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Da s B u ch für Alle
Heft 24
Baumtkaktus (Cereus Pringlei) in der
Nähe von Guayana
um den müden Wanderer oder Verirrten
vor dem Verdursſten zu retten. Selbſt ge-
wisſe Tiere verſtehen an dieſe Stachelberge
heranzukommen. Darum nimmt es nicht
wunder, daß sogar in den heißeſten Mona-
ten, wo alles ſonſtige Getier sich in die
Küſtengebiete zurückzieht oder unregſam
ſchläft, wilde Eſel diese Wälder durchſtreifen
und mit ihren Hufen geschickt die Stacheln
abzuſchlagen wissen, um an das ſaftige
Fleiſch zu gelangen.
Doch nicht allein als Erquickungsmittel
wurden und werden diese 79 bis 96,2 Pro-
zent Waſſer führenden Pflanzen gebraucht,
auch ſalat- und spargelartige Gemüse be-
reitet man aus ihnen, indem man die
jungen Triebe ſammelt. Den Genuß der
Früchte hat man gewiß den Vögeln abge-
ſehen. So gilt die Frucht von Cereus trigo-
heutigen Forſchungen als Hei-
matländer die Gebiete von Ka-
nada bis Patagonien ansprechen
müſſen. Wenngleich die mehr als
fünfzehnhundert Arten ſich über
ein derart ausgedehntes Ver-
breitungsgebiet verteilen, so ist
doch der Hauptſitz der meiſten die
mexikaniſche Ebene, wo von den
kleinſten Formen, diesich zwiſchen
die Zehen der Tiere setzen, bis
zu den größten, die Verkehrs-
hinderniſse bieten können, eine
ungeahnte Fülle von Vielgeſstal-
tigkeit zu finden iſt.
Unsere Gedankenschweifen zu-
rück in Zeiten, wo die Eingebore-
nen Amerikas, die Azteken, die
pflanzlichen Mißgestalten ihren
Gesetzen unterwarfen. Nur ein
Schnitt mit dem Machete in den
saftigen Stamm, und der Brun-
nen der Wüſte war ersſchlossen,
lichen eiweißhaltigen Stoffes, wie wir
ſolche auch in anderer Form kennen, als
Nikotin, Morphin, Kokain und so weiter,
und in der Volksheilkunde werden Kak-
teen für kühlende Umſchläge bei Brand-
wunden und zum Erweichen von Ge-
ſchwüren gebraucht. Der Koſchenillelaus, — —
die zur Farbſtoffgewinnung diente, bis
dieſe Farbe durch Anilinfarbſtoffe ver-
drängt wurde, sei hier ebenfalls ge- | /
dacht, weil ſie Anlaß gab zur Züchtung
der erwähnten Opuntien, die eine be-
ſondere Form der Riesenkakteen dar-
ſtellen und heute noch mehr beachtet zu
werden verdienen als zur Blütezeit der
Koſchenillelauszucht. Es iſt nämlich dem
berühmten amerikaniſchen Pflanzen-
züchter Luther Burbank, dem wir die
ſteinloſen Pflaumen verdanken, gelun-
gen, eine ſtachelloſe, besonders wohl-
ſchmeckende Opuntie mit leichter Steck-
lingsvermehrung zu züchten, die wegen
ihres anſpruchsloſen Wüſtencharakters
Säulenkaktus (Cereus giganteus
Engelmann) im Gewicht von
einem halben Zentner
die angenehme Aussicht eröffnet, daß
einſt die ausgedehnten öden Wüſteneien
beſiedlungsfähig werden.
Schließlich ſind besonders die riesigen
Fackeldiſteln auch Holzlieferanten. Im
vorgeschrittenen Alter nämlich verholzen
die Stämme, und wenn das Fleiſch oben
an der Spitze abzuſterben beginnt, dann
ſieht man das Holzſkelett aus der Säule
geſpenſtisch herausragen. Dieſes Holz
zeichnet ſich durch besondere Leichtigkeit
und Wetterfeſtigkeit aus und dient den
Eingeborenen als einziges Baumaterial.
Weiter findet es für Türſchwellen, Ruder
und so weiter Verwendung. Die jungen
Stämme einiger Cereen liefern eine Art
ſpaniſches Rohr, das zum wichtigen Aus-
fuhrartikelgewordeniſt. Die Reſte werden
als Brennmaterial verwertet. Über das
Alter dieser Riesen, deren Wurzeln den
Boden mit knorrigen Klammern über-
ſpannen und mit der Baumrinde ver-
wachsen, läßt ſich nur sagen, daß einige
bekannt geworden ſind, die über hundert-
fünfzigund zweihundert Jahre alt waren.
nus in der westindiſchen Heimat als belieb- Riesenkaktussäulen in Argentinien
teſtes Nahrungsmittel. Früchte anderer Art
werden genossen als
friſches Obſt oder Ge-
dörrtes, oder Jie die-
nen der Herstellung
von Spiritus und be-
rauſchenden Geträn-
ken. Die Samen wer-
den geröſtet und ge-
backen. Auch dient das
Fleiſch zum Klären
ſchlechten Trinkwaſ-
ſers. Einige Arten lie-
fernwertvollegummi-
und kautſchukartige
Stoffe für die Indu-
ſtrie. Selbſt die Me-
dizin wußte diesen
Pflanzen Heilmittel
zu entziehen in Form
eines ſtrychninähn-
lichen Alkaloids, das
heißt eines pflanz-
Säulenkaktuſse im südlichen Mexiko, die als undurchdringliche
Hecken um Wohnungen angelegt werden Kakteengruppe, von den Spaniern Carambullas genannt
Da s B u ch für Alle
Heft 24
Baumtkaktus (Cereus Pringlei) in der
Nähe von Guayana
um den müden Wanderer oder Verirrten
vor dem Verdursſten zu retten. Selbſt ge-
wisſe Tiere verſtehen an dieſe Stachelberge
heranzukommen. Darum nimmt es nicht
wunder, daß sogar in den heißeſten Mona-
ten, wo alles ſonſtige Getier sich in die
Küſtengebiete zurückzieht oder unregſam
ſchläft, wilde Eſel diese Wälder durchſtreifen
und mit ihren Hufen geschickt die Stacheln
abzuſchlagen wissen, um an das ſaftige
Fleiſch zu gelangen.
Doch nicht allein als Erquickungsmittel
wurden und werden diese 79 bis 96,2 Pro-
zent Waſſer führenden Pflanzen gebraucht,
auch ſalat- und spargelartige Gemüse be-
reitet man aus ihnen, indem man die
jungen Triebe ſammelt. Den Genuß der
Früchte hat man gewiß den Vögeln abge-
ſehen. So gilt die Frucht von Cereus trigo-
heutigen Forſchungen als Hei-
matländer die Gebiete von Ka-
nada bis Patagonien ansprechen
müſſen. Wenngleich die mehr als
fünfzehnhundert Arten ſich über
ein derart ausgedehntes Ver-
breitungsgebiet verteilen, so ist
doch der Hauptſitz der meiſten die
mexikaniſche Ebene, wo von den
kleinſten Formen, diesich zwiſchen
die Zehen der Tiere setzen, bis
zu den größten, die Verkehrs-
hinderniſse bieten können, eine
ungeahnte Fülle von Vielgeſstal-
tigkeit zu finden iſt.
Unsere Gedankenschweifen zu-
rück in Zeiten, wo die Eingebore-
nen Amerikas, die Azteken, die
pflanzlichen Mißgestalten ihren
Gesetzen unterwarfen. Nur ein
Schnitt mit dem Machete in den
saftigen Stamm, und der Brun-
nen der Wüſte war ersſchlossen,
lichen eiweißhaltigen Stoffes, wie wir
ſolche auch in anderer Form kennen, als
Nikotin, Morphin, Kokain und so weiter,
und in der Volksheilkunde werden Kak-
teen für kühlende Umſchläge bei Brand-
wunden und zum Erweichen von Ge-
ſchwüren gebraucht. Der Koſchenillelaus, — —
die zur Farbſtoffgewinnung diente, bis
dieſe Farbe durch Anilinfarbſtoffe ver-
drängt wurde, sei hier ebenfalls ge- | /
dacht, weil ſie Anlaß gab zur Züchtung
der erwähnten Opuntien, die eine be-
ſondere Form der Riesenkakteen dar-
ſtellen und heute noch mehr beachtet zu
werden verdienen als zur Blütezeit der
Koſchenillelauszucht. Es iſt nämlich dem
berühmten amerikaniſchen Pflanzen-
züchter Luther Burbank, dem wir die
ſteinloſen Pflaumen verdanken, gelun-
gen, eine ſtachelloſe, besonders wohl-
ſchmeckende Opuntie mit leichter Steck-
lingsvermehrung zu züchten, die wegen
ihres anſpruchsloſen Wüſtencharakters
Säulenkaktus (Cereus giganteus
Engelmann) im Gewicht von
einem halben Zentner
die angenehme Aussicht eröffnet, daß
einſt die ausgedehnten öden Wüſteneien
beſiedlungsfähig werden.
Schließlich ſind besonders die riesigen
Fackeldiſteln auch Holzlieferanten. Im
vorgeschrittenen Alter nämlich verholzen
die Stämme, und wenn das Fleiſch oben
an der Spitze abzuſterben beginnt, dann
ſieht man das Holzſkelett aus der Säule
geſpenſtisch herausragen. Dieſes Holz
zeichnet ſich durch besondere Leichtigkeit
und Wetterfeſtigkeit aus und dient den
Eingeborenen als einziges Baumaterial.
Weiter findet es für Türſchwellen, Ruder
und so weiter Verwendung. Die jungen
Stämme einiger Cereen liefern eine Art
ſpaniſches Rohr, das zum wichtigen Aus-
fuhrartikelgewordeniſt. Die Reſte werden
als Brennmaterial verwertet. Über das
Alter dieser Riesen, deren Wurzeln den
Boden mit knorrigen Klammern über-
ſpannen und mit der Baumrinde ver-
wachsen, läßt ſich nur sagen, daß einige
bekannt geworden ſind, die über hundert-
fünfzigund zweihundert Jahre alt waren.
nus in der westindiſchen Heimat als belieb- Riesenkaktussäulen in Argentinien
teſtes Nahrungsmittel. Früchte anderer Art
werden genossen als
friſches Obſt oder Ge-
dörrtes, oder Jie die-
nen der Herstellung
von Spiritus und be-
rauſchenden Geträn-
ken. Die Samen wer-
den geröſtet und ge-
backen. Auch dient das
Fleiſch zum Klären
ſchlechten Trinkwaſ-
ſers. Einige Arten lie-
fernwertvollegummi-
und kautſchukartige
Stoffe für die Indu-
ſtrie. Selbſt die Me-
dizin wußte diesen
Pflanzen Heilmittel
zu entziehen in Form
eines ſtrychninähn-
lichen Alkaloids, das
heißt eines pflanz-
Säulenkaktuſse im südlichen Mexiko, die als undurchdringliche
Hecken um Wohnungen angelegt werden Kakteengruppe, von den Spaniern Carambullas genannt