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Ob er wohl kommen mag ? / Nach einem Gemälde von K. Rozynski



Pallas-Verlag A.-G., Berlin SW 11

Hillers Fran

Zur hundertſten Wiederkehr des Todestages von Charlotte von Schiller am 9. Fuli 1926
D on Hermann KRailla rd

Zi der Vorkriegszeit gefielen ſich manche, die auf ihren literarischen Ge-
ſchmack und ihre geiſtige Kultur große Stücke hielten, in überheblicher
Geringschätzung Schillers. Form und Inhalt ſeiner Werke galten ihnen als
überwundene Stufen, und doch zeigt ſich jetzt in dem Ringen um eine neue
Formdes nationalen Selbsſtbewußtseins die Unentbehrlichkeit des überzeit-
lichen Geiſteserbes Friedrich Schillers. Diese Einsicht verpflichtet aber auch
zum Dank gegen seine Frau, ohne deren anspornendes Einfühlen in das
ſchöpferiſche Ringen und Wirken des Gatten, ohne deren geduldig tragende
Liebe der faſt immer kränkelnde Dichter nie die Kraft zu seiner Vollendung
gefunden hätte. Ohne Charlotte von Schiller, deren Todestag am 9. Juli
zum hundertſtenmal wiederkehrt, kein Wilhelm Tell! Sie hat das Ver-
dienſt, im Kampf gegen das tückiſche Leiden ihres Mannes dem Tode Jahre
abgerungen zu haben, in denen Schillers Berufung zu unvergänglichen

Meiſterwerken reifte. Daß es ihr gelang, der ungestümen, an sich wie an
andere höchſte Ansprüche ſtellenden Feuersſeele Gefährtin zu sein, die ſeiner
würdig war, lag begründet in der Eigenart ihrer Persönlichkeit. Der Name
dieſer edlen Frau verdient unvergessen zu bleiben, weil ſie, die in ihrer
Bescheidenheit nie mehr ſcheinen wollte, als sie war, durch die Tugenden
echter Weiblichkeit und ihr harmoniſches Wesen das Leben dieses großen
Mannes durchſonnt hat. Wie Schillers Wesen, das nach Goethes Urteil
nichts Gemeines berührte, ohne es zu veredeln, seine tiefsten Wurzeln in
dem Segen unauslös;chlicher Kindheitseindrücke hatte, die er von den
lebenstüchtigen, gottesfürchtigen Eltern empfing, so hat auch Charlotte
von Schiller den Kern ihres lauteren, im beſten Sinne vornehmen Weſens
Vater und Mutter zu verdanken. Engbegrenzt spielte sich zwar in dem
kleinen Städtchen Rudolſtadt, in dem Charlotte am 22. November 1766
 
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