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er den Wagen zum Hoſftor hinauslenkte. Ach, er hätte lieber
alles andere getan als das!! Er hatte einen Zorn auf den Pächter,
daß er ihn dazu erleſen hatte. Und Jie ſagten alle, ob der Graf
nicht etwas anderes hätte nehmen können. Vielleicht die Bank vor
der Haustür oder ein paar alte Schränke, oder es konnte ſogar
eine Kuh oder ein paar Schweine ſein. Nur nicht gerade die
Kommode von ihrer jungen Frau.
Aber freilich, er wollte zu ſeinem Pachtzins kommen, und die
Viehwirtschaft durfte nicht geſchädigt werden. Sie haben Jo viel
drüber hin und her geſprochen, und Tränen ſind gefloſſen im
ganzen Dorf, so haben Jie mitgefühlt, was auf dem Hofe vorging.
Unter solcher Not und Sorge iſt die kleine Albertine damals
aufgewachsen. Die älteſten Leute ſagten, Jie ſähen Jie noch, wie
ſie herumlief, im hausgewebten Kleidchen, immer einen Riß drin
und ein Loch in der Schürze, wild wie ein Junge, auf allen
Pferden und über alle
Zäune weg, wilderalseder. [ſ[IòI…i
kleine Bruder, aber wo sie |
ins Haus. kam, wenn ihr |
die Lappen herunterhin-
gen, da konnte Jie mit der
kleinen Schnute so ſchön
bitten: „Neih mi dat wed-
der feſt, dat Mutting dat
nich gewohr würd !“ Da
hat ihr jede Frau den
Schaden flink gebessert,
und sie war so recht das
Herzenskind vom ganzen
Dorf.
Dann iſt ſie von Jahr
zu Jahr gewachsen, nicht
nur an Größe, auch in
Blüte und Schönheit hin-
ein. Die Armut und die
ſchwere Arbeit und das
karge Brothabenihrnitee .
anhaben können. In si- ,,
derdiekt iſt nicht einer ge-
wesen, dernichtgeſsagthat:
unſ’ Tining is de ſchönſte
Diern in't ganze Land.
Wiesie eingeſegnetwurdt_e_„VeIJzvl;.—
haben die Väterunn MG. EuI[, l
ter nicht nach ihren eige-
nen gesehen, ſondern nach G
Pächter Brant ſe inen i- >
ning. „As [n lütt Prin-
zeſſin lett ehr dat,“ sagten
ſie. Der Paſtor aber hat
ihr einen ſchweren Spruch
gegeben, da meinten Jie,
der paßte ja gar nicht, da
hätte er ſich wohl vergrif-
fen. Das war der Spruch von dem Schäheſammeln und den
Motten und dem Roſt. Sie haben es ihm alle damals übelge-
nommen, daßz er ſolchen ſchlechten Spruch ausgeſucht hatte. Der
Paſtor iſt längst tot. Sein Hügel iſt eingesſunken wie der von den
alten Brants. Jetzt zupft manchmal ein altes Mütterchen oder
eine junge Frau vor ihrem erſten Kirchgang die welken Blätter
davon heraus und denkt dabei, wie wunderbar manches iſt, und
wie alte Sprüche, die man vor fünfzig Jahren verachtete, lebend
werden und zu ihrem Rechte kommen.
Albertine wurde ſchöner von Jahr zu Jahr, und dann kamen
die Freier auf den Hof. Es waren brave Jungens, die fragten
nichts danach, daſz ſie nichts mitzubringen hatte, nicht einmal eine
funkelneue Kommode, die wollten nur Jie und Jie ganz allein.
Unterdes war auch ihr Brüderchen, das Rudolf hieß, groß und
Aus unserer Lichtbildermappe:
ſtark geworden. Es war nicht ſo ſchön und ſo voller Leben glühend
und blühend, eher ſtill wie der Vater,einfach und ſchlicht und treu
Plauderecke an einem weſtfäliſchen Kamin
Nach einer künsſtleriſchen Aufnahme von Fr. Sauerländer in Münſter i. W.
von Herzen wie lauteres Gold. Deſſen Freund war der Fritz
Lehnhardt, ein rechtſchaffener junger Landmann, der dachte an
die ſchöne Schwester seines Freundes bei Tag und Nacht und
wäre für Jie geſtorben, wenn ihr das etwas eingebracht hätte.
Rudolf konnte sich nichts Schöneres auf der Welt denken, als
daß die beiden Jich heirateten, und er lag ſeiner Schwester damit
in den Ohren. Sie aber war noch wie ein Kind, sie ſpielte mit
dieſen Dingen wie mit blizenden Messern, ohne darauf achtzu-
geben, ob sie auch ſtechen und verwunden könnten.
Nicht nur der Freier und der Bruder, auch die Eltern wurden
ſchon ungeduldig, als sich das Spiel gar nicht in Ernſt kehren
wollte. Vater und Mutter erſehnten es, daß ihre junge Tochter
geborgen und wohl aufgehoben ſei, ehe ſie ſelber davon mußten,
und konnten ſich keinen beſſeren Mann als den Freund ihres
Sohnes für sie wünſchen. Schon gewann es auch den Anſchein,
t als ob ihr kindiſch flattri-
ges Herz ſtiller und feſter
würde und anfinge, ſich
dem treuen Bewerber zu-
zuneigen. Es mußte aber
wohl in den Stlernen
ſtehen, daß hier das große
Unheilseinen Anfangneh-
men Jollte.
In dieser Zeit hatte der
. Vater einen entſcheiden-
den Schrittgetan. Erhatte
Gutesinanhaltender, ent-
behrungsreicher Arbeitdie
Pachtſummeabgelöſtund,
zwar mit Hypotheken be-
laſtet, aber doch als Eigen-
tum, das Gut erworben.
Die Sorgen hörten damit
nicht auf, doch war er jetzt
Herr auf eigener Scholle.
îErlines Abends, auf einem
=| derländlichenWinterbälle,
. tauchte einneuer Verehrer
von Albertine auf. Der
unterſchied Jſich von allen
z anderen, warvon Adelund
| hatte ſtatt der Treuherzige
| keit der anderen einen
| weltmänniſchen Schliff,
| wiemanihn in Söderdiek
noch nie geſehen hatte.
Von dem Augenblick an
war Albertine wie verzau-
bert. Sie dachte an keinen
andern mehr. Wie Bettel-
buben waren Jie ihr, nun
ein Fürſt des Weges kam.
Rudolf tröstete ſeinen Freund ersſt noch. Dies ſei ein kurzer
Rauſch von seiner Schwester, der bald vorüber ſein werde. Er
selber war von der glänzenden Erſcheinung nicht geblendet, emp-
fand vom erſten Augenblick eher etwas wie Mißtrauen und beinah
Haß gegen den Fremden. Das lag nicht an tiefer Menſchenkennt-
nis bei ihm, sondern war die natürliche Abwehr einer biederen
und etwas plumpen Landmannsnatur gegen das Ungewohnte
und Überlegene eines Weltmannes. Er hätte ſich mit dieſer Ab-
lehnung ebenso täuſchen können. Dagß er ſich nicht täuſchte, gab
ihmſspäterrecht, aber es half niemandenindieſemverlorenen Spiel.
Die junge Albertine war wie vertauſcht. Hatten die Eltern
früher mit ihr gezürnt, daß Jie die Liebe noch nicht ernſt nehmen
konnte, ſie als ein Spiel betrachtete und ihre wahre Bedeutung
nicht erfaßte, ſo erſchraken sie jetzt vor der ſichtbaren Gewalt, mit
der dies neue Gefühl in ihr erwachte. Sie wurde unfähig zur
Arbeit oder zu irgend einem Geſpräch. Wie im Traum ging Jie
| aus den Erträgniſſen des
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er den Wagen zum Hoſftor hinauslenkte. Ach, er hätte lieber
alles andere getan als das!! Er hatte einen Zorn auf den Pächter,
daß er ihn dazu erleſen hatte. Und Jie ſagten alle, ob der Graf
nicht etwas anderes hätte nehmen können. Vielleicht die Bank vor
der Haustür oder ein paar alte Schränke, oder es konnte ſogar
eine Kuh oder ein paar Schweine ſein. Nur nicht gerade die
Kommode von ihrer jungen Frau.
Aber freilich, er wollte zu ſeinem Pachtzins kommen, und die
Viehwirtschaft durfte nicht geſchädigt werden. Sie haben Jo viel
drüber hin und her geſprochen, und Tränen ſind gefloſſen im
ganzen Dorf, so haben Jie mitgefühlt, was auf dem Hofe vorging.
Unter solcher Not und Sorge iſt die kleine Albertine damals
aufgewachsen. Die älteſten Leute ſagten, Jie ſähen Jie noch, wie
ſie herumlief, im hausgewebten Kleidchen, immer einen Riß drin
und ein Loch in der Schürze, wild wie ein Junge, auf allen
Pferden und über alle
Zäune weg, wilderalseder. [ſ[IòI…i
kleine Bruder, aber wo sie |
ins Haus. kam, wenn ihr |
die Lappen herunterhin-
gen, da konnte Jie mit der
kleinen Schnute so ſchön
bitten: „Neih mi dat wed-
der feſt, dat Mutting dat
nich gewohr würd !“ Da
hat ihr jede Frau den
Schaden flink gebessert,
und sie war so recht das
Herzenskind vom ganzen
Dorf.
Dann iſt ſie von Jahr
zu Jahr gewachsen, nicht
nur an Größe, auch in
Blüte und Schönheit hin-
ein. Die Armut und die
ſchwere Arbeit und das
karge Brothabenihrnitee .
anhaben können. In si- ,,
derdiekt iſt nicht einer ge-
wesen, dernichtgeſsagthat:
unſ’ Tining is de ſchönſte
Diern in't ganze Land.
Wiesie eingeſegnetwurdt_e_„VeIJzvl;.—
haben die Väterunn MG. EuI[, l
ter nicht nach ihren eige-
nen gesehen, ſondern nach G
Pächter Brant ſe inen i- >
ning. „As [n lütt Prin-
zeſſin lett ehr dat,“ sagten
ſie. Der Paſtor aber hat
ihr einen ſchweren Spruch
gegeben, da meinten Jie,
der paßte ja gar nicht, da
hätte er ſich wohl vergrif-
fen. Das war der Spruch von dem Schäheſammeln und den
Motten und dem Roſt. Sie haben es ihm alle damals übelge-
nommen, daßz er ſolchen ſchlechten Spruch ausgeſucht hatte. Der
Paſtor iſt längst tot. Sein Hügel iſt eingesſunken wie der von den
alten Brants. Jetzt zupft manchmal ein altes Mütterchen oder
eine junge Frau vor ihrem erſten Kirchgang die welken Blätter
davon heraus und denkt dabei, wie wunderbar manches iſt, und
wie alte Sprüche, die man vor fünfzig Jahren verachtete, lebend
werden und zu ihrem Rechte kommen.
Albertine wurde ſchöner von Jahr zu Jahr, und dann kamen
die Freier auf den Hof. Es waren brave Jungens, die fragten
nichts danach, daſz ſie nichts mitzubringen hatte, nicht einmal eine
funkelneue Kommode, die wollten nur Jie und Jie ganz allein.
Unterdes war auch ihr Brüderchen, das Rudolf hieß, groß und
Aus unserer Lichtbildermappe:
ſtark geworden. Es war nicht ſo ſchön und ſo voller Leben glühend
und blühend, eher ſtill wie der Vater,einfach und ſchlicht und treu
Plauderecke an einem weſtfäliſchen Kamin
Nach einer künsſtleriſchen Aufnahme von Fr. Sauerländer in Münſter i. W.
von Herzen wie lauteres Gold. Deſſen Freund war der Fritz
Lehnhardt, ein rechtſchaffener junger Landmann, der dachte an
die ſchöne Schwester seines Freundes bei Tag und Nacht und
wäre für Jie geſtorben, wenn ihr das etwas eingebracht hätte.
Rudolf konnte sich nichts Schöneres auf der Welt denken, als
daß die beiden Jich heirateten, und er lag ſeiner Schwester damit
in den Ohren. Sie aber war noch wie ein Kind, sie ſpielte mit
dieſen Dingen wie mit blizenden Messern, ohne darauf achtzu-
geben, ob sie auch ſtechen und verwunden könnten.
Nicht nur der Freier und der Bruder, auch die Eltern wurden
ſchon ungeduldig, als sich das Spiel gar nicht in Ernſt kehren
wollte. Vater und Mutter erſehnten es, daß ihre junge Tochter
geborgen und wohl aufgehoben ſei, ehe ſie ſelber davon mußten,
und konnten ſich keinen beſſeren Mann als den Freund ihres
Sohnes für sie wünſchen. Schon gewann es auch den Anſchein,
t als ob ihr kindiſch flattri-
ges Herz ſtiller und feſter
würde und anfinge, ſich
dem treuen Bewerber zu-
zuneigen. Es mußte aber
wohl in den Stlernen
ſtehen, daß hier das große
Unheilseinen Anfangneh-
men Jollte.
In dieser Zeit hatte der
. Vater einen entſcheiden-
den Schrittgetan. Erhatte
Gutesinanhaltender, ent-
behrungsreicher Arbeitdie
Pachtſummeabgelöſtund,
zwar mit Hypotheken be-
laſtet, aber doch als Eigen-
tum, das Gut erworben.
Die Sorgen hörten damit
nicht auf, doch war er jetzt
Herr auf eigener Scholle.
îErlines Abends, auf einem
=| derländlichenWinterbälle,
. tauchte einneuer Verehrer
von Albertine auf. Der
unterſchied Jſich von allen
z anderen, warvon Adelund
| hatte ſtatt der Treuherzige
| keit der anderen einen
| weltmänniſchen Schliff,
| wiemanihn in Söderdiek
noch nie geſehen hatte.
Von dem Augenblick an
war Albertine wie verzau-
bert. Sie dachte an keinen
andern mehr. Wie Bettel-
buben waren Jie ihr, nun
ein Fürſt des Weges kam.
Rudolf tröstete ſeinen Freund ersſt noch. Dies ſei ein kurzer
Rauſch von seiner Schwester, der bald vorüber ſein werde. Er
selber war von der glänzenden Erſcheinung nicht geblendet, emp-
fand vom erſten Augenblick eher etwas wie Mißtrauen und beinah
Haß gegen den Fremden. Das lag nicht an tiefer Menſchenkennt-
nis bei ihm, sondern war die natürliche Abwehr einer biederen
und etwas plumpen Landmannsnatur gegen das Ungewohnte
und Überlegene eines Weltmannes. Er hätte ſich mit dieſer Ab-
lehnung ebenso täuſchen können. Dagß er ſich nicht täuſchte, gab
ihmſspäterrecht, aber es half niemandenindieſemverlorenen Spiel.
Die junge Albertine war wie vertauſcht. Hatten die Eltern
früher mit ihr gezürnt, daß Jie die Liebe noch nicht ernſt nehmen
konnte, ſie als ein Spiel betrachtete und ihre wahre Bedeutung
nicht erfaßte, ſo erſchraken sie jetzt vor der ſichtbaren Gewalt, mit
der dies neue Gefühl in ihr erwachte. Sie wurde unfähig zur
Arbeit oder zu irgend einem Geſpräch. Wie im Traum ging Jie
| aus den Erträgniſſen des