Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
. Wind das Boot nicht nur von der ge-

2 Da s Buch für Alle

Heft ?

Von der Baumwurzel zur ſhwimmenörn Insel

Von Dr. Albert Neuburger

inſt –~ lang, lang iſt's her + war für den Menſchen die Welt am

Gestade des Meeres zu Ende. Hier begann für ihn das Unfaßbare, das
Dämoniſche, das Jürchterliche. In seiner Bruſt aber ſchlummerten bereits
Eigenſchaften, die wir vielleicht am beſten als „Urinstinkte" bezeichnen
können: Neugierde, Wissensdurſt, Beobachtungsgabe und Wagemut. Wie
mochte es da draußen in dieſer Wasserwüſte aussehen, und gab es kein
Mittel, hierüber Näheres zu ergründen? Man beobachtete, daß Aste und
daß entwurzelte Baumſtämme auf den Wogen ſchwammen. Der Mann,
der es zum erſtenmal wagte, ſich auf einen solchen Stamm zu setzen, und
dem es gelang, ihm durch Bewegungen der Füße, der Hände oder eines
Stockes Richtung zu geben, muß mit Recht als Erfinder und Begründer
der Schiffahrt bezeichnet werden. Er hätte ein Denkmal verdient.

Auf dem Baumſtamm ſitzt es sich ſchlecht. Auch die Sicherheit läßt zu
wünſchen übrig. So erſtand der Gedanke, den Aufenthalt auf dieſem
ältesten aller jemals für das Wasser geſchaffenen Beförderungsmittel etwas
bequemer und Jicherer zu geſtalten. Man ſuchte zunächſt wohl nach hohlen
Stämmen. Später höhlte man mit Werkzeugen, die aus Feuerstein herge-
ſtellt waren, Stämme aus. Der Einbaum entſtand, ein Boot, das erſt
gegen Ende des vorigen Jahrhunderts aus Deutschland verſchwunden iſt
und das auf den Südſeeinseln sowie in anderen Erdteilen immer noch im
Gebrauch ſteht. Die letzten deutſchen Einbäume fuhren auf dem Chiemſee.

Noch aber gibt es auf manchen Seen Boote, die zwar nicht aus einem
einzigen Stamm hergestellt ſind, die aber immer noch die äußere Form
des Einbaums zeigen. Es rudert Jich ſchwer in ihnen. Sie kommen ſtändig
aus der Richtung. Nur ſchwierig läßt ſich damit Kurs halten, Jie haben die
Neigung, Jich um Jich ſelbſt zu drehen. Jede Strömung im Waſſer und auch
der Wind beeinfluſsſen ſie. Welcher Mut gehörte dazu, sich mit einem ſolchen
Boot auf das Meer zu wagen! Um wenigstens etwas mehr Herrschaft zu
gewinnen und um vor allem den Einfluß; der Wogen abzuhalten, erfand
man = gleichfalls noch in Urzeiten ~ den „Ausleger“, ein Gestell aus
Baumiäſten, das über die eine Seite, über das eine „Bord" des Bootes
hinausgelegt wurde. Auch dieſer Ausleger iſt bei zahlreichen Völkerschaften
niedriger Kulturſtufen noch im Gebrauch.

Nähe sei, Vögel fliegen. In der Richtung, wohin dieſe den Kurs nahmen,
vermutete man die Küſte.

Die kühnsten unter allen Seefahrern des Altertums waren die Nor-
mannen. Sie ersſchloſſen den Ozean der Schiffahrt. Schon lange vor
Kolumbus, in dem wir nur den Wiederentdecker erblicken dürfen, waren
sie in Amerika. Noch heute ſtoßen wir im Norden dieses Erdteils auf zahl-
reiche Spuren von ihnen. Man bedenke, was es heißt, in einem kleinen offe-
nen Boot mit primitiver Segeleinrichtung den Atlantiſchen Ozean zu durch-
queren! Mit solchen Booten drangen die unersſchrockenen Nordländer bis
zur Südſpitze Italiens vor und gründeten hier das Normannenreich. Wenn
nicht alles trügt, waren sie auch die Entdecker eines der wichtigsten Hilfs-
mittel zur Beherrſchung des Meeres, nämlich des Aufkreuzens gegen den
Wind. Das Schiff der am Mittelmeer wohnenden Völker mit ſeinem meiſt
dreieckigen Segel iſt in der Entwicklung ſtehen geblieben. Wir finden es
heute noch in alter Form. Aus dem Wikingerboot aber haben ſich die
Koggen der Hansa und die stolzen Handels- und RKriegſchiffe ſpäterer
Jahrhunderte entwickelt.

Im Jahre 1806 baute Fulton das erſte brauchbare Dampfſchiff, den
„Clermont“. Damit setzte eine neue Entwicklung der Beziehungen des
Menschen zum Meere ein. Die Sicherheit und die Schnelligkeit des Ver-
kehrs wuchsen. Die Fahrt ſelbſt wurde immer angenehmer, ja ſie wurde
sogar zur Erholung. Heute durchqueren ſchwimmende Paläſte die Welt-
meere, die mehr Annehmlichkeiten bieten als manche Stadt. Da gibt es

Schwimmbäder, Turn- und Sportplätze, täglich erſcheinen die Bord-

zeitungen, die in bezug auf Geſchwindigkeit des Nachrichtendienſtes manche
auf dem Land erscheinende Zeitung übertreffen. Drahtloſe Einrichtungen
verbinden sie mit aller Welt. Nicht lange wird es mehr dauern, dann
wird man imſtande sein, vom Schiffe aus mit seiner Familie oder ſeinen
Geschäftsfreunden Ferngespräche zu führen. Die Konzerte und Opern-
aufführungen der Großſtädte kann man dort heute ſchon abhören. Das
Schiff von heute iſt aber nicht nur ein Palaſt, es iſt eine Stadt; beſitzt es



Mit der Zeit erkannte man, daß der §.

wünſchten Richtung abtrieb, sondern daß
er auch dazu ausgenutzt werden kann, es
in dieser Richtung vorwärts zu treiben.
Die Ausnutzung dieser Erkenntnis führte
zur Erfindung des Segelboots. Die Schiffe
des Altertums waren meiſt Ruder- und
Segelschiffe zugleich. Mit ihnen wurde der
Menſch bis zu einem gewissen Grade Be-
herrſcher des Meeres. Es entſtanden ge-
waltige Häfen, die, wie der am Kap Mi-
ſenum, Hunderte von Schiffen aufnehmen
konnten; es gab Leuchttürme, Landmar-
ken ſowie Handbücher sür die Seefahrt.
Manche der gebrauchten Hilfsmittel muten
uns eigenartig an. So ließ man zum Bei-
ſpiel, um zu erkennen, ob Land in der














| Waſſerfahrzeeee |
_ der Naturmenschen

] Ein mit j. Ausleger
verſehenes Boot der
Papua

Unten links:
Hawai-Jnsulaner durch. |_
querenauf Schwimmbre: ſttOſu z y
| terndieMeeresbrannuunn ſÊÛn.. „u

Unten rechts:

Eine Doppelpiroge der
Fidſchi-Inſulaner

doch seine eigenen Schlachthäuſer, seine Eisfabriken, ſein Elektrizitätswert,
: :.. seine Promenaden und noch zahlreiche
: andere der Annehmlichkeit und der Ge-
sundheit dienende Einrichtungen.
f Die Fortſchritte der Technik haben aber
| nicht nur ſchwimmende Städtegeſchaffen,
: ſie ſorgen dafür, daß die Beziehungen des
Menschen zum Meere immer zahlreicher
und vielseitiger werden. Der Taucher
dringt heute in immer größere Tiefen
vor und arbeitet dort bei elektriſcher Be-
leuchtung. Die elektriſche Beleuchtung des
Meeresgrundes hat es ſogar ermöglicht,
| ihn als Filmbühne zu benutzen. Man hat
nicht nur das Leben und Treiben der
Meeresbewohner auf das Filmband ge-
zaubert, man hat bereits ganze „Unter-
ſeedramen" aufgeführt. Bei ihnen wirkten
wiederum die Meeresbewohner, dann aber
auch Menſchen mit, die in Taucherglocken












 
Annotationen