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Vas Bach für Alle



Gu .. [55

C § Deza ri einem Gemälde von Wartan Mahsklas,

er vor die Tür gedrängt, und ein großer, kräftiger Hund setzte über die
Schwelle in das Freie. Er blieb eine Weile witternd ſtehen und kam lang-
ſam, den Blick immer auf uns gerichtet, den Hang herab. Wir ſtiegen empor.

„Sheridan! Sheridan !“ rief der Flapper, aber der Hund folgte ihm nicht.
Er blieb stehen, als er uns zur Hütte emporſteigen ſah, und ging mit jedem
Schritt, den wir näher kamen, zurück.

„Seid Freunden gegenüber nicht unfreundlich,“ ſprach Milton und reichte
Normann die Hand. „Es handelt sich um eine eigene Sache. Ihr seid ein
Tierkenner, vielleicht, daß Ihr uns einen Rat geben könnt!"

Normann brummte etwas, dann öffnete er die Tür. Wir ſetzten uns an
das Feuer, und Sheridan legte ſich augenblicklich neben mir auf den Boden.

Während Milton die Sache von dem Wolfsgesicht erzählte, konnte ich
meine Augen nicht von dem Hund trennen. Dieser Blick, dieser eigentüm-
liche Blick, der an mir hing . . . was war es nur? Was verwirrte mich so
ſehr? Ich kannte doch diesen Blick, und ich kannte dieses Gesicht! Ich hörte
nicht auf die Reden der beiden Männer.

„Da . . .!“ rief ich plötzlich, den Hund unverwandt anſehend, „es iſt das
" Geſicht, das rätſelhafte Wolfsgesicht! Der Blick! Derselbe Blick in all den
Nächten vor meiner Hütte ! Milton, du hattest recht. Der Laut, die Stimme
in der vorigen Nacht, es war kein Wolf . . ."

„Der Hund war es nicht!" ſagte Normann mit Bestimmtheit. „Er iſt
jede Nacht zu Hause !Ü

„Wißt Ihr das ſicher ?“

„Warum Joll ich lügen?“ drohte Flapper. Aber jäh sah er uns an. „Nur,
wenn ich bei meinen Fellen war, konnte er eine Viertelſtunde allein sein.
Aberder weite Weg und außerdem, ich hörte ihn einigemal in der Hütte !“

„Vielleicht genügte ihm dieſe Viertelſtunde! Vielleicht habt Ihr Euch
getäuſcht, Normann. Aber die Ursache dieser Besuche! Was verführte ihn
dazu? Der weite Weg, der fremde Mensch?“

Ich erinnere mich jetzt: Sheridan kam einmal mit blutendem Leib zu-
rück. Ihr habt ihm nichts zuleid getan, hoff’ ich. Er hat also mit “tte
_ einen Handel gehabt. Er iſt ſtark, Wölfe ſcheuen ihn, fürchten ihn, und .
gehorchen ihm! Sheridan!“ rief er. Aber der Hund blieb bei mir.

25, 1926





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„Ich bin Euch Dank ſchuldig, Normann. Der Hund war der Schutz meiner
Hütte in den Wolfsnächten! Woher stammt er?“

„Es iſt der ſchönſte Wolfshund, den ich in meinem Leben gesehen. Ich
hab’ ihn ſelbſt aus Deutschland mitgenommen. Es iſt noch nicht lange
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Da ergriff mich Milton am Arm. Sheridan hob das Gesicht.

„Wie lange biſt du wieder im Lande, Tom?" fragte er unvermittelt.

„Zwei Monate oder darüber! Was Joll's ?“

„Da haben wir es, Normann! Ihr müßt wissen, Tom iſt ein Deutscher !"

Erſt ſah mich Normann nachdenklich an. Dann ſtand er auf und trat ans
Fenſter. „Ich weiß nun um das Geheimnis dieſer Nächte. Sheridan sehnt
sich nach ſeiner Heimat. Und in Euch, Deutſcher, hat ersie wiedergefunden !"

Wir ſchwiegen. Normann sah auf die Niederung hinab. Ich war ergriffen,
der Wolfshund hatte ſeine Vorderpfoten auf meine Schultern gelegt, und
sein Blick hing an meinen Augen.

„Ich will Euch etwas sagen.“ Er nahm den Hund ganz nah zusich. „Sheri-
dan, "sagte erleiſe, „ich halte dich nicht!“ Und zu mir gewendet: „Ich ſchent'
ihn Euch, Tom; vielleicht mach’ ich Sheridan damit eine Freude! Geh, Sheri-
dan !" Er ſtand auf. „Aber nun geht, laßt mich allein, ich will nicht haben,
daß Ihr . . .

Seine Augen ſchimmerten; seine Stimme wurde duntel.

Wir gingen. Einige Augenblicke ſpäter wandten wir uns um. Aber Sheri-
dan folgte mir nicht. Er ſchmiegte ſich an Normann, der wieder unter der
Tür ſtand. So klein in der Treue kann ein Hund nicht sein! Der Flapper
aber rief uns nach: „Morgen könnt Ihr meine Hütte haben, Milton ! Sheri-
dan hat mich eines Beſſeren belehrt. Ich kehre zurück, wohin ich gehöre, in
meine Heimat!“

Tom hatte zu erzählen aufgehört. Die Steppengesellen ſchwiegen. Chri-
ſtoph hatte die Augen offen und ſah in die flimmernden, nächtlichen Lichter
des Urwaldes.

Diesmal dauerte es lange, ehe die Steppengeſsellen schliefen. Vielleicht
dachten sie an die Nächte von Tanana und träumten von einem Lande,
dem sie ferne waren . . .
 
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