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Das Buch für Alle

Heft 16

Jlluſtrierte Familienzeitschrift

1926



Zum letzten Heller / Koman ven Toni Rothmund

(Fortsetzung)

s brannte ein Lichtlein im Schwanderhof, das gab einen

ſanften Schein. Die Tage gingen leichter und reibungsloser

hin als früher. Hie und da hörte man ein fröhliches Lachen
aufklingen und manchmal ein kleines Lied. Waldblumenſträuße
ſtanden auf den Tischen, und friſche Vorhänge leuchteten an den
Fenſterlein. Es ſchien ein wenig Schönheit und Güte aufzublühen
in dem liebloſen Haus. Die alte Frau humpelte wieder herum
und ging ſchweigsam ihrer Arbeit nach, und der kleine Leonhard
erholte ſich wie ein Pflänzlein, das Regen trinken darf. Thomas
trank und fluchte nicht mehr, und Margrit wußte, daß ſie es war,
um derentwillen er sich Zaum und Zügel anlegte, gut gegen das
Büblein war und nachsichtig gegen Judiths Launen. Das machte
ſie ſo froh, daß ſie den ganzen Tag hätte singen und lachen können.
Dem Kiätter hatte Margrit einen freien Nachmittag in der Woche
erwirkt, andemJieihre
Sachen flickenund ein
wenig zuſammenrich-
tenkonnte, und Märti,
der Knecht, vor allem
der Jörgli, der Jun-
ge, liebten Jie ſchon
der Frau zum Trozk.

Denn die Schwer e
ſter zu gewinnen, war U
Margrit bisher nicht E
gelungen. Für ge-
wöhnlich verſtand Ju-
dith es zwar trefflich, |
ihre Geſinnunggegen lbbub
ſie zu verbergen. Nu .[F
manchmal zeigte ſie.hnnb
ihr wahres Gesicht.

Eines Abends ſtand
Margrit nachdenklich
vor der Magdkam-
mer, in der Kätters
eigentümlicher Duft
herrſchte, ein Duft,
densie überallinihren
Kleidern mit ich her-
umtrug und wie eine
unsichtbare Wolke um
ſich herum verbreite-
te. Da Ivdith zufäl-
lig vorüberging, rief
Margrit die Schwe-

"ſter an.

„Höre, Judith, haſt
du etwas dagegen,
wenn ich dem Leon-
hard sein Bettlein zu
mir in die Kammer
tue? Dahinneniſtim-
mer ſo eine dumpfe
Luft.!

Sie sſtandenJich al-



Nachtexpreß / Nach einer Radierung von F. Lubowstkti

Kunſtverlagsgesellſchast Wohlgemuth & Lißner, Berlin SW 48

lein gegenüber, kein Menſch war in hörbarer Nähe. Judith ſchaute
finſter drein. „Zu was? Es hat's bisher getan für das Büble,
es wird's auch weiter tun."

„Aber ich hätt' es ſo gern in meinem Zimmer, und dir kann's
doch gleich sein, wo es ſchläft."

„Nein, es iſt mir nit gleich. Ich will überhaupt nit, daß du ſo
eine Wirtſchaft mit dem Kind machſt. Es hat keinen Wert.“

„Für dich vielleicht nit, für das Büblein ſchon. Du machſt dir
ja doch nix aus dem Kind, da kannst du doch nix dagegen haben,
wenn ich es zu mir nimm.“

„Was weißt du, ob ich mir etwas aus ihm mach!’ oder nit? Du
biſt ja nit ſeine Mutter."

Es war das erſtemal, daß Judith ſich vor ihr zu dem Kinde be-
kannte. Aber Margrit ſpürte keine Liebe aus ihren Worten, nichts
als eine erſtickte Qual.

„Wenn ich ſchon
ſeine Mutter wär’, Jo
wollt’ ich's wenig-
ſtens nit ſo umein-
anderſtoßgen wie ein
Stück Holz,“ sagte Jie
aufgebracht.

Iudith maß die
Schwester mit einem
langen Blick. ,Das
geht keine Menſchen-
ſeel' was an und dich

rz nV. TEE ZF

am wenigsſten. Ich
laſſ’ mir keine Vor-
ſchriften machen und
von dir ſchon gar nit.
Du kommst nur daher
und tuſt allen ſchön,
ſo daß es einen etelt,
wenn man es anſehen
muß. Sogardem Kät-
ter flattierſt du, und
denKnechten gehſt du
un den Bart. Alle
Mannsbilder machſt
duverrücktmit deinem
ſcheinheiligen Getue.
Den Thomas vorab.
Der meint. ja nun
auch, daß du besser
ſeiſt als wir alle. Es
werdenihmſchonnoch
die Augen aufgehen
über dich. Aber mir
machſt du nix vor,
Margrit, ich kenn!
dich. Ich ſchau’ dich
durch und durch."
Margrit ſtieg das
Blut zu Kopf. „Der
Thomas iſt gut zu
 
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