktpapier kopiert. Der
bekannte Kriminaliſt Wulffen gibt folgende Methode an, um verkohlte
Schriften zu konservieren: Man legt das verkohlte Papier auf eine Wasser-
fläche oder auf ganz durchsichtiges Pauspapier und klebt es auf dieses
auf. Der Brief iſt dann auf beiden Seiten leicht lesbar und die Schriftzüge
laſſen ſich bei photographiſcher Vergrößerung gut erkennen. Zum Schluß
iſt noch zu erwähnen, daß die photographiſche Platte es auch ermöglicht,
Schrisſtzeichen wieder hervorzubringen, die wegradiert oder durch chemiſche
Reagenzien entfernt wurden.
So dreht ſich das Leben unaufhörlich im Kreise. Während die einen
darauf ſinnen, Neues zu ſchaffen und dieſe neuen Errungenschaften dazu
verwenden, um ihre Mitmenſchen zu ſchädigen und Jie zu hintergehen,
ſindet die Wiſſenſchaft immer wieder neue Wege, um solche mehr oder
minder genialen Geheimtricks aufzudecken, ſo daß auch das Rüſtzeug des
Kriminaliſten von Tag zu Tag verbeſſert und den Bedürfnissen angepaßt
wird. Und Jo wird auch auf dieſem Gebiet der Kampf zwiſchen Gut und
Böſe weitergehen, ſolange Menschen eben nur ſchwache Menſchen ſind.
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Cine Brieffälſchung mit Hilfe der Photographie. Links die zur Fälschung geeigneten Worte und Buchstaben, die aus dem Original her-
ausgeschnitten und zusammengesetzt wurden. Rechts die fertige Fälſchung, die auf photographiſchem Wege hergestellt wurde
Da s Buch für Alle 67
Geheimnisvolle Schriften / Bon Ing. Nelken (Charlottenburg)
er Menschen Geiſt iſt erfinderiſch, ganz besonders aber dann, wenn es
ſich um die Ausführung geheimnisvoller oder verbrecheriſcher Taten
handelt, wenn es gilt, andere zu täuſchen. Geradezu ſtaunenswert sind die
techniſchen Leiſtungen der Strafgefangenen, die es verſtehen, mit den ein-
fachſten Mitteln ſich Werkzeuge zur Flucht, wie Leitern, Nach=ſchlüssel,
Sägen und dergleichen herzuſtellen, oder ſich aus Brot die kompliziertesten
Gegenſtände zu kneten; Jie richten ihr Hauptaugenmerk natürlich darauf,
untereinander, lieber aber noch mit der Außenwelt in Verbindung zu
treten. Neben den Klopf- und sFonſtigen Verständigungszeichen ſpielt bei
ihnen die Geheimſchrift eine große Rolle. Aber nicht nur die Gefangenen,
ſondern auch die in Freiheit befindlichen lichtſcheuen Gesellen bedienen
ſich zu gewissen wichtigen Mitteilungen vielfach einer Geheimſchrift,
wie man eine ſolche bei den Landſtreichern, Bettlern, Klingelfahrern und
Zigeunern vielfach bereits kennt.
Die Phantqsie der Jugendlichen, die von jeher an allem Geheimnis-
vollen eine große Freude hatte, hat ſich ebenfalls der Geheimſchrift be-
mächtigt, und auf dieſe Weiſe ſind die verſchiedenſten ſicht- und unsichtbaren
Schriften entſtanden, die von dem Uneingeweihten vorerſt nicht erkannt
oder entziffert werden können.
Die ſichtbaren Geheimſchriften ſind entweder aus neuartigen Zeichen
zuſammengesetztt oder aber Fo gehalten, daß beſtimmte Worte oder Silben
eines ſcheinbar ganz harmloſen Schriftſtücks in ihrer neuen Zuſammen-
ſtellung einen neuen Sinn ergeben, der nur nach Kenntnis der betreffen-
den Vereinbarung gefunden werden kann. So kann zum Beiſpiel jedes
fünſte Wort oder das Anfangswort jeder neuen Zeile die geheimnisvolle
Mitteilung ergeben. Eine andere Art ſolcher Geheimſchriften besteht darin,
daß für gewiſſe Worte beſtimmte andere Worte gesetzt werden, so daſ; der
auflöſende Schlüssel erſt gesucht werden muß.
Die Methode, einem Sklaven eine wichtige Mitteilung auf die rasierte
Schädeldecke zu ſchreiben, dann zu warten bis ihm die Haare wieder ge-
wachſen ſind und ihn hierauf mit dieſer unsichtbaren Geheimpoſt an den
Empfänger der Nachricht zu ſchicken, wie dies im Altertum vorgekommen
iſt, wird, wenn auch in abgeänderter Form, auch heute noch geübt und
beſonders im Kriege von Spionen angewandt. Unter dem Mitroſkop ge-
ſchriebene, mit bloßem Auge nicht lesbare Schriftſtücke werden unter Plom-
ben in hohlen Zähnen aufbewahrt, oder sonſtwie am Körper versteckt.
Überaus gefährlich ſind die Tricks, die mit echten Schriften vorgenommen
werden und diese in eine geheimnisvolle Fälſchung umwandeln. So kann
zum Beiſpiel durch Herausſchneiden einzelner Worte aus einem Brief und
ein verändertes Nebeneinandersetzen ein neuer Brief angefertigt werden,
der photographiert dieſe Fälſchung gar nicht erkennen läßt. (Siehe die
untenstehenden Abbildungen.)
Auf geheimnisvolle Weise wurden vor einigen Jahren in Holland
einige Amerikaner durch Abgabe ihrer Unterschrift betrogen. Ein Bilder-
händler verkaufte diesen Kunſtliebhabern wertvolle Gemälde, die gleich
bezahlt wurden und ließ ſich auf der Rückseite den Kauf durch Unterschrifts-
leiſtung beſtätigen. Als die Gemälde dann den Käufern zugestellt wurden,
mußten diese erkennen, daß ſie wertloſe Kopien erhalten hatten; indes
ihre eigene Unterschrift auf der Rücsseite der Gemälde ließ an diesem Kauf
nicht zweifeln. Ein findiger Kriminaliſt entdeckte aber, in welcher Weise
dieſe echten Unterſchriften auf die Kopie gekommen waren: der Bilder-
händler hatte das echte Gemälde über die wertloſe Kopie auf den Rahmen
geſpannt und so die Käufer veranlaßt, den Kauf auf der Rückseite der
Kopie zu beſtätigen. Als die Käufer sich entfernt hatten, wurde das Original-
gemälde ſorgfältig vom Rahmen heruntergenommen und die Kopie mit
der Unterſchrift dem betrogenen Käufer zugeschickt.
Unter alldiesen Tricks ſind die unſichtbaren Schriften mit den ſogenannten
ſhympathetiſchen Tinten verhältnismäßig die harmloseſten. Sie sind so
bekannt, daß ſie im Ernſtfalle kaum noch Verwendung finden und nur noch
als Spielereien zu betrachten sind. Hier gibt es nun die verschiedensten
Methoden, um ,geheimnisvoll“ zu erſcheinen. Verdünnte Kobaltchlorür-
löſung iſt, als Tinte verwendet, nicht zu ſehen. Wird die Schrift erhitzt,
dann erſcheinen die Schriftzüge blau, sie verſchwinden aber nach dem
Erkalten wieder. Selbſtverſtändlich darf bei allen diesen Tinten nur eine
völlig ungebrauchte Stahlfeder, besſſer aber noch eine Goldfeder Ver-
wendung finden. Enthält eine ſolche Löſung Nickelſalze, dann erscheint die
Schrift in grünlicher Farbe. Verwendet man leichte Löſungen von Blei-
oder Quecfſilberſalzen, ſo kann man ſie durch Schwefelwasserſtoff ſichtbar
machen, und zwar werden Jie dann braun oder ſchwarz erſcheinen.
Auch der Saft einer auseinandergesſchnittenen Zwiebel kann als Geheim-
tinte Verwendung finden. Erwärmt erſcheint dann die Schrift deutlich
lesbar. Bei dieser Gelegenheit sei darauf hingewiesen, daß die Mehrzahl
aller ſympathetiſchen Tinten in der Wärme ſichtbar wird. Es genügt, sie
über eine Flamme zu halten oder Jie heiß zu plätten.
Ungleich wichtiger iſt für den Kriminaliſten die Sichtbarmachung von
Schriften auf verbranntem Papier oder das Zuſammenſsetzen vernichteter
Schriftſtücke. In beiden Fällen ſpielt die Photographie eine wichtige Rolle.
Zum Photographieren beſchriebener, verkohlter Papiere eignen ſich nach
Angabe des Chefs der däniſchen Staatspolizei, Tage-Jensen, orthochro-
matiſche Platten, die man am besten auf Kontaktpapier kopiert. Der
bekannte Kriminaliſt Wulffen gibt folgende Methode an, um verkohlte
Schriften zu konservieren: Man legt das verkohlte Papier auf eine Wasser-
fläche oder auf ganz durchsichtiges Pauspapier und klebt es auf dieses
auf. Der Brief iſt dann auf beiden Seiten leicht lesbar und die Schriftzüge
laſſen ſich bei photographiſcher Vergrößerung gut erkennen. Zum Schluß
iſt noch zu erwähnen, daß die photographiſche Platte es auch ermöglicht,
Schrisſtzeichen wieder hervorzubringen, die wegradiert oder durch chemiſche
Reagenzien entfernt wurden.
So dreht ſich das Leben unaufhörlich im Kreise. Während die einen
darauf ſinnen, Neues zu ſchaffen und dieſe neuen Errungenschaften dazu
verwenden, um ihre Mitmenſchen zu ſchädigen und Jie zu hintergehen,
ſindet die Wiſſenſchaft immer wieder neue Wege, um solche mehr oder
minder genialen Geheimtricks aufzudecken, ſo daß auch das Rüſtzeug des
Kriminaliſten von Tag zu Tag verbeſſert und den Bedürfnissen angepaßt
wird. Und Jo wird auch auf dieſem Gebiet der Kampf zwiſchen Gut und
Böſe weitergehen, ſolange Menschen eben nur ſchwache Menſchen ſind.
Z
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fr : r ft t
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FC. Ä Gu. za s é..1 EES -- ') C;
M |
E L 2)
Cine Brieffälſchung mit Hilfe der Photographie. Links die zur Fälschung geeigneten Worte und Buchstaben, die aus dem Original her-
ausgeschnitten und zusammengesetzt wurden. Rechts die fertige Fälſchung, die auf photographiſchem Wege hergestellt wurde