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Das BuchfürAlle

Heft 5 ;



Illustrierte Familienzeitſchrift_

1926



Genía / Der Roman einer Rache / Bon Hans von Hülſen

(Fortsetzung)

enia merkte nicht, daß Norriſsen hinter ihr ins Zimmer

kam und ihr einen Augenblick über die Schulter ſah. Es

war ein kleines, aber ſchwieriges Impromptu, das ſie
ſpielle + Norriſsen sah es auf dem Notenblatt. Er ging leiſe
zum Secſsel, ließ ſich nieder und entzündete eine Zigarre.

Von fern ſah er Genias weißen Nacken im halben Licht des
ſchattenhaften Raums. Sie beugte den Kopf über die Taſten, die
Linie ihres Rückens hatte etwas Demütiges und Hingegebenes.

„Zu allem ülbri-

„Mutter liebte dies Stück besonders ... mir iſt immer, als
wäre es eine kleine Feier für ſie, wenn ich es ſpiele. Dann wird
ſie mir wieder lebendig.“

Er wandte sich ab, er fühlte, daß ihm ein Schauer über den
Rücken rann.

„Aber nun wollen wir plaudern," sagte Genia und ſetzte Jich
auf das lederbezogene Sofa an der Wand. „Bitte, Leo, ſchalte die
Tiſchlampe ein und mach’ das Licht aus > es iſt gemütlicher so."

Er gehorchte und



gen liebe ich ſie auch
noch,“ dachte Norriſ-
ſen bei sich. „Wie
konnteich das manch-
mal vergeſſen? Es iſt
ja doch immerwieein
Unterton in mir ge-
wesen. Heutewsill ich
es ihr ſagen.“

Er lehnte Jich in
dem bequemen Pol-
ſterſeſſsel zurück und
ließ nachdentlich den
blauen Rauch von
seiner Zigarre vor
ſich in die Luft ſtei-
gen. Die Töne fielen
um ihn her wie ein
goldener Regen, der
ganze Raum ſchien
ihm erfüllt wie von
Sonnenſtaub, und er
dachte an alles das,
wasihnindenletzten
Wochen beschäftigt
hatte, in den vielen
Arbeitsstunden, die
er über einen Zeich-
nungen und Berech-
nungen verbracht. ~
„Es muß nichtein,"
dachte erleidenſchaft-
lich, „es. gibt noch
einen anderen Weg
.:: ich will ihn ge-
hen! Heute !"

DieMuſsſikbrach ab.

„Das iſt hübſch,
nicht wahr," hörte er
Genias dunkle Stim-
mesierief ihn wie
eine Glocke. Er fuhr
aus ſeinen Gedanken
auf und war bei ihr.

„Schön, schön ge-
ſpielt, Genia, (1 sagte G >
er, ſichzuihrneigend. ,,Früh übt ſich .. .
5. 1926



rückte dann seinen
Sessel in die Nähe
Genias.

„Ich sehe,“ ſagte
er, „dein Vater hat
eine Einladung nach
Gießenbekommen?“"

„Ja, zu Anfang
Juni. Aber er weiß
noch nicht, ob er
fährt. Er fühlt ich
nicht besonders wohl
augenblicklich."

„Anfang Juni ...
Das iſt gerade die
Zeit, in der wir not-
gedrungen Ferien
machen müssen.“

„Warum?“

„Weil dann unser
Homunkulus zwölf
Tage ganz ruhig in
seiner Retorte sitzen
muß.“

„Gut, deſtoleichter
könnte Papa reisen.
Ich würde ihm die
Abwechsſlunggönnen.
Aber er hat wenig
Unternehmungsgeiſt
für ſolche äußeren
Dinge.“

„Kongresse ind
immer anstrengend,"
sſagte Norrissen. „Ich
weiß nicht, ob ich
ihm raten Joll, hin-
zufahren."

Wieder fühlte Jie
dies Zögerninseiner
Stimme. Sieah ihn
mit ihren fragenden
Augen an.

„Was haſt du heu-
K le? fragte ſie. „Ich
B E ; Q iltle ttktälhiraert
Nach einem Gemälde von E. Loupot etwas bedrückt.“






 
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