Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Heft 23 D a s B u ch

f ür Alle Z43



übergeben, den Hof, glei ſchmeiß i den Knecht außa, den faulen
Hund, und d’ Stalldirn, dö Schlampen, dö lumpige . . . morgen
ſcho könntſt die rechte Ordnung halten, Reserl, und i hätt mei Ruah
im Austrag, wann ." wild ſtieß sein Langschädel aus der Wolke
~ „Kreuzhimmelsoakra, warum heiratſt denn net, Dirndl?Ü"

Die Theres drehte an ihrem Schürzenband. Sie dachte an
den immer Nahen, an seinen fernen Kuß, wurde rot und ſchwieg.

„Haſt eppa ſcho an?" forſchte der alte Kaunz und vergaß ganz
seine Pfeife. Der Rauch zerging, und die Sonnenſtäubchen tanzten.
Schmunzeln rundete die harten Falten ſeines Gesichtes.

Da schlug die Theres die Hände vor das Gesicht und weinte.

„Da ſchaugſt," sagte der Kaunz Sepp verständnisvoll, stand auf,
holte eine Flaſche und Gläser vom Spind, ,da ſchaugst ... und
wer is er denn nachher?"

Die Theres ſchluchzte. Der Alte Jog an seiner Pfeife. Sie war
ausgegangen. Er rieb ein Schwefelholz an der Hoe an, drehte es,
betrachtete das bläuliche Flämmchen, wartete, bis es ſich gelb
verfärbte, ſteckte es in den Pfeifenkopf, paffte Nebel um ſich. ,, Da
ſchaugst," wiederholte er teilnehmend, aber verständnislos. Und
weil ihm bange wurde vor dem weinenden Mädel, hob er dein
Glas aus dem Qualm und ſcherzte: „Trink, Reſerl! Kirſchſchnaps
is's Beſte für a jungs Herz, wann's trauri is. Sein’ Gſundheit !“

Die Theres griff ſchnell nach dem Glase. „Dös woll,“ sagte Jie
und lächelte unter Tränen. Und nippte.

Wieder stieß der Kopf des alten Kaunz aus dem Qualm. „No
alſo! Zwegen was haſt mi g'ſchreckt, Dirndl?“

Die Theres erhob ſich jäh. „Dumm bin i, ſündhaft und ver-

meſſen,“" ſtieß ſie hervor, „helf mir der liebe Gott." Und ſchritt
aus ber niederen Stube, Uehiickt.

Der alte Kaunz sog an der wieder kalten Pfeife. Er vergaß,
ſie anzuzünden, schüttelte den Kopf, saß lang. „Da ſchaugst .

Und wuztte nicht recht, solle er ſich freuen oder ärgern. Schließlich
aber freute er ſich doch, denn Fo ſinnierte er: „D' Hauptſach is,
a ganzer Mann ſteckt dahinter.

Die Theres ging durch Alm und Wald nach Hause. Kuhglocken
bimmelten ihr: Dumm biſt! Dumm biſt! Finkenſchlag höhnte
ſie: Sündhafte du! Weiße
Bergnarziſſenund blauer En-
zian nickten: Helf dir Gott!

Da biickte sie ſich und
pflückte von beiden. Band
einen großen Buſchen, tat
grüne Farne hinzu und
dachte: Für den Heiland im
Zimmer der ſeligen Frau
Gräfin . . . daß er mir hilft.
Sie eilte talab, ſchlüpfte ins
Schloß, huſchte durch Halle
und Speiseſaal. Die Tür zu
Häußenpergs Zimmer war
nur angelehnt, niemand dar-
in. Sie lief dem Gektreuzig-
ten in der Niſche entgegen,
ſtreckte die Arme nach ihm,
bot die Blumen. Sankt inden
Schemel und bat: „Lieber
Gott!“ Und tat in die zwei .
Worte all ihre Pein. Aus
ihrem Herzen brach singen-
der Quell: „Lieber Golt.. .“
Die Theres fand keine an-
deren Worte. Sie faltete die
Hände, rang sie dem Hei-
land entgegen, mit Engels-
zungen bettelte ihr Mund:
„Lieber Gott!"

Siemerktenicht, daß Hans
Häußenpergeingetretenwar,
hörte nicht ſein Kommen,
taub im Gebet. Sie ſah den





Aus unserer Lichtbildermappe: Der Roſengarten in ten Dolomiten
Nach einer künsſtleriſchen Aufnahme von Georg Neumann in Munchen

Herrn erst, als er dicht neben ihr ſtand. Da schrie ſie: „Jeſus ...
Ich bitt’ um Verzeihung, Herr Graf . ..“ Und zitterte.

„Guat, daß d’ da biſt, da kann i dir's glei ſagen, dein Vater
weiß es ſchon. Spottbühel wird verkauft. Auf d' Wochen habt's
an neuen Herrn, dein Vater und du. J hab nix z’ ſuchen mehr da."
Er griff ihre Hände.

Die Theres öffnete den Mund, schloß ihn wieder, haſchte nach
Luft und Laut. Kein Heiland half ihr. Bleich ſtanden Jie beide.

„Leb wohl, Reserl!"

Da aber hatte Gott Erbarmen. Er löſte ihre ſchwere Zunge.
„Vaſſen S’ mi mit, Herr Graf!“

Arme umfingen sie. Die Theres lief auf einer Himmelsleiter,
fort... höher.... taumelte, ſank an die Bruſt des Herrn. Ver-
ging. ;

„Magst mi denn Jo gern?"

„Gegrüßtseiſtdu ..." betete ihre Seele. Und wieder ſchenkte ihr
Gott das Wort: Za, über Leben und Sterben."

„Willſt mein Weib werden?“"

Da ſagte die Theres nicht ja noch nein, ſondern barg ſJich
an ihm.

Und der hölzerne Chriſtus in einer Niſche unter dem Bild
der Mutter schenkte ihr weiter ſeine Huld. Denn als Häußenperg
dann von dem Grauen ſprach, fort zu müssen zur Stadt, um Brot
zu ſuchen, da klatſchte ſie in die Hände und rief: „Tuat net not!"
Und erzählte frei heraus vom Großoheim am Treſſenſattel, von
der guten Erde dort und ſeinem Wunſch, den Hof zu übergeben,
wenn = ie stockte + „Dös sag i net.“

> >
>

Sie bauten zum alten Kaunzhof am Tressen ein neues Haus.
Der letzte Häußenperg ging hinter dem Pflug, wie der ersſte ge-
gangen war. Zog Furche um Furche, ein Herr und Landmann.
Die Scholle glänzte zwiſchen den Steinen. Die Theres lenkte die
Ochsen in der rechten Spur. Gesegneten Leibes, aufrecht, ſtark
und schön.

Ewige Menſchen in ewiger Erde, träumten beide vom Sohn.


 
Annotationen