gzerſchlagen von frecher Mör-
Das BuchfürAlle
Heft 8
Illustrierte Familienzeitſchrift
1926
Genia / Der Roman einer Rache / Bon Yans von Hülſen
(Fortsetzung)
„Wollen wir Creydt rufen!
: ord an Genia ... dieſer Gedankte beherrſchte ihn fortan
völlig, er lag wie ein Vampyyx, blutſaugeriſch, auf ieder
Stunde eines Tages, auf all den langen dunklen Stun-
den seiner Nächte. Die Zeit ſchritt vor, der Frühling entfaltete
ſich, die Stadt veränderte grün und lieblich ihr Gesicht. Aber in
Lennarts Seele wuchs kein Frühling, da war es duntel, troſtlos
dunkel und zu Stunden unheimlich dunkel. Da wurde, was zuerst
nur ein Gedanke, dann ein ganz natürlicher Wunſch gewesen,
zur Sucht, zur leidensſchaftlichen, freſſenden Gier: den Mörder
der Geliebten zu finden und Rache an ihm zu nehmen.
Was hatte dieſe Zeitungs-
nachricht angerichtet? Schlim-
mer als der Brief Creydts Ö
hatte ſie ihn in einenfiebrizkſen "un
Zuſtand versetzt. Jetzt erst, als :
er keinen anderen Weg ſah,
als eranMord glauben mußte,
ob er wollte oder nicht: jetzt
erſt empfand er sein Glück und
seinen Traum als zerstört, das
ſchöne Bild umgeſstürzt und
derhand.
Ach, und mit Feiner Rach-
gier in Nichts hinausſtarren zu
müſſen, ohne Weg und ohne
Kiel ...!
ManchmalfandihnDülſchke
vor seinem Schreibtiſch, die
Fäuſte gegen die Stirn ge-
preßt: ihm war, als möchte
ihm der Kopf zerſpringen vor
hämmernder Leidenschaft. &
Lerche! . .. Die Zeitungen
hatten ſich noch ein paar Tage
mit ihmbeſchäftigt, eine Reihe
von Einzelheiten war als Er-
gebnis der polizeilichen Unter-
ſuchungen ans Tageslicht ge-
kommen. Aber was half das?
Statt daßsieirgend eine, wenn
auch winzige Klarheit geſchaf- G
fen hätten, wurde duch ſie |..
der Fall nur noch dunkler und |
rätſelhafter. k
So war in der Brieftaſhe |
des Lerche eine am dritten
Juni iineiner Gartenwirtſchaft
zu Schildhorngeſschriebene An-
ſichtskarte (mit dem Bildedes |
Kaiſer-Wilhelm-Turmes) an )
ſeine Verwandten, Schweſter +
und Schwager, in Kallies in
Pommern gefunden worden:
zy:
UE:
Winterfrieden im Erzgebirge
Nach einer künsſtleriſchen Aufnahme von Robert Bielenberg
sie war ganz gleichmütigen, fröhlichen Inhalts, nichts an ihr
deutete auf einen Selbſtmordplan hin. Aus ihr ging jedenfalls
hervor, daß das Unglück am Havelufer, deſſen Opfer Lerche ge-
worden, sich in der Nacht zu jenem Tage ereignet hatte, an dem
die Exploſion im Mauriſchen Hauſe ſtattfand. Merkwürdiger Zu-
ſammentlang zweier Schicksale, merkwürdiges Verbundenſein im
Tode von zwei Schicksalen, die auch im Leben eng verbunden ge-
wesen waren! Die Abergläubiſchen und die Zahlenmyſtiker hatten
Stoff. Auch das Rätsel war nun gelöst, warum Lerches Bett in
seinem Zimmer unangerührt war und ſein Hut am Kleiderſtänder
hing. Offenbar hatte er, anläßlich des ſchönen Sommertags, ich
einen neuen Strohhut gekauft ~ und wirklich, ſo berichteten die
Zeitungen, konnte der Inhaber
der im Hutleder vermerkten
Firmaam Sophie-Charlotten-
Platzbeſtätigen, daß dieser Hut
am dritten Juni, nachmittags,
bei ihm gekauft worden war.
Aber alles das bewies ja nur
etwas Negatives, etwas völlig
Unfruchtbares: nämlich, daß
Lerche als Täter nicht in Frage
kam. Für die poſitive Seite
der Sache war damit keine
Aufklärung geſchaffen.
Aber eine andere Einzelheit
gab es, durch die Lennart und
seine wunde Erinnerung aufs
| tiefste aufgewühlt wurden.
| Dem in der Rotktaſche des al-
ten Dieners fand ſich ein Brief,
der an ihn, Lennart Oſfter-
dag, Stockholm, Öſtermalms-
gatan 21, adreſſiert war. Len-
nart war, als die Nachricht
davon in den Zeitungen er-
ſchien, ſofort zu einer Auto-
haltestelle geeilt und ins Poli-
zeipräsidium gefahren. Nicht
ohne Schwierigkeit hatte er
von dem die Unterſuchung
leitenden Beamten erreicht,
daß ihm der Brief vorgelegt
wurde. Und mit welcher Be-
wegung hatte er auf die ver-
waſschenenundkaummnochleſer-
lichen Bogenniedergeblitkt, die
vielleicht Genias letztes Werk
gewesen waren und die nun
zu ihm ſprachen wie ein Gruß
der Versſtorbenen aus einer
anderen Welt! Er hatte dem
Beamten geholfen, aus den
Spuren zu entziftern, was Jich
von Genias Schrift noch enl-
ziffernließ.Und was ergelesen,
Das BuchfürAlle
Heft 8
Illustrierte Familienzeitſchrift
1926
Genia / Der Roman einer Rache / Bon Yans von Hülſen
(Fortsetzung)
„Wollen wir Creydt rufen!
: ord an Genia ... dieſer Gedankte beherrſchte ihn fortan
völlig, er lag wie ein Vampyyx, blutſaugeriſch, auf ieder
Stunde eines Tages, auf all den langen dunklen Stun-
den seiner Nächte. Die Zeit ſchritt vor, der Frühling entfaltete
ſich, die Stadt veränderte grün und lieblich ihr Gesicht. Aber in
Lennarts Seele wuchs kein Frühling, da war es duntel, troſtlos
dunkel und zu Stunden unheimlich dunkel. Da wurde, was zuerst
nur ein Gedanke, dann ein ganz natürlicher Wunſch gewesen,
zur Sucht, zur leidensſchaftlichen, freſſenden Gier: den Mörder
der Geliebten zu finden und Rache an ihm zu nehmen.
Was hatte dieſe Zeitungs-
nachricht angerichtet? Schlim-
mer als der Brief Creydts Ö
hatte ſie ihn in einenfiebrizkſen "un
Zuſtand versetzt. Jetzt erst, als :
er keinen anderen Weg ſah,
als eranMord glauben mußte,
ob er wollte oder nicht: jetzt
erſt empfand er sein Glück und
seinen Traum als zerstört, das
ſchöne Bild umgeſstürzt und
derhand.
Ach, und mit Feiner Rach-
gier in Nichts hinausſtarren zu
müſſen, ohne Weg und ohne
Kiel ...!
ManchmalfandihnDülſchke
vor seinem Schreibtiſch, die
Fäuſte gegen die Stirn ge-
preßt: ihm war, als möchte
ihm der Kopf zerſpringen vor
hämmernder Leidenschaft. &
Lerche! . .. Die Zeitungen
hatten ſich noch ein paar Tage
mit ihmbeſchäftigt, eine Reihe
von Einzelheiten war als Er-
gebnis der polizeilichen Unter-
ſuchungen ans Tageslicht ge-
kommen. Aber was half das?
Statt daßsieirgend eine, wenn
auch winzige Klarheit geſchaf- G
fen hätten, wurde duch ſie |..
der Fall nur noch dunkler und |
rätſelhafter. k
So war in der Brieftaſhe |
des Lerche eine am dritten
Juni iineiner Gartenwirtſchaft
zu Schildhorngeſschriebene An-
ſichtskarte (mit dem Bildedes |
Kaiſer-Wilhelm-Turmes) an )
ſeine Verwandten, Schweſter +
und Schwager, in Kallies in
Pommern gefunden worden:
zy:
UE:
Winterfrieden im Erzgebirge
Nach einer künsſtleriſchen Aufnahme von Robert Bielenberg
sie war ganz gleichmütigen, fröhlichen Inhalts, nichts an ihr
deutete auf einen Selbſtmordplan hin. Aus ihr ging jedenfalls
hervor, daß das Unglück am Havelufer, deſſen Opfer Lerche ge-
worden, sich in der Nacht zu jenem Tage ereignet hatte, an dem
die Exploſion im Mauriſchen Hauſe ſtattfand. Merkwürdiger Zu-
ſammentlang zweier Schicksale, merkwürdiges Verbundenſein im
Tode von zwei Schicksalen, die auch im Leben eng verbunden ge-
wesen waren! Die Abergläubiſchen und die Zahlenmyſtiker hatten
Stoff. Auch das Rätsel war nun gelöst, warum Lerches Bett in
seinem Zimmer unangerührt war und ſein Hut am Kleiderſtänder
hing. Offenbar hatte er, anläßlich des ſchönen Sommertags, ich
einen neuen Strohhut gekauft ~ und wirklich, ſo berichteten die
Zeitungen, konnte der Inhaber
der im Hutleder vermerkten
Firmaam Sophie-Charlotten-
Platzbeſtätigen, daß dieser Hut
am dritten Juni, nachmittags,
bei ihm gekauft worden war.
Aber alles das bewies ja nur
etwas Negatives, etwas völlig
Unfruchtbares: nämlich, daß
Lerche als Täter nicht in Frage
kam. Für die poſitive Seite
der Sache war damit keine
Aufklärung geſchaffen.
Aber eine andere Einzelheit
gab es, durch die Lennart und
seine wunde Erinnerung aufs
| tiefste aufgewühlt wurden.
| Dem in der Rotktaſche des al-
ten Dieners fand ſich ein Brief,
der an ihn, Lennart Oſfter-
dag, Stockholm, Öſtermalms-
gatan 21, adreſſiert war. Len-
nart war, als die Nachricht
davon in den Zeitungen er-
ſchien, ſofort zu einer Auto-
haltestelle geeilt und ins Poli-
zeipräsidium gefahren. Nicht
ohne Schwierigkeit hatte er
von dem die Unterſuchung
leitenden Beamten erreicht,
daß ihm der Brief vorgelegt
wurde. Und mit welcher Be-
wegung hatte er auf die ver-
waſschenenundkaummnochleſer-
lichen Bogenniedergeblitkt, die
vielleicht Genias letztes Werk
gewesen waren und die nun
zu ihm ſprachen wie ein Gruß
der Versſtorbenen aus einer
anderen Welt! Er hatte dem
Beamten geholfen, aus den
Spuren zu entziftern, was Jich
von Genias Schrift noch enl-
ziffernließ.Und was ergelesen,