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894

Für unſ.ere Frauen

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Nicht welken, ſondern reifen / Von Marie Gerbrandt

S! manches Mädchen, manche junge Frau, die ein leiſes Abbröckeln
ihrer Schönheit wahrzunehmen meint, seufzt wohl: „Wie recht hat
doch der Dichter mit dem Ausspruch ,das Menſchenleben iſt ein kurzes
Blühen und ein langes Welken'‘!“ In der Pflanzenwelt trifft dies nur für
Blüten zu, die entweder abgepflückt werden oder nicht beſtimmt waren,
Frucht zu werden. Glücklicherweiſe kann man das letztere vom Menſchen-
leben im allgemeinen nicht ſagen. Unsere Aufgabe iſt es, zur Frucht zu
reifen, die nützt und erquickt. Wer wollte behaupten, daß eine edel aus-
gereifte Frucht, ein Kornfeld voll goldener Ähren, ein in Herbstfülle pran-
gender Garten nicht auch das Auge erfreuten? Welken freilich iſt unerfreu-

lich, aber dazu brauchen wir es, falls nicht Krankheit oder allzu ſchwere -

Arbeit und Kummer unseren Willen brechen, nicht kommen zu lassen.
Je mehr die erſte Jugendfriſche aus einem Frauenantlitz ſchwindet, deſto
mehr breitet ſich zumeiſt ein Abglanz des Seelen-
lebens darauf aus. Wir wollen dabei im Auge be-
halten, daß böse, gehänsige, neidiſche, eitle Gedanken
sich allmählich unfehlbar im Gesicht ausprägen und
ihm unangenehme Linien verleihen, die ſelbſt die
vollendetſte Schönheit entſtellen würden. Leichtſinn,
Oberflächlichkeit, stets rege Gefallſucht ſind eben-
falls von jedem Menſchenkenner leicht auf einem
Antlitz zu lesen. Daß hingegen Beſcheidenheit, Her-
zensgüte, ruhige Besonnenheit sogar ein Gesicht,
dem die gefälligen Formen fehlen, hübſch machen Y,
können, iſt ſo oft schon gesagt worden, daß man es |
nicht zu wiederholen braucht. Mit zunehmenden
Jahren vertieft und durchgeiſtigt ſich dieſe Art
Schönheit naturgemäß. Alte Damen, die in der
Jugend nie zu den gefeierten Schönheiten zählten,
haben dieſen Reiz oft in ſo hohem Mazßz, daß jeder-
mann die gern anſieht und, sofern er dazu fähig iſt,
sich über Jie freut. Dieſer Troſt bleibt der Frau, die
zu verblühen fürchtet, allo noch immer. Allein sie
will und mit Recht, ſo lange wie möglich jung bleiben, äußerlich und inner-
lich. Puder, Lippen- und Brauenſtiſt ſieht man einem wirklich jungen Ge-

ſichtchen vielleicht lächelnd nach; bei dem alternden ahnt man, daß Schäden

verborgen werden Jollen. Aber die Frau hat diese Hilfsmittel auch nicht
nötig, sofern Jie Jſich friſch erhalten hat. Ein Übermaß von Vergnügungen
in zarter Jugend wirkt ſehr nachteilig. Müßiggang tut dies erſtrecht, Arbeit
mit ſonntäglichem Ausspannen und wohlangebrachten Feierabenden richtet
weit weniger Schaden an, auch wenn Jie im Büro, hinterm Verkaufstiſch,
in der Küche und Kinderſtube verrichtet wird. Denn alle regelrechte Tätig-
keit hält die Kräfte friſch. Wir haben zwar heute ſchon allerlei Sportmög-
lichkeiten für das weibliche Geschlecht, die aber nicht bis zur Übermüdung
ausgenutzt werden dürfen, die Jugendwanderungen und anderes, um dem
Verfall der körperlichen Kräfte vorzubeugen. Die Frau, die an das Haus



gefesselt iſt, hilft ſich durch Freiübungen. Seinen Körper beweglich zu er-
halten, iſt nicht nur an aich ein wichtiges Schönheitsmittel, es wirkt auch
auf den Willen, die geiſtige Spannkraft, und diese prägen dem Äußeren
eine Friſche und Elaſtizität auf, die den Gedanken an „Welken“ gar nicht
erſt auftauchen läßt.

Die verheiratete Frau will vom Welken nichts hören, nur weil ſie dem
Gatten die Freude an ich erhalten möchte, und das Mädchen erſtrecht nicht,
weil ſie hofft, Braut und Gattin zu werden. Der Wunſch iſt der weiblichen
Natur angemessen und an Jich ohne weiteres lobenswert. Aber es wird für
beide der Zeitpunkt kommen, wo Jie ſich ſagen müssen, daß ihr Äußeres nicht
mehr den Hauptreiz ihrer Anziehungskraft bildet. Die Oberflächliche, die
keine ſeeliſchen Güter erworben und ausgebildet hat, müßte bei der Er-
kenntnis zuſammentnicken. Es geschieht auch oft, ſie wird bitter, hyſteriſch,
neidiſch und gehässig gegen Glücklichere. Das weib-
liche Wesen aber, das Fein gefälliges Äußeres wohl
als einen hohen Lebenswert, aber nicht als den ein-
zigen oder höchſten angesehen hat, entfaltet in rei-
feren Jahren umſo mehr die ſeeliſchen Vorzüge,
die es ſtets gepflegt hat. Manche Mutter kommt
erſt ſpät dazu, sich auch geiſtigen Interessen zu
widmen und ie mitdem lieben Lebenskameraden >
die Kinder sind ausgeflogen ~+ gemeinſam zu ge-
nießen. Die Unverheiratete entdeckt, daß Jie eigent-
] lich erſt anfängt, so recht Menſch zu werden, nach-
dem Jie aufgehört hat, junges Mädchen zu ſein.
Wenn sie auch nicht Gattin und Mutter geworden
iſt, obwohl auch sie von Natur aus ein Recht dazu
hatte, wird sie doch für ihre Umgebung ein Segen,
indem Jie ihre Arbeitskraft, ihre Teilnahme, ihr
Wohlwollen nach beſter Erkenntnis verwendet. Ein
köſtlicher Zeitabſchnitt beginnt oft für die Eheloſe
wie für die Verheiratete, wenn alle heimliche Sehn-
ſucht und manche kleine Torheit ausgefrachtet ſind.
Erfahrung läßt sie feſter im Leben ſtehen als zur Zeit ihrer bedrängten
Jugend. Sie haben ihre Kräfte erprobt und können ſich auf Jie verlaſſen.
Die Arbeit gelingt, denn Jie verſtehen ihre Sache. Sie haben Freunde ge-
wonnen, genießen Liebe und Achtung. Welken? O Gott, nein, eine Lebens-
freudigkeit kommt jetzt oft über die Frau, die man eine zweite Blüte nennen
könnte, wenn Jie nicht die wertvollere Epoche der Reife wäre. Die Litera-
tur, Kunſt und Wissenschaft ſtehen ihr offen. Sie iſt ſelbſtändig, ſie kann
frei nach den Gütern langen, die ihr für ihre weitere Entwicklung zuträglich
ſcheinen. Über Geldmittel verfügt sie gewöhnlich reichlicher als in ihrer
Jugend. Sie fühlt, daß der Herbſt golden iſt, und entfaltetihre beſten Kräfte,
sſie darf sich ſagen, daß, wenn für ſie die Winterruhe kommt, Gedanken von
ihr und das Wirken ihrer Persönlichkeit zurückbleiben werden gleich dem Sa-
men einer Frucht, die niemand ſchadet, vielmehr viele erquickt und nährt.







Union Deutſche Verlagsgeſsellſchaft/ Stuttgart / Berlin / Leipzig

Wege zur Frauenſchönheit

Deutschen Müttern, die Töchter haben, gewidmet von

Mit 38 Bildern auf 20 Tafeln / 6. ~ 10. Auflage / Gebunden Rm. 4.50

Die Leſerin fühlt nach drei oder vier Seiten, daß hier ein Mann von großer Lebens-
erfahrung, ein Arzt, ein Schönheitsfreund und vor allem ein Beobachter mit eigenen Augen
zu ihr redet. Sein Buch, durchsetzt mit kleinen, fröhlichen Randbemerkungen, wird den
allergrößten Nuten ſtiften, indem es mit Beherztheit ein deutsches Raſſenideal malt und
die Wege zu ihm weiſk. In hunderttausend Hände möchte man dieses kluge Buch eines
verantwortungsvollen Beraters wünſchen!

Dr. Robert Heſſen

Stefan Großmann, Voſſiſche Zeitung





Zu ha b en in a lle n B u th h a n d l u ng e y











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