Da s B uch s ür Al le
515
Feierabend auf der Alm / Nach einer Aufnahme von Lilly u. Weech
Zurück zur Natur!
Ein Almsommer in Wort und Bild / Von Lilly v. Weech
Ü: kurzem habe ich die Alm bezogen mit meinen Bergfreunden Otto
und Peter. Zu dieſer Aln gehören mehrere zerſtreut liegende Hütten,
und eine davon hat uns der Bauer zur Verfügung gestellt. Wir kennen ihn
vom Winter her, als wir mit den Skiern die Gegend erforſcht hatten, und
haben uns leicht wieder mit ihm verständigt.
„Was beträgt die Miete?“
„Miete? — Betragen? ~ Mei, gebt's mer halt a Packl. Tabak,“ hatte
der Biedere gemurmelt.
„Und das Holz?“
„War net hoakel ~ is gnua umanand!!“
So koſtet dieſe möblierte „Dreizimmerwohnung“ mit Stall und Schup-
pen, einſchließlich Heizung und Bedienung > ein Viertelpfund Tabak für
die „Saison“.
Die Bedienung ind wir selbst.
Ich habe täglich mehrere Schmarrn zu kochen. Das iſt auf der Alm so
Sitte. Auf der Alm kann man alle Tage Schmarrn essen, denn e in
Schmarrn iſt nicht wie der andere. Der eine, der „Holzhacker“, wird fein
zerſtoßen, ſtrott und ziſcht vor Fett, und nach Eiern ſpürt man vergeblich
~ vermißt ſie aber gar nicht. Preiſelbeeren ſchmecken fein dazu. Ein
anderer wird mit Topfen hergeſtellt, er ſchaut saftig drein und riecht
ſäuerlich und interessant. Ein dritter iſt goldgelb, reſch, luftig und groß-
blättrig. Jeder Schmarrn ſchmeckt gut zu jeder Tageszeit. Man fängt ſchon
am Morgen damit an.
Es iſt klar, daß auch die anderen Naturprodukte der Umgebung als Bei-
koſt verwendet werden: die Erdbeeren, Schwarzbeeren und Schwammerln
aus dem nahen Wald, Schlagſahne, Butter und Käse von fünfzig Kühen
der „Unteren Alm", die Forelle vom Bach und das Rehſchnitzel, das wahr-
ſcheinlich der Hirte Waſtl gewildert hat.
Wir kümmern uns nicht darum.
Nur das Mehl und den Zucker haben die beiden Freunde, hier oben
„Buam“ genannt, in Säcken heraufgeschleppt. Ihnen obliegen alle Schwer-
arbeiten. Sie haben Holz zu hacken, Wasser zu ſchöpfen, Feuer zu entfachen
und Bretter zu legen, wenn es gilt bei anhaltendem Regen den Verkehr
mit der Umwelt aufrechtzuerhalten.
Der eine iſt ein Maler, und unsere Nachbarn drängen ſich dazu, ihm zu
ſißen: die Sennen Ügid und Hans, der Galthirt Waſtl, das Küchenmädchen
Philomena und die vielen Kinder, die gewiſsſermaßen mit dem Vieh hier
oben aufgezogen werden.
Der andere, namens Peter, iſt ein Doktor in Ferien. Er saugt den Tag
lang an seiner Pfeife und läßt ſich von der Sonne beſcheinen. Bisweilen
kuriert er ein wenig in der Gegend umher: den verſtauchten Fuß des
Galthirten Waſtl, die Kuh „Blume“ oder den gesprenkelten Widder. In
Philomenas Apotheke, einer Zigarrenſchachtel, die zugleich Näh- und
Kammzeug enthält, gibt es ein Hausmittel. „Fluid“ steht auf dem
Fläschchen, und es empfiehlt ſich „für Rindvieh, Pferde und Hunde zum
Einreiben“. Am wunderbarsten wirkt es jedoch auf Menschen. Der Galthirt
Waſtl konnte am zweiten Tag wieder laufen. „Fei gut hat's tan," brum-
melte er zufriedengeſtellt.
Des Morgens badet man im Bergsee oder im Wildbach und sonnt Jich
zwischen roten Alpenrosſen. Der Dokttor tut dies eigentlich den ganzen Tag,
wenn er nicht gerade Hüttendienſt hat.
Der Maler und ich gehen daran, das Vieh zu ſtudieren. Malen kann man
auch aus der Erinnerung + photographieren nur nach der Wirtlichkeit.
Darum ſchätze ich so ſehr das Rindvieh. Es iſt phlegmatiſch, verharrt in
der ihm liebgewonnenen Stellung, glotzt ſtetig nach einer Seite und drückt
Gemütsregungen> den Zorn über lästige Fliegen, die Freude am Fraß,
die Verwunderung über Fremde — lediglich durch Schwungbewegungen
des Schwanzes aus.
Auch weidende Bauernpferde sſtehen brav in der Landſchaft.
Schafe bringen den, der sich ihnen nähern möchte, zur Verzweiflung.
In unberechenbarer Scheu fliehen ſie herdenweisſe talwärts, um ein paar
Augenblicke ſpäter die Kamera abzuſchlecken und den erſchrockenen Alm-
freund mit Erdrücken zu bedrohen.
Die Ziege iſt noch launiſcher.
Bötke, gleich welche Art, gehen gern zum Sturmangriff über, und zwar
aus dem Hinterhalt.
Schweine sind gänzlich unbrauchbare Modelle. Man kann ihnen keine
„Linie“ abgewinnen. Sie kriechen und wühlen häßlich im Sumpf oder
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Feierabend auf der Alm / Nach einer Aufnahme von Lilly u. Weech
Zurück zur Natur!
Ein Almsommer in Wort und Bild / Von Lilly v. Weech
Ü: kurzem habe ich die Alm bezogen mit meinen Bergfreunden Otto
und Peter. Zu dieſer Aln gehören mehrere zerſtreut liegende Hütten,
und eine davon hat uns der Bauer zur Verfügung gestellt. Wir kennen ihn
vom Winter her, als wir mit den Skiern die Gegend erforſcht hatten, und
haben uns leicht wieder mit ihm verständigt.
„Was beträgt die Miete?“
„Miete? — Betragen? ~ Mei, gebt's mer halt a Packl. Tabak,“ hatte
der Biedere gemurmelt.
„Und das Holz?“
„War net hoakel ~ is gnua umanand!!“
So koſtet dieſe möblierte „Dreizimmerwohnung“ mit Stall und Schup-
pen, einſchließlich Heizung und Bedienung > ein Viertelpfund Tabak für
die „Saison“.
Die Bedienung ind wir selbst.
Ich habe täglich mehrere Schmarrn zu kochen. Das iſt auf der Alm so
Sitte. Auf der Alm kann man alle Tage Schmarrn essen, denn e in
Schmarrn iſt nicht wie der andere. Der eine, der „Holzhacker“, wird fein
zerſtoßen, ſtrott und ziſcht vor Fett, und nach Eiern ſpürt man vergeblich
~ vermißt ſie aber gar nicht. Preiſelbeeren ſchmecken fein dazu. Ein
anderer wird mit Topfen hergeſtellt, er ſchaut saftig drein und riecht
ſäuerlich und interessant. Ein dritter iſt goldgelb, reſch, luftig und groß-
blättrig. Jeder Schmarrn ſchmeckt gut zu jeder Tageszeit. Man fängt ſchon
am Morgen damit an.
Es iſt klar, daß auch die anderen Naturprodukte der Umgebung als Bei-
koſt verwendet werden: die Erdbeeren, Schwarzbeeren und Schwammerln
aus dem nahen Wald, Schlagſahne, Butter und Käse von fünfzig Kühen
der „Unteren Alm", die Forelle vom Bach und das Rehſchnitzel, das wahr-
ſcheinlich der Hirte Waſtl gewildert hat.
Wir kümmern uns nicht darum.
Nur das Mehl und den Zucker haben die beiden Freunde, hier oben
„Buam“ genannt, in Säcken heraufgeschleppt. Ihnen obliegen alle Schwer-
arbeiten. Sie haben Holz zu hacken, Wasser zu ſchöpfen, Feuer zu entfachen
und Bretter zu legen, wenn es gilt bei anhaltendem Regen den Verkehr
mit der Umwelt aufrechtzuerhalten.
Der eine iſt ein Maler, und unsere Nachbarn drängen ſich dazu, ihm zu
ſißen: die Sennen Ügid und Hans, der Galthirt Waſtl, das Küchenmädchen
Philomena und die vielen Kinder, die gewiſsſermaßen mit dem Vieh hier
oben aufgezogen werden.
Der andere, namens Peter, iſt ein Doktor in Ferien. Er saugt den Tag
lang an seiner Pfeife und läßt ſich von der Sonne beſcheinen. Bisweilen
kuriert er ein wenig in der Gegend umher: den verſtauchten Fuß des
Galthirten Waſtl, die Kuh „Blume“ oder den gesprenkelten Widder. In
Philomenas Apotheke, einer Zigarrenſchachtel, die zugleich Näh- und
Kammzeug enthält, gibt es ein Hausmittel. „Fluid“ steht auf dem
Fläschchen, und es empfiehlt ſich „für Rindvieh, Pferde und Hunde zum
Einreiben“. Am wunderbarsten wirkt es jedoch auf Menschen. Der Galthirt
Waſtl konnte am zweiten Tag wieder laufen. „Fei gut hat's tan," brum-
melte er zufriedengeſtellt.
Des Morgens badet man im Bergsee oder im Wildbach und sonnt Jich
zwischen roten Alpenrosſen. Der Dokttor tut dies eigentlich den ganzen Tag,
wenn er nicht gerade Hüttendienſt hat.
Der Maler und ich gehen daran, das Vieh zu ſtudieren. Malen kann man
auch aus der Erinnerung + photographieren nur nach der Wirtlichkeit.
Darum ſchätze ich so ſehr das Rindvieh. Es iſt phlegmatiſch, verharrt in
der ihm liebgewonnenen Stellung, glotzt ſtetig nach einer Seite und drückt
Gemütsregungen> den Zorn über lästige Fliegen, die Freude am Fraß,
die Verwunderung über Fremde — lediglich durch Schwungbewegungen
des Schwanzes aus.
Auch weidende Bauernpferde sſtehen brav in der Landſchaft.
Schafe bringen den, der sich ihnen nähern möchte, zur Verzweiflung.
In unberechenbarer Scheu fliehen ſie herdenweisſe talwärts, um ein paar
Augenblicke ſpäter die Kamera abzuſchlecken und den erſchrockenen Alm-
freund mit Erdrücken zu bedrohen.
Die Ziege iſt noch launiſcher.
Bötke, gleich welche Art, gehen gern zum Sturmangriff über, und zwar
aus dem Hinterhalt.
Schweine sind gänzlich unbrauchbare Modelle. Man kann ihnen keine
„Linie“ abgewinnen. Sie kriechen und wühlen häßlich im Sumpf oder