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Die Dorfpolitiker
wegen. Ich würde Jie nie verlaſſen. ~ Und dich auch nicht,"
fügte ſie hinzu. „Ich weiß ſehr gut, wo mein Plat ist."

„Wenn du ihn liebſt, Genia, so iſt dein Platz bei ihm.“

Aber Jie ſchüttelte den Kopf.

„Später vielleicht," sagte sie, und sie fügte hinzu: „Wir kön-
nen warten.“

Er las in ihren Augen die Bitte, dies Thema zu verlassen, und
ſo begann er, ihr den Reiseplan zu entwickeln, den er eben,
drunten in der Halle, mit Norriſsen besprochen hatte.

gtgleits h ſchloß er. „Ein paar Tage Bergluft werden
auch dir gut tun.

„Wie gerne, Väterchen,“ erwiderte Genia, „wie gerne reiste
ich mit dir! Aber du weißt, daß es nicht geht. Wenigstens einen
Grund weißt du. Tante Tatjanas Zuſtand ist nicht ſo, daß ich oie
allein laſſen könnte. Gerade jetzt braucht ſie mich mehr als je.“

Palm nickte. „Und du hast noch einen anderen Grund?" fragte er.

„Der andere Grund heißt Norrissen, “ gab sie ruhig zurück. „Er
hal dir wohl kaum gesagt, was neulich zwiſchen uns besprochen
worden iſt. Nur das Verhältnis, in dem er zu dir steht, verhindert,
daß er jetzt ganz wegbleibt. Aber ich kann unmöglich mit ihm
reiſen. D Reiſt allein,“ schloß sie, „und wenn es Tante einmal
beſſer gehen sollte, dann wollen wir beide uns aufmachen.“

Palm ſchüttelte den Kopf. „Davon hat er mir nichts gesagt.“

„Es war auch nicht nötig. Meine Antwort überhob ihn jeder
Frage, die er an dich hätte richten können.“

„Wunderlicher Mensch!“ sagte Palm. „Ich hatte gerade in den

6. 1926

Bavarig-Verlag Munchen







runer



Nach einer Radierung von Erich

letzten Monaten den Eindruck, als sei er nach anderer Seite hin
intereſſiert. Nun, begrabt dieſe Unterredung. Es wäre hart für
mich, wenn ich ihn verlöre."

Er stand auf und ging, und Genia wandte ſich wieder ihrem
Briefe zuuu – –~ ~

Am Morgen des neunundzwanzigsten Mai reiſten Palm und
Norriſſen nach Frankfurt ab. Es war besprochen worden, daß Jie
ein paar Tage in Homburg vor der Höhe verweilen und am Abend
des erſten Juni von dort nach Gießen fahren würden. Genia be-
gleitete ihren Vater zur Bahn.

„Genia,“ sagte Palm, ,ſchärfe dem alten Lerche in meinem
Auftrage noch einmal ein, daß er wie ein Zerberus über den
Eingang zum Laboratorium wacht. Es hängt alles davon ab. Ich
habe meine ganzen Papiere, alle Notizen und Berechnungen in
meinem Schreibtiſch verſchloſſen, die Sorge dafür vertraue ich
dir an. Du weißt, sie ſind das Wichtigste, was ich besitze. Bei
irgendwelcher Gefahr mußt du zuerst an ſie denken.“

„Gefahr, Väterchen?“ warf Genia lachend hin.

„Nun ja,“ sagte Palm, aus dem Wagenfenſter geneigt, „es
könnte doch beiſpielsweise der Blitz einschlagen. Wir haben so viele
Gewitter gehabt in den letzten Tagen, und das Haus liegt führt

Im Hintergrund des Abteils stand Norrissen. Genia ſah ihm
ins Gesicht, ſie fühlte, daß er nervös ihren Blick vermied.

„Ich werde mich auch in einen Zerberus verwandeln,“ sagte sie

und Hude uren Vater noch die Hand, da der Zug sich in Be-
wegung setzte.
 
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