Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Z90

D as B uch für Alle

Heſt zz



Der Daſeinskampf vorweltlicher Wirbeltiere

Don Dr. Alexander Sokolowsky, Hamburg

U'ttr mit der Tierwelt der Gegenwart, erſcheint uns die der Vor-
welt weit roher und weniger kompliziert entwickelt. Handelt es Jich
doch im allgemeinen bei dieſen einer längſt eniſchwundenen Erdvergangen-
heit zugehörenden Geſchöpfen um die Uranfänge von Tiergeſchlechtern,
die im Laufe der erdgeſchichtlichen Vorgänge erloſchen ſind, oder aber um
ſolche, die sich bis heute in allerdings hochgradiger Differenzierung und
Verfeinerung in ihrem Artcharakter erhalten haben. Dem robuſteren und
gröberen Körperbau der vorweltlichen Tiere entſprach auch eine primi-
tivere, vereinfachtere Lebensweise, denn es iſt nicht denkbar, daß dieſe
sich im allgemeinen durch gigantiſchen Wuchs und durch extrem-massige
Körperbildung auszeichnenden Geſchöpfe ein ſolch verfeinertes Leben ge-
führt haben sollen wie die heutigen. Da es ſich aber bei den letzteren um
die Ausläufer eines langen Entwicklungsganges handelt, ſo können wir ihre
heutige körperliche Erſcheinung ſowie ihre Lebensgewohnheiten erſt dann
voll verſtehen, wenn wir ihren Stammbaum miöglichſt weit zurückverfol-
gen und uns ihre Eigenart als etwas Gewordenes klarzumachen ſuchen.

Dem oberflächlich in
dieWelt hineinſchauenden E
Menſchenerscheintdie Na- :
tur als eine unermeßglich
große Landſchaft, in der
die Lebeweſen mehr oder
minderfriedfertigbeiſam-
men wohnen. Wer aber
mit Forsſcheraugen in die
Werfstätte der Natur hin-
einſchaut und ihr inner-
ſtes Wesen zu ergründen
ſucht, der erkennt bald,
daß das friedfertige Idyll
nur ein ſcheinbares iſt,
denn in Wirklichkeit findet
innerhalb des Getriebes
der Natur ein Vernich-
tungskampf der Weſen
untereinander ſtatt, der
mit großer Energie und
unbeschreiblicher Raffi-
nierthe it ausgefochten
wird. Das iſt nicht nur
heute so, ſondern die For-
ſchung lehrt, daßſchon ſeit
den früheſten Tagen der
organiſchenSchöpfungein
solches Ringen einſetze,
bei dem es Jich aber nicht
um eine Vernichtung der
Geſchöpfe handelte, son-
dern nur um einen Aus-
gleich, ein ewiges Ent-
ſtehen und Vergehen, def-
ſen Ziel es iſt, die Exi-
ſtenz der Lebewelt in.
höchſter Lebensenergie zu
erhalten.

Die Natur hat es dabei
weniger auf die Erhaltung
desEinzelindividuums ab-
gesehen. Dieses muß un-
tergehen und ,ſeines Da-
ſeins Kreise vollenden“,
die Fort-, Um- und Wei-
terbildung erfolgt durch
die Art. Die Tiergeſchlech-
ter ſind es also, die Jich
erhalten und weiterent-
wickeln oder aber, wenn
sie nicht mehr in den Rah-
men der ſich ebenfalls ab-
änderndenUmweltpaſsen,
dem Unlergang geweiht





ir

sſind. Sie erhalten ſich nurſo lange, als ihre körperlichen und ſeeliſchen Eigen-
schaften im Einklang mit den Forderungen der Außenwelt ſtehen. Dieſe
lebenserhaltende Übereinſtimmung erzielen die Lebeweſen auf dem Wege
der. Anpaſſung. ;

Jedes Wesen strebt danach, ſich das Leben zu erhalten. Je beſſer ausge-
rüſtet mit körperlichen und ſeeliſchen Eigenſchaften das Geſchöpf in den
Lebenskampf tritt, umso größer iſt die Wahrſcheinlichkeit, den Kampf um
das Dasein zu beſtehen und die Konkurrenz der Mitbewerber auszuſchlagen.
Die Natur hat ihm auf den Lebensweg den Schutz der Anpasſung als Mit-
gift gegeben. Zweierlei Atiribute ſind es, die den Geſschöpfen im Lebens-
tampfe zugute kommen: auf der einen Seite ſind es Angriffswaffen, die
deſſen Besitzer besähigen, mit eigenerJInitiative in denKampf um das Daſein
einzugreifen, auf der anderen dagegen ſolche Vorrichtungen, die der Abwehr
feindlicher Angriffe und ſchädigender Einflüsse dienen. Bei den Tieren der
Vorwelt hat die Forſchung zahlreiche Merkmale dieser Art nachgewiesen.

Schon bei den älleſten Fiſchen, deren Überreſte im oberen Silur ge-

funden werden, lassenJich

































Das Riesenfaultier, das in Patagonien noch leben soll

Schutvorrichtungennach-
weiſen, durch die dieſe
Tiere befähigt waren, den
AngriffenüberlegenerGeg-
nerſtandzuhalten.Bei den
niedrigſtorganiſierten
Gattungen dieser Fiſche
treten zuerſt zahlreiche,
dichtſtehende Hautzähne
als Schutzorgane auf, aber
ſchon zu derselben Zeit
laſſen sich ſolche nachwei-
sen, beidenendieſe Einzel-
zähne zu größeren Schie-
nenſchuppen und Platten
vereinigt ſind und auf
diese Weiſe ein Panzer-
gerüſt bilden.

Die größte Bedeutung
erhielt die Schutpanze-
rung in der Klaſſe der
Reptilien. Während ſich
bei den fleiſchfreſſenden
Geschöpfen oft die furcht-
barſten Gebisse entwickel-
ten, um ihre Beutetiere
damit zu überwältigen,
zeigendiepflanzenfreſsen-
den zum Schutzegegendie
Angriffe dieſer gefähr-
lichen Räuber dieverſchie-
denartigſten Panzerbil-
dungen. Je mehrich nun
diese Schutzorgane aus-
bildeten, umſo ſtiärker
mußte ſich dementſpre-
chend das Gebiß der Räu-
ber entwickeln, mit dem
e die feſten Panzer bre-
chen konnten. Auch be-
ſtehen Wechselverhältniſſse
zwischen Größe und Kraft
bei beiden Gruppen. Die
s Geschöpfe der Vorwelt er-

wiesen sich im allgemei-
nien, verglichen mit denen
der Gegenwart, als viel
roher und gewaltiger or-
ganiſiert, während die
» S ; F letzteren eine verseinerte,

M differenziertere Organiſa-
L tion erkennen laſſen. Der
Rieſenwuchs war bei den
Pflanzenfreſſern vielfach


 
Annotationen