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Heft s Da s Bu ch für Alle .tsgz
gung auf die hinterſte Bank. Mein Leben hat mir soviel Ehren
und soviel Erfolg gebracht - und heute erſcheint es mir arm,
weil es mir dies kleine Altersglück einer Teeſtunde mit meinem
Kinde verſagt. Und Leo,“ fügte er hinzu, „Leo wird ja auch
nicht immer bei mir bleiben." ~ Ein Lächeln ſpielte über ſein
blaſſes Gesicht. „Jch glaube, er geht auf Freiersfüßen, aber das
ganz unter uns . .. Dann bin ich völlig einſam, wie ich es eigentlich
nie zu werden glaubte. Sehen Sie, ich erkenne die Zuſammen-
hänge. Ich weiß, daß hier eine Nemesis waltet . . . aus Furcht vor
dieſer Einſamkeit habe ich Ihnen damals das Nein gesagt. Es hat
ſich gerächt, dies Nein. Mir iſt ſo, als ob mich das Schicksal dafür
ſtrafen wollte, daß ich mich ſo ſelbſtſüchtig Ihrem Glück und
Genias Glück in den Weg stellte. Denn eins weiß ich heute: Genia
wäre glücklich geworden mit Ihnen, weil Sie Jie wirklich liebten.“
Lennart nickte zu dieſen Worten. Ihm war das Herz ſchwer
geworden, als er das hören mußte . . . ſchwerer noch, als es ihm
ſchon die ganze Zeit war. Er fühlte, wie etwas in ſeinem Innern
in Bewegung geriet + war es ein Entſchluß? War es eine Tat?
In plötzlicher Aufwallung)agte er: „Eine Frage, Herr Professor.
Wollen wir nicht meinen Freund Creydt aus Amerika rufen? ~
Wir werden ja beide doch nicht ruhig, bis die dunkle Sache ge-
klärt, ach, bis Jie geſühnt iſt.“
Er war, während er ſprach, sſicher gewesen, auf eine Ablehnung
zu stoßen. Aber Palm nickte nur mehrmals mit dem ſchneeweißen
Kopfe, während eine feinen Gelehrtenhände mit dem Teelöffel
auf dem weißen Tiſchtuch ſpielten.
„Vielleicht“, sagte er, „haben Sie recht. Klarheit, das wäre
vielleicht noch ein karges Glück für mich alten Mann. Ein letztes
Altersglück. Das einzige, das mir das Leben noch geben kann.
Lieber Freund, Sie sprechen von Sühne, und Sie denken dabei
gewiß daran, daß irgend ein fremder Täter oder Attentäter ſüh-
nen soll. Wenn ich Ihnen sagen könnte, wie fern alle dieſe Ge-
danken von mir ſind! Wenn ich an Schuld und Sühne dente, so
sehe ich immer mich an das Kreuz dieſes furchtbaren Problems
geſchlagen. Und das Glück, das mir Klarheit noch bringen kann,
bestände darin, daß Jie mich vielleicht von dem elenden Gefühl
befreite, ſelbſt doch irgendwie schuld zu sein an dem Unglück. Aber
meinen Sie wirklich, daß es noch Klarheit gibt?“
Lebhaft erwiderte Lennart: „Wenn einer, ſo kann Creydt sie
ſchaffen. Ich glaube feſt an ihn, er hat einen ungeheuren Ver-
ſtand, ein inneres Auge, das ſozuſagen durch zehn Balkenlagen
hindurchſieht. Er hat geradezu Wunder getan . . ."
„Wunder! Vielleicht anderswo, unter anderen und günstigeren
Umſtänden. Aber was will er hier tun, wo es doch keinen Zeugen
gibt, nicht einmal einen Tatort, und wo nach ſo langer Zeit ~
wenn es sich überhaupt um ein Verbrechen handelt ~ jede Spur
natürlich längst verweht und vernichtet iſt?"
„Lieber Herr Professor, vertrauen wir auf Creydt! Ich bin
gewiß, er findet Zeugen und Spuren, und müßte er ſie vom
Monde herunterholen.“
Palm nickte und wollte etwas erwidern, aber das Geräuſch
eines Autos ließ ihn aufhorchen. Der Wagen war raſch heran-
I mmmupnttenrs
Wunder der Welt: Die Kathedrg! etürme im „Garten der Götter“ in Colorado / Höchst eigenartige Sandsteinſpitzen und Mauern von
dreißig bis hundert Meter Höhe
s. 1926 .
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gung auf die hinterſte Bank. Mein Leben hat mir soviel Ehren
und soviel Erfolg gebracht - und heute erſcheint es mir arm,
weil es mir dies kleine Altersglück einer Teeſtunde mit meinem
Kinde verſagt. Und Leo,“ fügte er hinzu, „Leo wird ja auch
nicht immer bei mir bleiben." ~ Ein Lächeln ſpielte über ſein
blaſſes Gesicht. „Jch glaube, er geht auf Freiersfüßen, aber das
ganz unter uns . .. Dann bin ich völlig einſam, wie ich es eigentlich
nie zu werden glaubte. Sehen Sie, ich erkenne die Zuſammen-
hänge. Ich weiß, daß hier eine Nemesis waltet . . . aus Furcht vor
dieſer Einſamkeit habe ich Ihnen damals das Nein gesagt. Es hat
ſich gerächt, dies Nein. Mir iſt ſo, als ob mich das Schicksal dafür
ſtrafen wollte, daß ich mich ſo ſelbſtſüchtig Ihrem Glück und
Genias Glück in den Weg stellte. Denn eins weiß ich heute: Genia
wäre glücklich geworden mit Ihnen, weil Sie Jie wirklich liebten.“
Lennart nickte zu dieſen Worten. Ihm war das Herz ſchwer
geworden, als er das hören mußte . . . ſchwerer noch, als es ihm
ſchon die ganze Zeit war. Er fühlte, wie etwas in ſeinem Innern
in Bewegung geriet + war es ein Entſchluß? War es eine Tat?
In plötzlicher Aufwallung)agte er: „Eine Frage, Herr Professor.
Wollen wir nicht meinen Freund Creydt aus Amerika rufen? ~
Wir werden ja beide doch nicht ruhig, bis die dunkle Sache ge-
klärt, ach, bis Jie geſühnt iſt.“
Er war, während er ſprach, sſicher gewesen, auf eine Ablehnung
zu stoßen. Aber Palm nickte nur mehrmals mit dem ſchneeweißen
Kopfe, während eine feinen Gelehrtenhände mit dem Teelöffel
auf dem weißen Tiſchtuch ſpielten.
„Vielleicht“, sagte er, „haben Sie recht. Klarheit, das wäre
vielleicht noch ein karges Glück für mich alten Mann. Ein letztes
Altersglück. Das einzige, das mir das Leben noch geben kann.
Lieber Freund, Sie sprechen von Sühne, und Sie denken dabei
gewiß daran, daß irgend ein fremder Täter oder Attentäter ſüh-
nen soll. Wenn ich Ihnen sagen könnte, wie fern alle dieſe Ge-
danken von mir ſind! Wenn ich an Schuld und Sühne dente, so
sehe ich immer mich an das Kreuz dieſes furchtbaren Problems
geſchlagen. Und das Glück, das mir Klarheit noch bringen kann,
bestände darin, daß Jie mich vielleicht von dem elenden Gefühl
befreite, ſelbſt doch irgendwie schuld zu sein an dem Unglück. Aber
meinen Sie wirklich, daß es noch Klarheit gibt?“
Lebhaft erwiderte Lennart: „Wenn einer, ſo kann Creydt sie
ſchaffen. Ich glaube feſt an ihn, er hat einen ungeheuren Ver-
ſtand, ein inneres Auge, das ſozuſagen durch zehn Balkenlagen
hindurchſieht. Er hat geradezu Wunder getan . . ."
„Wunder! Vielleicht anderswo, unter anderen und günstigeren
Umſtänden. Aber was will er hier tun, wo es doch keinen Zeugen
gibt, nicht einmal einen Tatort, und wo nach ſo langer Zeit ~
wenn es sich überhaupt um ein Verbrechen handelt ~ jede Spur
natürlich längst verweht und vernichtet iſt?"
„Lieber Herr Professor, vertrauen wir auf Creydt! Ich bin
gewiß, er findet Zeugen und Spuren, und müßte er ſie vom
Monde herunterholen.“
Palm nickte und wollte etwas erwidern, aber das Geräuſch
eines Autos ließ ihn aufhorchen. Der Wagen war raſch heran-
I mmmupnttenrs
Wunder der Welt: Die Kathedrg! etürme im „Garten der Götter“ in Colorado / Höchst eigenartige Sandsteinſpitzen und Mauern von
dreißig bis hundert Meter Höhe
s. 1926 .