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geboren war, das Leben Jich ab, doch der Oberforſtmeiſter von Lengefeld
hielt auf geiſtige Regsamkeit in ſeinem Haus und gab durch ſeinen Fleiß,
ſeine hohe, verinnerlichte Auffassung von der Natur und sein frohes Na-
turell allen das beſte Beiſpiel. Seine Gattin, die ſpäter von Schiller dankbar
verehrte „chere mèére“", ſtand an Gewissenhaftigkeit und ſchlichtfrommer
Art hinter ihrem Mann nicht zurück und gewann durch ihre Herzensgüte
und den Adel ihres Wesens die Beſten ihrer Zeit. In der schlichten, aber
wohlgepflegten Lebensführung dieſes Elternhauſes konnten ſich die Gaben
Charlottes wie die der um wenige Jahre älteren Schwester Karoline frei
entfalten. Damit nicht phantaſtiſche Neigungen über Gebühr Jich geltend
machen könnten, wurden auf Wunſch des Vaters häusliche Betätigung, und
vor allem täglich Leibesübungen, Reiten, Spielen, Wandern tatkräftig
gepflegt. Wenn auch keine höhere Schulbildung im heutigen Sinn, eine
treffliche Ausrüſtung fürs Leben erhielten die innig miteinander verbunde-
nen Schwestern doch in den harmlos glücklichen Mädchenjahren. Wohl war
Karoline die ſelbſtändigere, mit lebendigerer Phantasie begabte Natur, aber
ihr ſanguiniſches Weſen ließ Jie nie zu der ſchönen, auch andere beruhigen-
den Gleichmäßigkeit kommen, die Charlotte so liebenswert machte. So
gründlich wurden die Studien in der französiſchen und engliſchen Sprache
betrieben, daß Jſich die jungen Mädchen an den Literaturen beider Länder
zu erfreuen wußten. Aber auch vom Talent zum Landſchaftszeichnen und
poetiſcher Begabung Charlottes ſind uns Proben
Das Buch für Utl;
Heft 2s
Nur der Seelenadel dieser Frau, die nie verſagte, wenn er ihrer belebenden,
ja mitwirkenden Anteilnahme bedurfte, und ſtets ſtill zurücktrat, ſooft der
leicht Verletbare, Kränkelnde inſeinem Schaffenvor jeder Störuno bewahrt
bleiben mußte, war dazu imſtande. „Mir gab die Liebe Kraft zu ahnen und
zu verſtehen“, konnte die gute Lolo, wie sie Schiller zärtlich nannte, von
ſich ſelbſt ſagen. Mit der Ungewißheit, der finanziell ungesicherten Stellung
ihres Mannes als unbeſsoldeter Professor in der erſten Jenaer Zeit, ja mit
vielen drückenden Sorgen fand ſich Charlotte immer tapfer und prattiſch
ab. Als Schiller ſchon im erſten Jahre der Ehe von einem Lungenleiden hin-
gerafft zu werdendrohte, hat ihre rührende, aufopfernde Liebe ihn buchſtäb-
lich dem Tod entriſsen. Von der unermüdlich treuen Pflege, mit derJie ihren
oft unter den heftigſten Bruſtkrämpfen und furchtbarer Ermattung ſchwer
leidenden, oft hypochondriſchen Gatten umgab, aber auch von dem Zartſinn
Schillers, der ſeiner Lotte soviel als möglich die Qualen ſolchen Miter-
lebens zu erſparen ſuchte, ſind uns rührende Zeugnisse von Zeitgenossen
erhalten. Im Glück und im Leid, im frohen Genuß von allem, was Natur
und Kunſt den beiden zu geben vermochte, und in Schillers eigenſter Art,
in der heroiſchen Überwindung äußerer Geschicke, ja ſchweren Leidens durch
innere Größe war ſie immer seines Wesens beruhigender Zuſammentlang.
An der inneren Entwicklung vom Dichter der Räuber zu dem der großen,
dem ganzen Volk gehörenden Schöpfungen hat Charlotte perſönlichſten An-
| teil. Der Entfaltung einer dichteriſchen Kräfte
erhalten, die Achtung verdienen. Dazu kam der
Vorzug eines geiſtig lebendigen Verkehrs im
Hauſe der Familie von Lengefeld, wie er selbſt in
der damaligen „eleganten“ Zeit und in ariſtokra-
tiſchen Kreiſen ſelten war. Durch die nahen Be-
ziehungen zu Frau von Stein, der das benach-
barte Schlößchen Kochberg gehörte, und anderen
Persönlichkeiten der Weimarer Geſellſchaft wie
bedeutenden Männern aus Jena und Erfurt kam
ein ungewöhnlich reges Leben in den Kreis dieser
Rudolſtädter Familien. Auch Goethe begegnete
Charlotte ſchon in ihrer Mädchenzeit und nahm
Anteil an ihrer Entwicklung.
So brachte alſo Charlotte, als die Liebe zu
Schiller in ihr Leben trat, an eigenem inner-
lichem Wert vielmehrmit, als die anderen Frauen
der berühmten Männer jener Zeit zu geben
hatten. Flüchtig war sie dem Dichter der Räuber
und des Fiesko in Mannheim begegnet, als Jie
mit ihrer Mutter und Schweſter von einjährigem
Aufenthalt in Vevey nach Deutſchland zurück-
kehrte und Grüße von der mütterlichen Freundin
Schillers, Frau von Wolzogen, überbrachte. Ent-
scheidenden Eindruck machte das anmutige und
gerade in seiner edlen Anspruchslosigkeit an-
ziehende Mädchen auf den von mancher leiden-
ſchaftlicheren Beziehung zu Frauen wieCharlotte
von Kalb oder Eliſabeth von Arnim unbefrie-
digten jugendlichen Dichter erſt, als er an einem
Dezembertag im Jahre 1787 mit ſeinem Freund
Wilhelm von Wolzogen zu einem Besuch in Ru-
dolſtadt einkehrte. Bei einem längeren Aufenthalt Charlottes in Weimar
vertiefte ſich die Neigung beider und wurde zur Gewißheit gegenseitiger
Unentbehrlichkeit in der ſchönen Erholungszeit, die Schiller in dem dicht
bei Rudolſtadt gelegenen Volksstedt zubrachte.
Wir haben ein koſtbares Zeugnis dieser reinen, von ungeſtümer Leiden-
ſchaftlichkeit freien und doch beide beseligenden Liebe in dem Briefwechſel
Charlottens mit Schiller von den erſten ſchüchternen Bekundungen an bis
zum Jahre 1804. Welcher Adel der Geſinnung, welche Tiefe und Abgerun-
detheit des Urteils in einer sorgfältig gepflegten Form des Ausdruckes !
Daß eine Persönlichkeit, wie ſie aus diesen Aufzeichnungen noch heut an-
ziehend zu uns ſpricht, dazu angetan war, am Weimarer Hof wie in dem
anspruchsvollen Kreise der geiſtigen Größen Schiller auch im geſellſchaft-
lichen Verkehr die ihm gebührende Stellung ſichern zu helfen, iſt ohne
weiteres einleuchtend.
Aber mehr als die Worte ſind die Taten. Was für eine reiche Erfüllung
hingebenden, edelſten Weibtums liegt zwiſchen jener Abendſtunde am
14. Februar 1790, da das junge Paar in aller Stille in dem noch heut
erhaltenen bescheidenen Kirchlein vonWenigenjena getraut wurde, und der
mondhellen Nacht am 9. Mai 1805, in der ein Häuflein Freunde Schillers
Sarg zur St. Jakobskirche trug und in die Gruft hinabſenkte. „Ein Unbe-
kannter nur, von eines weiten Mantels kühnem Schwung umweht, ſchritt
dieſer Bahre nach. Der Menſchheit Genius war's !" Es war keine geringe
Aufgabe, dieſem Großen in ſeinem Ringen und Reifen die allezeit mit
feinem Takt und innerſtem Einverſtändnis miterlebende Gefährtin zu ſein.
Charlotte von Schiller, geb. von Lengefeld
Zum hundertsten Todestag der Gattin Schillers
Nach einem Gemälde von Ludovike Simanowiz
war ihr verſtändnisvolles Eingehen und Mitemp-
finden förderlich. Die Idealität seiner Perſön-
lichkeit konnte nurgedeihen indemheilenden und
alles Edle beſtärkenden Einfluß einer Frauenſeele,
wie ſie Charlotte war. Ja wichtige Anregungen,
die ſeine wisſenschaftlichen Studien wie dein dra-
matiſches Schaffen beeinflußten, ſind von ihr aus-
gegangen. Und wie ehr sie in das Wesen ſeiner
einzigartigen Persönlichkeit eingedrungen war,
bezeugen unter anderem die „Fragmente über
Schiller“, die ſie ihren Kindern hinterließ. Einige
Zeilen daraus mögen als Probe genügen: „Es iſt
ebenſo unmöglich, Schillers Bild zu entwerfen,
als wie einen Naturgegenſtand, als das Meer und
den Rheinfall zu malen. Groß und ſchön wie ein
höheres Wesen stand er da; sein Herz, ſeine Liebe
umfing die Welt, die er erblickte; aber die Welt kam
seinem Geiſte nicht nahe. Sie erſchien ihm nur in
dem Spiegel seiner reinen Seele wieder. Er war
einfach und liebenswürdig in ſeiner Erſcheinung,
klug und bedeutend immer; kein fades Wortſprach
sein Mund aus. Seine Unterhaltung war immer
tief; er erſchuf alles inſeinem Gemütmitgrößerem
Reichtum, als es anderen erſcheinen kann. Jedes
Gespräch warbeinahe eine neue Schöpfung ſeines
Geiſtes. Man wurde emporgetragenüber die Welt
und die Dinge und kam Jich ſelbſt auf einem höhe-
ren Standpunkt ſtehend vor. Er war duldſam
gegen jede Geiſtesverirrung; nur Leerheit und
nichtige Anmaßung war ihm zuwider; jeder falſche
Anspruch war ihm zur Laſt, deswegen mag ihn
mancher Mensch anders gefunden haben, als er ihn erwartete, weil er
diesen Naturen unzugangbar war. Reine, vorurteilsfreie Naturen, die das,
was sie fühlten, rein ausſprachen, die mit Wahrheit und Innigkeit ihren
Zweck verfolgten, diese ehrte er, ſie mochten noch ſo entfernt ihm ſein, und
ſuchte mit Liebe und Teilnahme ihnen behilflich zu ſein. Es war als ſei er
allmächtig, und man fühlte, ſobald er mit dem Kummer des Gemüts be-
kannt ſei, ſo könnte sein kräftiger Geiſt auch Hilfe ſchaffen. Man hätte ihm
alles frei geſtehen können, ſelbſt ein Verbrechen."
Als Braut gab sie dem leidenschaftlich Umgetriebenen erſehnte Heimat
und innere Feſtigkeit, als Gattin verklärte ſie sein Leben und trug ſein
Leiden trotz eigener zarter Geſundheit mit dem heroiſchen Mut, der
aus tief verankerter Liebe und lauterſter Religiosität seine Kraft ſchöpfte,
und als sie mit vier unmündigen Kindern Witwe wurde, hat ſie ihr Lido
bezwungen und nur einem Gedanken gelebt, dem Fortwirken Schillerſchen
Geiſteserbes. Wenn in Schillers herrlichem Lied von der Glocke Würde und
unersſeßbarer Wert reinen treuen Frauentums, heilender und heiliger
Mütterlichkeit unvergänglich ſchön gekennzeichnet ſind, ſo verdanken wir
dies Charlotte von Schiller, die den Dichter erleben ließ, was er als Glück
zu preiſen nicht müde wurde. Was er war und immer wirkend ſein wird,
wäre ohne die Hilfe Charlottes nicht möglich geworden. Darum ſoll die
edle deutsche Frau, die am 9. Juli 1826 nach einundzwanzigjähriger Wit-
wenſchaft in Bonn ihrem großen Gatten in die Ewigkeit folgte, unv ergeſſen
bleiben wie er. Auch auf sie trifft zu, was Goethe von ihrem Mann be-
zeugte: „Das war ein rechter Menſch und ſo ſollte man auch ſein [
geboren war, das Leben Jich ab, doch der Oberforſtmeiſter von Lengefeld
hielt auf geiſtige Regsamkeit in ſeinem Haus und gab durch ſeinen Fleiß,
ſeine hohe, verinnerlichte Auffassung von der Natur und sein frohes Na-
turell allen das beſte Beiſpiel. Seine Gattin, die ſpäter von Schiller dankbar
verehrte „chere mèére“", ſtand an Gewissenhaftigkeit und ſchlichtfrommer
Art hinter ihrem Mann nicht zurück und gewann durch ihre Herzensgüte
und den Adel ihres Wesens die Beſten ihrer Zeit. In der schlichten, aber
wohlgepflegten Lebensführung dieſes Elternhauſes konnten ſich die Gaben
Charlottes wie die der um wenige Jahre älteren Schwester Karoline frei
entfalten. Damit nicht phantaſtiſche Neigungen über Gebühr Jich geltend
machen könnten, wurden auf Wunſch des Vaters häusliche Betätigung, und
vor allem täglich Leibesübungen, Reiten, Spielen, Wandern tatkräftig
gepflegt. Wenn auch keine höhere Schulbildung im heutigen Sinn, eine
treffliche Ausrüſtung fürs Leben erhielten die innig miteinander verbunde-
nen Schwestern doch in den harmlos glücklichen Mädchenjahren. Wohl war
Karoline die ſelbſtändigere, mit lebendigerer Phantasie begabte Natur, aber
ihr ſanguiniſches Weſen ließ Jie nie zu der ſchönen, auch andere beruhigen-
den Gleichmäßigkeit kommen, die Charlotte so liebenswert machte. So
gründlich wurden die Studien in der französiſchen und engliſchen Sprache
betrieben, daß Jſich die jungen Mädchen an den Literaturen beider Länder
zu erfreuen wußten. Aber auch vom Talent zum Landſchaftszeichnen und
poetiſcher Begabung Charlottes ſind uns Proben
Das Buch für Utl;
Heft 2s
Nur der Seelenadel dieser Frau, die nie verſagte, wenn er ihrer belebenden,
ja mitwirkenden Anteilnahme bedurfte, und ſtets ſtill zurücktrat, ſooft der
leicht Verletbare, Kränkelnde inſeinem Schaffenvor jeder Störuno bewahrt
bleiben mußte, war dazu imſtande. „Mir gab die Liebe Kraft zu ahnen und
zu verſtehen“, konnte die gute Lolo, wie sie Schiller zärtlich nannte, von
ſich ſelbſt ſagen. Mit der Ungewißheit, der finanziell ungesicherten Stellung
ihres Mannes als unbeſsoldeter Professor in der erſten Jenaer Zeit, ja mit
vielen drückenden Sorgen fand ſich Charlotte immer tapfer und prattiſch
ab. Als Schiller ſchon im erſten Jahre der Ehe von einem Lungenleiden hin-
gerafft zu werdendrohte, hat ihre rührende, aufopfernde Liebe ihn buchſtäb-
lich dem Tod entriſsen. Von der unermüdlich treuen Pflege, mit derJie ihren
oft unter den heftigſten Bruſtkrämpfen und furchtbarer Ermattung ſchwer
leidenden, oft hypochondriſchen Gatten umgab, aber auch von dem Zartſinn
Schillers, der ſeiner Lotte soviel als möglich die Qualen ſolchen Miter-
lebens zu erſparen ſuchte, ſind uns rührende Zeugnisse von Zeitgenossen
erhalten. Im Glück und im Leid, im frohen Genuß von allem, was Natur
und Kunſt den beiden zu geben vermochte, und in Schillers eigenſter Art,
in der heroiſchen Überwindung äußerer Geschicke, ja ſchweren Leidens durch
innere Größe war ſie immer seines Wesens beruhigender Zuſammentlang.
An der inneren Entwicklung vom Dichter der Räuber zu dem der großen,
dem ganzen Volk gehörenden Schöpfungen hat Charlotte perſönlichſten An-
| teil. Der Entfaltung einer dichteriſchen Kräfte
erhalten, die Achtung verdienen. Dazu kam der
Vorzug eines geiſtig lebendigen Verkehrs im
Hauſe der Familie von Lengefeld, wie er selbſt in
der damaligen „eleganten“ Zeit und in ariſtokra-
tiſchen Kreiſen ſelten war. Durch die nahen Be-
ziehungen zu Frau von Stein, der das benach-
barte Schlößchen Kochberg gehörte, und anderen
Persönlichkeiten der Weimarer Geſellſchaft wie
bedeutenden Männern aus Jena und Erfurt kam
ein ungewöhnlich reges Leben in den Kreis dieser
Rudolſtädter Familien. Auch Goethe begegnete
Charlotte ſchon in ihrer Mädchenzeit und nahm
Anteil an ihrer Entwicklung.
So brachte alſo Charlotte, als die Liebe zu
Schiller in ihr Leben trat, an eigenem inner-
lichem Wert vielmehrmit, als die anderen Frauen
der berühmten Männer jener Zeit zu geben
hatten. Flüchtig war sie dem Dichter der Räuber
und des Fiesko in Mannheim begegnet, als Jie
mit ihrer Mutter und Schweſter von einjährigem
Aufenthalt in Vevey nach Deutſchland zurück-
kehrte und Grüße von der mütterlichen Freundin
Schillers, Frau von Wolzogen, überbrachte. Ent-
scheidenden Eindruck machte das anmutige und
gerade in seiner edlen Anspruchslosigkeit an-
ziehende Mädchen auf den von mancher leiden-
ſchaftlicheren Beziehung zu Frauen wieCharlotte
von Kalb oder Eliſabeth von Arnim unbefrie-
digten jugendlichen Dichter erſt, als er an einem
Dezembertag im Jahre 1787 mit ſeinem Freund
Wilhelm von Wolzogen zu einem Besuch in Ru-
dolſtadt einkehrte. Bei einem längeren Aufenthalt Charlottes in Weimar
vertiefte ſich die Neigung beider und wurde zur Gewißheit gegenseitiger
Unentbehrlichkeit in der ſchönen Erholungszeit, die Schiller in dem dicht
bei Rudolſtadt gelegenen Volksstedt zubrachte.
Wir haben ein koſtbares Zeugnis dieser reinen, von ungeſtümer Leiden-
ſchaftlichkeit freien und doch beide beseligenden Liebe in dem Briefwechſel
Charlottens mit Schiller von den erſten ſchüchternen Bekundungen an bis
zum Jahre 1804. Welcher Adel der Geſinnung, welche Tiefe und Abgerun-
detheit des Urteils in einer sorgfältig gepflegten Form des Ausdruckes !
Daß eine Persönlichkeit, wie ſie aus diesen Aufzeichnungen noch heut an-
ziehend zu uns ſpricht, dazu angetan war, am Weimarer Hof wie in dem
anspruchsvollen Kreise der geiſtigen Größen Schiller auch im geſellſchaft-
lichen Verkehr die ihm gebührende Stellung ſichern zu helfen, iſt ohne
weiteres einleuchtend.
Aber mehr als die Worte ſind die Taten. Was für eine reiche Erfüllung
hingebenden, edelſten Weibtums liegt zwiſchen jener Abendſtunde am
14. Februar 1790, da das junge Paar in aller Stille in dem noch heut
erhaltenen bescheidenen Kirchlein vonWenigenjena getraut wurde, und der
mondhellen Nacht am 9. Mai 1805, in der ein Häuflein Freunde Schillers
Sarg zur St. Jakobskirche trug und in die Gruft hinabſenkte. „Ein Unbe-
kannter nur, von eines weiten Mantels kühnem Schwung umweht, ſchritt
dieſer Bahre nach. Der Menſchheit Genius war's !" Es war keine geringe
Aufgabe, dieſem Großen in ſeinem Ringen und Reifen die allezeit mit
feinem Takt und innerſtem Einverſtändnis miterlebende Gefährtin zu ſein.
Charlotte von Schiller, geb. von Lengefeld
Zum hundertsten Todestag der Gattin Schillers
Nach einem Gemälde von Ludovike Simanowiz
war ihr verſtändnisvolles Eingehen und Mitemp-
finden förderlich. Die Idealität seiner Perſön-
lichkeit konnte nurgedeihen indemheilenden und
alles Edle beſtärkenden Einfluß einer Frauenſeele,
wie ſie Charlotte war. Ja wichtige Anregungen,
die ſeine wisſenschaftlichen Studien wie dein dra-
matiſches Schaffen beeinflußten, ſind von ihr aus-
gegangen. Und wie ehr sie in das Wesen ſeiner
einzigartigen Persönlichkeit eingedrungen war,
bezeugen unter anderem die „Fragmente über
Schiller“, die ſie ihren Kindern hinterließ. Einige
Zeilen daraus mögen als Probe genügen: „Es iſt
ebenſo unmöglich, Schillers Bild zu entwerfen,
als wie einen Naturgegenſtand, als das Meer und
den Rheinfall zu malen. Groß und ſchön wie ein
höheres Wesen stand er da; sein Herz, ſeine Liebe
umfing die Welt, die er erblickte; aber die Welt kam
seinem Geiſte nicht nahe. Sie erſchien ihm nur in
dem Spiegel seiner reinen Seele wieder. Er war
einfach und liebenswürdig in ſeiner Erſcheinung,
klug und bedeutend immer; kein fades Wortſprach
sein Mund aus. Seine Unterhaltung war immer
tief; er erſchuf alles inſeinem Gemütmitgrößerem
Reichtum, als es anderen erſcheinen kann. Jedes
Gespräch warbeinahe eine neue Schöpfung ſeines
Geiſtes. Man wurde emporgetragenüber die Welt
und die Dinge und kam Jich ſelbſt auf einem höhe-
ren Standpunkt ſtehend vor. Er war duldſam
gegen jede Geiſtesverirrung; nur Leerheit und
nichtige Anmaßung war ihm zuwider; jeder falſche
Anspruch war ihm zur Laſt, deswegen mag ihn
mancher Mensch anders gefunden haben, als er ihn erwartete, weil er
diesen Naturen unzugangbar war. Reine, vorurteilsfreie Naturen, die das,
was sie fühlten, rein ausſprachen, die mit Wahrheit und Innigkeit ihren
Zweck verfolgten, diese ehrte er, ſie mochten noch ſo entfernt ihm ſein, und
ſuchte mit Liebe und Teilnahme ihnen behilflich zu ſein. Es war als ſei er
allmächtig, und man fühlte, ſobald er mit dem Kummer des Gemüts be-
kannt ſei, ſo könnte sein kräftiger Geiſt auch Hilfe ſchaffen. Man hätte ihm
alles frei geſtehen können, ſelbſt ein Verbrechen."
Als Braut gab sie dem leidenschaftlich Umgetriebenen erſehnte Heimat
und innere Feſtigkeit, als Gattin verklärte ſie sein Leben und trug ſein
Leiden trotz eigener zarter Geſundheit mit dem heroiſchen Mut, der
aus tief verankerter Liebe und lauterſter Religiosität seine Kraft ſchöpfte,
und als sie mit vier unmündigen Kindern Witwe wurde, hat ſie ihr Lido
bezwungen und nur einem Gedanken gelebt, dem Fortwirken Schillerſchen
Geiſteserbes. Wenn in Schillers herrlichem Lied von der Glocke Würde und
unersſeßbarer Wert reinen treuen Frauentums, heilender und heiliger
Mütterlichkeit unvergänglich ſchön gekennzeichnet ſind, ſo verdanken wir
dies Charlotte von Schiller, die den Dichter erleben ließ, was er als Glück
zu preiſen nicht müde wurde. Was er war und immer wirkend ſein wird,
wäre ohne die Hilfe Charlottes nicht möglich geworden. Darum ſoll die
edle deutsche Frau, die am 9. Juli 1826 nach einundzwanzigjähriger Wit-
wenſchaft in Bonn ihrem großen Gatten in die Ewigkeit folgte, unv ergeſſen
bleiben wie er. Auch auf sie trifft zu, was Goethe von ihrem Mann be-
zeugte: „Das war ein rechter Menſch und ſo ſollte man auch ſein [