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Da ß B u ch fü r Alle . . 2- ?
Stùürmiſcher Tag. Ein Stimmungsbild aus dem Dachauer Moos
die Idee gekommen, daß wir, um jede Gefahr zu beseitigen, auch
den Kamin umbauen müssen, durch den möglicherweise Licht, wenn
auch ganz gebrochenes Licht, ins Laboratorium dringen könnte.
Ich habe zuerſt daran gedacht, ihn einfach zuzumauern, aber das
geht nicht, es iſt ein Lüftungskamin, den wir dringend brauchen,
denn manchmal riecht es bei uns wie in Satans Reich. Wenn es
Sie intereſſsiert, Oſterdag, ſo gehen wir einmal hinunter.“
Und sie stiegen alle hinab, auch Genia ſchloß sich an. Palm
öſsfnete ſelbſt mit dem Schlüssel.
„Ich bin jetzt ſehr peinlich,“ sagte er, „ich möchte niemand gern
hier hineinlaſsen, ohne daß ich dabei bin. Auch Lerche habe ich
dahin inſtruiert. Ohnedies wird ja bald die Zeit kommen, wo
niemand mehr dieſe Tür öffnen darf. Dann wird ſie mit drei-
fachen Schlössern verriegelt. + Ja, ja, mein Lieber,“ wandte er ſich
an Oſterdag, „Sie ſtaunen, aberdieser Kellerhatseine Geheimnisse."
Er stand mit Norriſsen vor dem Kamin, und ſie beratſchlagten,
wie der Umbau am besten auszuführen wäre. Norrissen sagte:
„Ich habe einen Plan, laß; mich nur machen.“
„Und der wäre?"
Lächelnd erwiderte Norriſſen: „Nein, mit dem tue ich ebenso
heimlich wie du mit deinem Präparat.“ Y
Duntle Entwürfe
Norriſſen machte alsſo den Entwurf. Es dauerte vier Wochen,
bis er damit fertig war. Manchmal wurde Palm ein wenig unge-
duldig, und er klagte zu Genia, daß Norriſsen ihn gerade in
dieſem wichtigen Augenblik im Stiche laſſe. Aber er tat Nor-
riſſen diesmal unrecht. Denn die ganzen vier Wochen lang hatte
Norriſſen kaum einen anderen Gedanken im Kopfe als den, wie
man den wichtigen Kamin, von desſen glattem Junktionieren
alles abhing, auf die geiſtreichſte Weise errichten könne. Er wußte,
was auf dem Spiele stand, und wer ihn geſehen hätte, wie er
Nach einem Gemälde von Prof. Otto Strützel
oft bis in die ſpäte Nacht über Büchern, Berechnungen, Konſtruk-
tionsſtizzen ſaß, der hätte nicht ſagen können, daß er seine Arbeit
leichtfertig tue. Er ſah genau die Schwierigkeiten, und er nahm
immer neue Anläufe, um sie zu bezwingen.
War es Beſcheidenheit, daß er weder Palm noch Genia gegen-
über je ein Wort von den Schwierigkeiten ſagte? Er nahm lieber
das Odium der Nachlässigkeit und des geringen Interesses auf
ſich, als daß er ſich gerühmt hätte. Manchmal, wenn Tasja kam
und ihn mitten in der Arbeit fand, fragte ſie, was er da mache
und ob er plötzlich wieder umgesattelt habe und nun Architekt
werde. ~ Aber er gab ihr eine unwirſche Antwort und sagte, Jie
ſolle ihn jetzt nicht ſtören, er sei mitten in einer ſchwierigen Be-
rechnung, Jie solle lieber Tee machen. :
Sie ging ins Nebenzimmer, füllte den Teekessel und kam zurück.
Katzenhaft leiſe näherte Jie ſich von hinten seinem Stuhl. Plötzlich
fühlte er etwas Kaltes im Genick, und zornig fuhr er herum.
Da ſtand ie und lachte und hielt in der Hand die halbgeleerte
Morphiumſpritze und rief: „Keine Angst! Es iſt nur Wasser!“
Er ſchlug nach ihr, und Jie erſchrak so über den Zorn in seinen
Augen, daß sie die kleine Spritze fallen ließ. Klirrend zerbrach
das Glas.
Er war emporgesprungen.
„Tasja !Ü
„Dh, schade,“ sagte sie, „ein ſo liebes Andenken! Aber du
brauchſt ſie ja nicht mehr !“ ;
Sie sah, wie ſein Gesicht ganz blaß wurde, eilte auf ihn zu
und zog seinen Kopf an ihre Bruſt. „Du brauchſt sie ja nicht
iuiehr .....“
„Nein," sagte er und machte ſich aus ihrer Umarmung los, „ich
brauche Jie nicht mehr."
„Und es iſt ganz gut, daß sie aus der Welt geſchafst ist, ' fuhr
ſie fort, „ſo kann Jie niemals gegen dich zeugen.“