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ſäx Alle Heſt 6



bete regelmäßig und mit großer In-
brunſt. In den Höfen zwiſchen den hohen
Gebäuden rauſchen Zierbrunnen und
plätſchern kühle Wasserbecken. Palmen
ſpenden Schatten, und Granat-und Apri-
koſenbäume erfreuen das Auge durch far-
bige Blüten und leuchtende Früchte. In
den gewölbten Säulengängen des Unter-
ſtockes verdämmern bläuliche Schatten,
während die Kopftücher der ſchönen Mäd-
chen, die inmitten des Hofes weiße Tau-
ben füttern, in der Sonne glänzen. Das
ſchönſte Bauwerk aber iſt die Große Mo-
schee der Omaijaden. Nächſt den hei-
ligen Stätten von Mekka und Medina
und der Felſenmoſchee in Jeruſalem zählt
dieser Bau zu den höchſten Heiligtümern
des Iſlams. Und quer durch die Stadt
führt noch heut die ſchon in der Apoſtel-
geſchichte genannte „Gerade Straße“, die
belebteſte Verkehrsader, durch die ſeit
Jahrtauſenden das Leben in wechselvol-
len Bildern und Miſchungen von Rassen
und Religionen dahinsſtrömt. So ſchön
die echt orientaliſchen Teile und so vor-
nehm die großſtädtiſchen Bezirke ſind, den
ſtärkſten Eindruck von Damaskus hat man
doch, wenn man es in ſeiner Geſamtheit
aus einiger Entfernung überſchaut. Über
das Gewirr der Häuser mit den in greller
Sonne weithin leuchtenden Wänden und
den flachen Dächern erheben Jich zahllose
Kuppeln, schlanke Minarette und über
alles hinausragend das Schiff der Großen
Moſchee. Fruchtbare Gärten und Wieſen







Straße im alten Damaskus

m mit hohen Baumgruppen umſchließgen
die lichtüberflutete Stadt wie Goldfas-
sung einen koſtbaren Edelſtein. Von dem
saftigen Grün der näheren Umgebung
heben Jich eigenartig die gelbbraunen bis
rötlichen Tönungen der bis an den Ho-
rizont und in unsichtbare Fernen ſich
erstreckenden Steppe und der endloſen
Wüſte. In der Ferne recken Jich die Gipfel
des Libanons und des ſchneebedeckten
Hermons ins lichte Blau des Himmels.
Die Pracht und Fülle des ſtromdurch-
rauſchten Eden überraſchen denEuropäer;
den Bewohner des sonnedurchglühten
Orients dünkt hier geradezu das Para-
dies zu sein, und er nennt deshalb Da-
_ maskus „die Paradiesſesduftende“. Die
„Perle des Orients“, das „Auge des
Ostens“ übt auch heute noch die ſtärkſte
Anziehung aus. Die Stätten der einſtigen
Eroberer der Weltmächte, Babylon und
Ninive, liegen in Staub gesunken da,
Baalbek und Palmyra künden nur noch
Ruinen, aber Damaskus überlebte alle,
und Damaskus hat noch eine Zukunft.
Niemand kann voraussagen, welche Ver-
änderungen der Selbständigkeitsdrang,
die Unabhängigkeitsbewegung der Druſen
und der Araber in Syrien, ja vielleicht der
gesamte mohammedaniſche Widerſtand
gegen die Ausbreitung der Macht chriſt-
licher Völker Westeuropas hervorrufen
werden; aber Damaskus bleibt ewig jung,
bleibt sicher das handelswichtige und dem
Handel notwendige „Auge des Oſtens".

R. Sennecke

Warum ſparen wir nicht wieder? / Von Hermine Maier-Heuſer

W? sparen? Es hat ja doch keinen Sinn!“ Bitter und ſchwer ringen
ſich diese Worte aus dem Mund der Alten. Leichtfertig und gedanken-
los gleiten ſie von roten, jungen Lippen. Für die Alten ſind der Sparzweck
und die Sparmöglichteiten in den meiſten Fällen entſchwunden. Als eine
erſchütternde Wirkung der vergangenen Jahre ſehen wir die Alten vor uns,
die Pfennig um Pfennig in frohen, empfänglichen Tagen der Jugend
beiseitelegten und Jich vieles verſagten um eines ruhigen Alters willen.
Still und würdevoll tragen dies die einen und greifen aufs neue mit
zitternden Händen zur Arbeit, verbiſſen und finſter beſchließen andere
ihren Lebensabend, und nur noch ſelten hört man vom Segen des Sparens
ſprechen. Und doch erlebte ich in dieſen Tagen ein Wunder. Vor meiner
Tür stand eine kleine Frau. Sie mochte ganz nahe an ſechzig ſein. Ihr
ſchwarzes Hütchen und ihr dunkles Kleid waren weder neu noch veraltet,
alles ſauber und unauffällig. Über dem Halskragen lag ein ſchmales weißes
Spitzchen, und vorn am Verschluß funtelte eine alte, ſtilreine Granat-

broſche. Dieſe Frau nun öffnete mit freundlichem Lächeln ein kleines Köffer-

chen und fragte: „Brauchen Sie Küchengewürze? Mustktatnüſsſe?“"

Nein, ich brauchte nichts, am Tage vorher hatte ich im Laden meinen
Bedarf mitgenommen, aber ich kaufte ihr doch einiges ab. Wieder das
gütige Lächeln und ein warmes „Ich danke Ihnen".

„Ja, verdienen Sie denn etwas?" fragte ich in dem inneren Drang, dieſer
tapferen Frau ein gutes Wort zu sagen. „Gewiß,“ entgegnete ſie, „ich
verdiene mein bescheidenes Eſſen und die Schuhe. Wohnen kann ich bei
Verwandten, und ich habe auch ſchon gute Tage gehabt, da blieb mir ein
Sparpfennig. Wissen Sie, ich hab’ wieder angefangen zu ſparen. Zwar
kommt für mich nicht mehr viel dabei heraus, aber es macht doch Spaß,
wenn man denten kann, vielleicht ſtirbſt du einmal ohne langes Kranken-
lager. Dann meinen Jie, es wäre rein gar nichts da, und ſchließzlich da
finden Jie doch noch etwas." Sie lachte wirklich vor Sparfreude.

Mir ward seltſam zumute. Ich fühlte: in dieſem Augenblick ſtand perſoni-
fiziert in dieſer kleinen Frau die Kraft vor mir, die unser Vaterland und
uns alle wieder in die Höhe bringen kann, wenn Jie in der Mehrzahl von
uns wirkt. Welche Predigt hatte mir dieſe Frau gehalten mit ihrer erneuten
Sparfreude ! Wir sind doch faſt alle geworden wie Lots Weib, wir ſehen
wie erstarrt rüctwärts nach dem, was wir verloren haben. Wollen wir nicht
vorwärts ſehen lernen? Wohl ſind die Mittel der meiſten ſo knapp, daß sie

nur ausreichen, das Leben zu friſten, aber ſchon der tröſtliche Gedankte,
daß wir nicht in der Inflation weiterleben und immer nur anschaffen,
weil sonſt alles Geld doch wertlos wird, sondern daß wir wieder langſam
und bedächtig kaufen und langſam und bedächtig ein paar Mark zur Seite
legen können für Tage der Krankheit oder des Alters, kann uns ein kleiner
Ansporn werden. Darum, weil ein hart geprüftes Geschlecht durch das
Unglück eines verlorenen Krieges um ſeine ſauer erworbenen Sparpfennige

kam, wollen wir doch nicht ein Volk werden, das ohne Not für immer

aus der Hand in den Mund lebt. Wollen wir nicht langſam und zäh die durch
Zeiten und Verhältnisse des Sparens entwöhnte Geſinnung unsrer Ju-
gend umzugeſtalten ſuchen? Das iſt ein großes und dankbares Feld, denn
Strumpfluxus, Schuhluxus und Kleiderluxus drängen ich ſelbſt in das englte
Stübchen ein. Wie ſchön kann die Jugend wirken im Liebreiz ihres eigenen
Wesens. Putzen kann man ſich noch im höchſten Alter, vorausgeſett, daß
man im Leben nicht gelernt hat, weiſe zu werden, aber was iſt das Heraus-
putzen im übertriebenen Sinn gegen den Vorzug, jung zu sein und ſchón
zu wirken im ſchlichten Zauber des natürlichen Reizes. Und welchen
Zauber kann ein Gesicht ausſtrahlen, aus dem Freude über gesegnete
Arbeit leuchtet! s

„Wozu h i Wozu?“ rufen meine jungen Freundinnen. „Ich trüge
nichts auf die Kasse, auch wenn ich könnte. So dumm wie die Mutter bin
ich nicht, die ſich in ihrer Jugend nichts gegönnt hat vor lauter Sparen.
Und Wäsche für später kaufe ich mir auch nicht, die wird altmodiſch. Über-
haupt, wenn ich heirate, hilft der Mann die Ausſteuer mit einkaufen.“

In all dieſen Reden liegt ein Korn Wahrheit, und troßdem muß unſere
Jugend anders denten lernen, ſonſt geht das Leben von der Hand in den
Mund weiter auch da, wo keine Not iſt. Unser Volk verflacht, und die Volks-
wirtschaft, die der kleinen Sparer nicht entraten kann, weit weniger als
vor dem Krieg, kommt nicht in die Höhe.

Wie kann nun die Sparfreude in unsere Jugend getragen werden? Nur
dadurch, daß wir alle, die wir einsichtig ſind, ein Vorbild werden. Laßt uns
ſparen ohne Geiz, ohne ärmlich oder ungeordnet herumzulaufen. Einmal
wird der gute Teil der Jugend, besonders der weiblichen Jugend, doch auf-
merken, wenn die ſtille Tapferkeit und der Sparſinn aus unseren Taten
und aus unseren Augen leuchten und aus unseren Erfolgen reden, ſo wie
er aus den Augen der tapferen Gewürzeverkäuferin zu mir geredet hat.
 
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