Heft 4
D a s B u ch f ür Alle. 8 3
daher rings um das Tier eine Poſtenkette, um ihm die Luſt am Ausbrechen
zu nehmen. Da es faſt Vollmond war, war die Nacht ſehr hell, und alles
ging gut. Als aber der Mond ſich ſenkte, ſo daß der Hof des Tierkamps im
tiefen Schatten lag, begann der Leopard Ausfälle gegen ſeine Wächter
zu machen, die mich veranlaßten, durch große Feuer die Sicherheitskette
zu verſtärken. Trotzdem kam er nach einiger Zeit wieder hervor, ſo daß
die Leute mich herbeiriefen. Als ich ankam, konnte ich von dem Tier nichts
entdecken und mußztte mich infolgedessen auf die Erde beugen, um beſsſer
unter die Käfige ſehen zu können. In diesem Augenblick ſprang mir der
Leopard über das Feuer hinweg mit einem gewaltigen Satz auf den Kopf,
der durch den Tropenhelm geſchützt war, die Hinterpranken ſetzte er auf
meinen Hüften auf. Mein Oberwärter faßte geiſtesgegenwärtig die Beſtie
am Schwanz und riſ; ſie herunter. Er erhielt einen Prankenhieb, daß er
ſich einige Meter weiter im Grase wiederfand, während der Leopard mit
einem Sat die zweieinhalb Meter hohe Mauer des Tierkamps überſprang
und in dem nahen Buſch verſchwand.
Junge Leoparden zählen zu den ſchönſten kleinen Raubtieren, ſie werden
sehr zahm. Sobald aber das Tier erwachsen iſt, muß man ſehr vorsichtig ſein.
Denn einmal bricht die Raubtiernatur auch bei dem zahmſten Leoparden
durch, und im Nu kann das größte Übel angerichtet ſein. Dieſe Unzuver-
läſſigkeit iſt der Hauptgrund, weswegen man ſo wenig Dresſurakte mit
Leoparden kennt. Man weiß bei diesem Tier nie genau, woran man eigent-
lich iſt, während der Löwe und ſelbſt der Tiger ein weſentlich offeneres
Wesen haben.
Zu den klügſten Raubtieren mit den beſten Charaktereigenſchaften, die
man mit denen eines Hundes vergleichen kann, zählt die gefleckte Hyäne,
deren ich viele Exemplare großgezogen und gezähmt habe, so daß ſie mir
treue Begleiter wurden. Freilich empfehlen Jie ſich weder durch Formen-
ſchönheit noch durch guten Geruch. Das einzig Bedenkliche an ihnen iſt
die jede Vorstellung überſteigende Kraft ihres Gebiſſes und eine gewiſſe
Nervosität. Schon wenn die Tiere halbwüchsig ſind, vermögen Jie einen
Beinknochen wie ein Streichholz zu knicken. Es iſt merkwürdig, daß von
diesen guten Eigenschaften der Hyäne bei der Raubtierdreſſur ſo wenig
Gebrauch gemacht worden iſt.
Die abstoßende Häßlichkeit und vor allem die Unersättlichkeit dieſes ge-
fräßigen Tieres mögen der Grund dafür ſein.
Arbeitsfrende und Häuslichkeit / Von Hedwig Lohß
m offenen Fenſter hinter den weißen Vorhängen, die der Morgen-
wind leiſe bewegt, blühen Geranien wie rote Feuerbälle. Auf dem
runden Tiſch liegt die luſtig bunte Decke, der braune Morgentrank dampft in
freundlichen Schalen, friſche, ſonnige Luft iſt im aufgeräumten Zimmer.
Und wenn auch die „Frühſtücksſtunde" des gehetzten Arbeitsmenſchen
der Jetztzeit zu Minuten zuſammengeſchmolzen iſt ~ im hellen Sonnen-
ſcheinlieber Häuslichkeit
breitet ſich über die we-
nigen Minuten ſo viele
warme Behaglichkeit,
daſz nicht nur dieser kur-
ze Auftakt, ſondern der
ganze lange Arbeitstag
davon durchflutet wird.
Kraft und Freudigkeit
entſtrömt dem ſJorglich
gepflegten Heim und
durchpullſt alle, die ei-
nes Segens teilhaftig
werden. In Kraft und
Freudigkeit nimnt der
Mann die Laſt seiner
Tagesarbeit auf ſich, in
Herz und Sinn noch
einen letzten Schimmer
ſeines durchſonnten Hei-
mes zur Arbeiiſtätte
bringend, geht die Frau
an ihre Pflichten, mögen
sie häuslicher Art ſein
oder mag auch iie be-
rufliche Arbeit erwar-
ten. Kraft und Lei-
ſtungsfähigkeit erwächſt
ihr ſo gut wie ihrem
Lebenskameraden aus
derfeſtgegründeten und
ſichern Ruhe einer har-
moniſchen Häuslichkeit.
% EZ
Ein anderes Bild:
Das einzige Fenſter
des engen Raumes geht
auf Hinterhäuſern und
Höfe. Kein freundlicher
Sonnenſtrahl findet den
Weg herein. Keine Blu-
me blüht und leuchtet.
Die fleckige Alltagsdecke
bedeckt den Tiſch, auf
dem noch allerhand Nö-
tiges und Unnötiges
vom Abend zuvor ſich
breitmacht. Im aller. Das Dämmersſtündchen
letten Augenblick, ehe den Hausherrn der Schlag der Wanduhr zur täg-
lichen Arbeit ſcheucht, wird der heißze Kaffee gebracht, hinuntergeschüttet ~
die Türe klatſcht zu, und seufzend wie der Mann macht ſich auch die Haus-
frau an die tägliche Arbeit. Die dumpfe Luft der ungepflegten Stube liegt
beklemmend auf ihr und begleitet ſie, den Mann und die davoneilenden
Schulkinder auf dem langen Weg durch die Arbeitſtunden des Tages, alle
Freudigkeit versſcheu-
chend, Kraft und Lei-
ſtungsfähigkeit am Bo-
den haltend.
* :
%
Eine Arbeitersiedlung.
Kleine, freundlicheHäu-
ſer in liebevoll gehegten
Gärten. Grünumwach-
ſene Lauben. Reifende
Früchte. Scharrende
Hühner. Kein prunken-
der Reichtum, aber Be-
haglichkeit und lachende
Freude an demeigenen
Stückchen Land, an dem
eigenen Dach übernall.
Es mag wohl solche men-
ſchenfreundliche Sied-
lung ſozialer Fürsorge
entſprungen sein
trotzdem: ein gut Stück
Huger Erwägung ſteckt
darin, der Erwägung,
daſz die Leiſtungsfähig-
keit der gut geölten Ma-
ſchine Mensch ſteigt. Aus
dem Heimatgefühl des
Arbeiters heraus, aus
ſeinem feſtgegründete-
ren, edler gewordenen
Familienleben, aus ſei-
nemeigenen Grundund
Boden wächſt ihm die
Kraft, die seine Lei-
ſtungsfähigkeit steigert
und dauernd auf der
Höhe hält.
Warum. ſich das Bild
der Siedlung hier da-
zwiſchendrängt? HZur
Entschuldigung, zur Ge-
wissensentlastung vieler
Frauen: es iſt nicht im-
mer ihre Schuld, wenn
die Häuslichkeit keine
Sonne, sondernnurtrü-
be, laſtende, drückende
Nach einem Gemälde von F. Albrechts
D a s B u ch f ür Alle. 8 3
daher rings um das Tier eine Poſtenkette, um ihm die Luſt am Ausbrechen
zu nehmen. Da es faſt Vollmond war, war die Nacht ſehr hell, und alles
ging gut. Als aber der Mond ſich ſenkte, ſo daß der Hof des Tierkamps im
tiefen Schatten lag, begann der Leopard Ausfälle gegen ſeine Wächter
zu machen, die mich veranlaßten, durch große Feuer die Sicherheitskette
zu verſtärken. Trotzdem kam er nach einiger Zeit wieder hervor, ſo daß
die Leute mich herbeiriefen. Als ich ankam, konnte ich von dem Tier nichts
entdecken und mußztte mich infolgedessen auf die Erde beugen, um beſsſer
unter die Käfige ſehen zu können. In diesem Augenblick ſprang mir der
Leopard über das Feuer hinweg mit einem gewaltigen Satz auf den Kopf,
der durch den Tropenhelm geſchützt war, die Hinterpranken ſetzte er auf
meinen Hüften auf. Mein Oberwärter faßte geiſtesgegenwärtig die Beſtie
am Schwanz und riſ; ſie herunter. Er erhielt einen Prankenhieb, daß er
ſich einige Meter weiter im Grase wiederfand, während der Leopard mit
einem Sat die zweieinhalb Meter hohe Mauer des Tierkamps überſprang
und in dem nahen Buſch verſchwand.
Junge Leoparden zählen zu den ſchönſten kleinen Raubtieren, ſie werden
sehr zahm. Sobald aber das Tier erwachsen iſt, muß man ſehr vorsichtig ſein.
Denn einmal bricht die Raubtiernatur auch bei dem zahmſten Leoparden
durch, und im Nu kann das größte Übel angerichtet ſein. Dieſe Unzuver-
läſſigkeit iſt der Hauptgrund, weswegen man ſo wenig Dresſurakte mit
Leoparden kennt. Man weiß bei diesem Tier nie genau, woran man eigent-
lich iſt, während der Löwe und ſelbſt der Tiger ein weſentlich offeneres
Wesen haben.
Zu den klügſten Raubtieren mit den beſten Charaktereigenſchaften, die
man mit denen eines Hundes vergleichen kann, zählt die gefleckte Hyäne,
deren ich viele Exemplare großgezogen und gezähmt habe, so daß ſie mir
treue Begleiter wurden. Freilich empfehlen Jie ſich weder durch Formen-
ſchönheit noch durch guten Geruch. Das einzig Bedenkliche an ihnen iſt
die jede Vorstellung überſteigende Kraft ihres Gebiſſes und eine gewiſſe
Nervosität. Schon wenn die Tiere halbwüchsig ſind, vermögen Jie einen
Beinknochen wie ein Streichholz zu knicken. Es iſt merkwürdig, daß von
diesen guten Eigenschaften der Hyäne bei der Raubtierdreſſur ſo wenig
Gebrauch gemacht worden iſt.
Die abstoßende Häßlichkeit und vor allem die Unersättlichkeit dieſes ge-
fräßigen Tieres mögen der Grund dafür ſein.
Arbeitsfrende und Häuslichkeit / Von Hedwig Lohß
m offenen Fenſter hinter den weißen Vorhängen, die der Morgen-
wind leiſe bewegt, blühen Geranien wie rote Feuerbälle. Auf dem
runden Tiſch liegt die luſtig bunte Decke, der braune Morgentrank dampft in
freundlichen Schalen, friſche, ſonnige Luft iſt im aufgeräumten Zimmer.
Und wenn auch die „Frühſtücksſtunde" des gehetzten Arbeitsmenſchen
der Jetztzeit zu Minuten zuſammengeſchmolzen iſt ~ im hellen Sonnen-
ſcheinlieber Häuslichkeit
breitet ſich über die we-
nigen Minuten ſo viele
warme Behaglichkeit,
daſz nicht nur dieser kur-
ze Auftakt, ſondern der
ganze lange Arbeitstag
davon durchflutet wird.
Kraft und Freudigkeit
entſtrömt dem ſJorglich
gepflegten Heim und
durchpullſt alle, die ei-
nes Segens teilhaftig
werden. In Kraft und
Freudigkeit nimnt der
Mann die Laſt seiner
Tagesarbeit auf ſich, in
Herz und Sinn noch
einen letzten Schimmer
ſeines durchſonnten Hei-
mes zur Arbeiiſtätte
bringend, geht die Frau
an ihre Pflichten, mögen
sie häuslicher Art ſein
oder mag auch iie be-
rufliche Arbeit erwar-
ten. Kraft und Lei-
ſtungsfähigkeit erwächſt
ihr ſo gut wie ihrem
Lebenskameraden aus
derfeſtgegründeten und
ſichern Ruhe einer har-
moniſchen Häuslichkeit.
% EZ
Ein anderes Bild:
Das einzige Fenſter
des engen Raumes geht
auf Hinterhäuſern und
Höfe. Kein freundlicher
Sonnenſtrahl findet den
Weg herein. Keine Blu-
me blüht und leuchtet.
Die fleckige Alltagsdecke
bedeckt den Tiſch, auf
dem noch allerhand Nö-
tiges und Unnötiges
vom Abend zuvor ſich
breitmacht. Im aller. Das Dämmersſtündchen
letten Augenblick, ehe den Hausherrn der Schlag der Wanduhr zur täg-
lichen Arbeit ſcheucht, wird der heißze Kaffee gebracht, hinuntergeschüttet ~
die Türe klatſcht zu, und seufzend wie der Mann macht ſich auch die Haus-
frau an die tägliche Arbeit. Die dumpfe Luft der ungepflegten Stube liegt
beklemmend auf ihr und begleitet ſie, den Mann und die davoneilenden
Schulkinder auf dem langen Weg durch die Arbeitſtunden des Tages, alle
Freudigkeit versſcheu-
chend, Kraft und Lei-
ſtungsfähigkeit am Bo-
den haltend.
* :
%
Eine Arbeitersiedlung.
Kleine, freundlicheHäu-
ſer in liebevoll gehegten
Gärten. Grünumwach-
ſene Lauben. Reifende
Früchte. Scharrende
Hühner. Kein prunken-
der Reichtum, aber Be-
haglichkeit und lachende
Freude an demeigenen
Stückchen Land, an dem
eigenen Dach übernall.
Es mag wohl solche men-
ſchenfreundliche Sied-
lung ſozialer Fürsorge
entſprungen sein
trotzdem: ein gut Stück
Huger Erwägung ſteckt
darin, der Erwägung,
daſz die Leiſtungsfähig-
keit der gut geölten Ma-
ſchine Mensch ſteigt. Aus
dem Heimatgefühl des
Arbeiters heraus, aus
ſeinem feſtgegründete-
ren, edler gewordenen
Familienleben, aus ſei-
nemeigenen Grundund
Boden wächſt ihm die
Kraft, die seine Lei-
ſtungsfähigkeit steigert
und dauernd auf der
Höhe hält.
Warum. ſich das Bild
der Siedlung hier da-
zwiſchendrängt? HZur
Entschuldigung, zur Ge-
wissensentlastung vieler
Frauen: es iſt nicht im-
mer ihre Schuld, wenn
die Häuslichkeit keine
Sonne, sondernnurtrü-
be, laſtende, drückende
Nach einem Gemälde von F. Albrechts