Heft 23 -
Das Vuch für Alle
Das Vorſpiel / Nach einem Gemälde von Ernst Oppler
nicks in as de Summ:, gor nicks von Seligkeit un Seele, un nich
mol '’n Krüz wier dorbi malt. Dat wier 'n ganzen richtigen un
rendlichen Geschäft. Nee, wieder wier dat nicks."
Dem alten Willem Koß glaubte jeder. Wenn das Geld nun in
ſeiner Hand Geld blieb und er sich wieder herauswirtſchaftete,
dann wollte man schon glauben, daß an dem Geld nichts hacken
blieb. Dann konnte man ich am Ende noch ſelber da was holen.
. B
Im Lauf des nächſten Jahres ſaß das halbe Dorf beim Fräulein
in der Kreide. Jetzt lief ſchon jeder hin, den es irgendwo zwickte.
Nachher saßen sie im Krug und lachten über die da oben. Das
Geld hatte man von ihr, wie sie es wiederkriegen wollte, sollte
ihre Sache ſein. Dabei wurde mancher zum Taugenichts, der bis
her ein ordentlicher Mensch gewesen war.
Sie glaubten bald alle, daß das Fräulein nicht richtig im Kopfe
sei. Wenn die Zinstermine herankamen und einigen doch eine
Unruhe im Geblüt ſaß, andere auch bereits die Zinſen beiſammen
hatten, um Jie richtig abzuliefern, ließ die Gläubigerin alle Ter-
mine vorübergehen, ſchickte keine Mahnung und sagte kein Wort.
Einige waren darunter, die das Geld ordnungsgemäß am feſt-
gesetzten Tage ins Gutshaus brachten. Die erzählten dann, das
Fräulein habe vor einem großen Buch mit Zahlen geseſſen, habe
ſie kaum angeblickt, das Geld genommen, eine Quittung ge-
ſchrieben und in ihr Buch etwas eingetragen.
Als der Zeitpunkt kam, an dem Willem Koß seine ganze
Schuld, der Abmachung nach, wieder zurückzahlen sollte, hatte er
23, 1926
Kunstverlag Guſtav Zehrfeldt A.-G. in Leipzig
wirklich das Geld dafür beiſammen. Das Geliehene war ihm zum
Rettungsanker geworden. Er hatte ſich herauswirtſchaften können
und war jetzt imſtande, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
Am Abend vor dem großen Tage, auf den er manchmal mit
Sorgengesehenhatte, zeigte erseiner Fraudas Geld, das er ineinem
Beutel um den Hals trug. Sie ſtaunte über alle die blanken Taler
und sagte dann mit einem Seufzer: „Ach Willem, wenn wi dat
doch bihollen künn! Dat deiht uns so grot nödig. Ick harr mi all
lang so'n niegen blu Kleed wünſcht as den Schulzen ſien Fru
eins hett, oh, wo heff ick mi dat all wünſcht, nich Joahre lang, ne,
Joahredee! Un för unſ’ Minna köpen wi dann ook gliekt de
Utsſtüer, ſo as 'n jung Mäten dat hüttodag hebben möt. Ach Wil-
lem, kahnsſt du Fräulein nich 'n annermal utbetahlen?"
Da fuhr der Bauer auf, solch Reden Jolle ſie unterwegs lassen,
das Geld sei nicht ſein. So was dürfe man nicht einmal denken.
Aber ihre Reden glimmten noch wie ein Feuerſunke inihm weiter.
In ſchweren Kämpfen entschloß er sich, das Geld nicht anzu-
taſten, aber mit der Abgabe zu warten, bis das Fräulein danach
ſchicken werde. Als am Abend kein Bote vom Fräulein dagewesen
war, war etwas in ihm ſchon verändert. Aber troßdemhielt er noch
mehrere Tage an seiner Ahsicht feſt. Dann, an einem Mittag, als
die Sonne ſchien, er satt gegeſſen hatte und in fröhlicher Stim-
mung war, holte er ein paar Taler heraus und gab ſie ſeiner
Frau, um Jich ein blaues Kleid zu kaufen.
Als zwei Wochen herum waren, war von dem Gelde faſt nichts
mehr da, dagegen die Aussteuer gekauft, und alle Verbesserungen
in der Wiriſchaft waren gemacht.
(Fortſetzung folgt)
Das Vuch für Alle
Das Vorſpiel / Nach einem Gemälde von Ernst Oppler
nicks in as de Summ:, gor nicks von Seligkeit un Seele, un nich
mol '’n Krüz wier dorbi malt. Dat wier 'n ganzen richtigen un
rendlichen Geschäft. Nee, wieder wier dat nicks."
Dem alten Willem Koß glaubte jeder. Wenn das Geld nun in
ſeiner Hand Geld blieb und er sich wieder herauswirtſchaftete,
dann wollte man schon glauben, daß an dem Geld nichts hacken
blieb. Dann konnte man ich am Ende noch ſelber da was holen.
. B
Im Lauf des nächſten Jahres ſaß das halbe Dorf beim Fräulein
in der Kreide. Jetzt lief ſchon jeder hin, den es irgendwo zwickte.
Nachher saßen sie im Krug und lachten über die da oben. Das
Geld hatte man von ihr, wie sie es wiederkriegen wollte, sollte
ihre Sache ſein. Dabei wurde mancher zum Taugenichts, der bis
her ein ordentlicher Mensch gewesen war.
Sie glaubten bald alle, daß das Fräulein nicht richtig im Kopfe
sei. Wenn die Zinstermine herankamen und einigen doch eine
Unruhe im Geblüt ſaß, andere auch bereits die Zinſen beiſammen
hatten, um Jie richtig abzuliefern, ließ die Gläubigerin alle Ter-
mine vorübergehen, ſchickte keine Mahnung und sagte kein Wort.
Einige waren darunter, die das Geld ordnungsgemäß am feſt-
gesetzten Tage ins Gutshaus brachten. Die erzählten dann, das
Fräulein habe vor einem großen Buch mit Zahlen geseſſen, habe
ſie kaum angeblickt, das Geld genommen, eine Quittung ge-
ſchrieben und in ihr Buch etwas eingetragen.
Als der Zeitpunkt kam, an dem Willem Koß seine ganze
Schuld, der Abmachung nach, wieder zurückzahlen sollte, hatte er
23, 1926
Kunstverlag Guſtav Zehrfeldt A.-G. in Leipzig
wirklich das Geld dafür beiſammen. Das Geliehene war ihm zum
Rettungsanker geworden. Er hatte ſich herauswirtſchaften können
und war jetzt imſtande, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
Am Abend vor dem großen Tage, auf den er manchmal mit
Sorgengesehenhatte, zeigte erseiner Fraudas Geld, das er ineinem
Beutel um den Hals trug. Sie ſtaunte über alle die blanken Taler
und sagte dann mit einem Seufzer: „Ach Willem, wenn wi dat
doch bihollen künn! Dat deiht uns so grot nödig. Ick harr mi all
lang so'n niegen blu Kleed wünſcht as den Schulzen ſien Fru
eins hett, oh, wo heff ick mi dat all wünſcht, nich Joahre lang, ne,
Joahredee! Un för unſ’ Minna köpen wi dann ook gliekt de
Utsſtüer, ſo as 'n jung Mäten dat hüttodag hebben möt. Ach Wil-
lem, kahnsſt du Fräulein nich 'n annermal utbetahlen?"
Da fuhr der Bauer auf, solch Reden Jolle ſie unterwegs lassen,
das Geld sei nicht ſein. So was dürfe man nicht einmal denken.
Aber ihre Reden glimmten noch wie ein Feuerſunke inihm weiter.
In ſchweren Kämpfen entschloß er sich, das Geld nicht anzu-
taſten, aber mit der Abgabe zu warten, bis das Fräulein danach
ſchicken werde. Als am Abend kein Bote vom Fräulein dagewesen
war, war etwas in ihm ſchon verändert. Aber troßdemhielt er noch
mehrere Tage an seiner Ahsicht feſt. Dann, an einem Mittag, als
die Sonne ſchien, er satt gegeſſen hatte und in fröhlicher Stim-
mung war, holte er ein paar Taler heraus und gab ſie ſeiner
Frau, um Jich ein blaues Kleid zu kaufen.
Als zwei Wochen herum waren, war von dem Gelde faſt nichts
mehr da, dagegen die Aussteuer gekauft, und alle Verbesserungen
in der Wiriſchaft waren gemacht.
(Fortſetzung folgt)