Da s Buch für Alle
6003
Im Moor / Nach einem Gemälde von Chr. Haug
„Du! DU! keuchte er. „Du biſt an allem ſchuld!“
Sie duckte sich, und ein böſer Blick aus den funkelnden Augen brannte
in des Mannes Gesicht. Wigold hielt die Fäuſte des Wütenden zurüc, sſonſt
wärenſJie zu tödlichem Schlage auf den Kopf der Bronislawa niedergesauſt.
Das Weib wich ſcheu in das Zimmer zurück.
Der Bauer schrie ihr nach. „Aus iſt's! Sofort gehſt du!“
„Ich werde wohl meine Sachen packen dürfen !" fauchte es aus der Stube.
Wigold zog den Willenlosen mit ich fort, die Treppe hinab. Sie ent-
zündeten die mächtige Stallaterne und traten in die Nacht. Als der Bauer
die Tür ſchließen wollte, zwängte sich noch der Hund durch den Spalt.
Winſelnd und die Nase auf dem Boden lief das Tier vor ihnen her.
Etliche Schritte gingen sie auf der Landstraße hin, dann leuchtete der
Bauer mit tiefgehaltener Laterne zu Boden. Über einem Schlammgraben
lag hier ein ſchmales Brett.
„Da beginnt der Weg durch das Moor!“
„Zu Eurer Wiese !“
„Woher wißt Ihr das?“
„Das erzähle ich Euch ſpäter! Vorwärts !"
Sie ſchritten auf dem schmalen Wege hin, der etwa halbmeterbreit durch
den Moraſt führte. Hie und da ſchwankte der Boden unter ihren Füßen.
Allerhand Sumpfvögel, durch den Laternenſchein aufgeschreckt, flatterten
empor. Einmal ſtreifte ein Flügel Wigolds Kopf und riß den Hut herab.
Der Student wollte ſich nach ihm bücken, doch der Bauer hielt ihn zurück.
„Laßt den Hut! Einen Schritt vom Pfade und Ihr versinkt."
Weiter gingen sie. Vor ihnen lief der Hund, die Nase am Boden und mit
ſeltſamer Sicherheit den einzigen hier möglichen Weg verfolgend.
Schilf wuchs neben ihnen auf, in dem der Wind wühhlte. Ein hohles
Sauſen und Rauſchen erfüllte die Luft. Einmal blieb der Bauer ſtehen.
„Hört Ihr!“ flüſterte er erregt. „Stimmen! Es ſpricht jemand.“
Wigold lauſchte. Aus dem Raſscheln des Schilfes kamen vielerlei Laute,
die man wohl als Stimmen auslegen konnte.
Der Hund vor ihnen war verſchwunden. Ziemlich nahe klang sein lautes
Aufheulen in langgedehnten, ſchauerlichen Klängen durch die Nacht.
Sie gingen noch wenige Schritte, dann blieb der Bauer stehen. Der
Laternenſchein fiel seitwärts auf eine grüne Raſendecke, in der ein dunkler,
erdbreiiger Fleck war. Daneben ſteckte ein kunſtlos gezimmertes Kreuzlein.
„Hier war es. Das mit der Gertrud !" sagte er und nahm den Hut ab.
Der Hund ſtand neben ihnen und heulte jammervoll, verſuchte einen
Schritt nach vorne, zog aber ſtets wieder angſtvoll die Pfoten zurück.
Plötzlich ſchrie der Bauer auf: „Seht dort, Herr, ſeht + was iſt das ?Ü
Neben dem Kreuzlein lag eine blaue Maſche, die Masche, die Wigold im
Haare Anneliesens gesehen hatte.
Der Bauer ſtand zitternd da, das Haupt nach vorne geneigt, und in Wi-
golds Armen ſtrafften ſich die Sehnen, um ihn zurückzuhalten, falls er
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Im Moor / Nach einem Gemälde von Chr. Haug
„Du! DU! keuchte er. „Du biſt an allem ſchuld!“
Sie duckte sich, und ein böſer Blick aus den funkelnden Augen brannte
in des Mannes Gesicht. Wigold hielt die Fäuſte des Wütenden zurüc, sſonſt
wärenſJie zu tödlichem Schlage auf den Kopf der Bronislawa niedergesauſt.
Das Weib wich ſcheu in das Zimmer zurück.
Der Bauer schrie ihr nach. „Aus iſt's! Sofort gehſt du!“
„Ich werde wohl meine Sachen packen dürfen !" fauchte es aus der Stube.
Wigold zog den Willenlosen mit ich fort, die Treppe hinab. Sie ent-
zündeten die mächtige Stallaterne und traten in die Nacht. Als der Bauer
die Tür ſchließen wollte, zwängte sich noch der Hund durch den Spalt.
Winſelnd und die Nase auf dem Boden lief das Tier vor ihnen her.
Etliche Schritte gingen sie auf der Landstraße hin, dann leuchtete der
Bauer mit tiefgehaltener Laterne zu Boden. Über einem Schlammgraben
lag hier ein ſchmales Brett.
„Da beginnt der Weg durch das Moor!“
„Zu Eurer Wiese !“
„Woher wißt Ihr das?“
„Das erzähle ich Euch ſpäter! Vorwärts !"
Sie ſchritten auf dem schmalen Wege hin, der etwa halbmeterbreit durch
den Moraſt führte. Hie und da ſchwankte der Boden unter ihren Füßen.
Allerhand Sumpfvögel, durch den Laternenſchein aufgeschreckt, flatterten
empor. Einmal ſtreifte ein Flügel Wigolds Kopf und riß den Hut herab.
Der Student wollte ſich nach ihm bücken, doch der Bauer hielt ihn zurück.
„Laßt den Hut! Einen Schritt vom Pfade und Ihr versinkt."
Weiter gingen sie. Vor ihnen lief der Hund, die Nase am Boden und mit
ſeltſamer Sicherheit den einzigen hier möglichen Weg verfolgend.
Schilf wuchs neben ihnen auf, in dem der Wind wühhlte. Ein hohles
Sauſen und Rauſchen erfüllte die Luft. Einmal blieb der Bauer ſtehen.
„Hört Ihr!“ flüſterte er erregt. „Stimmen! Es ſpricht jemand.“
Wigold lauſchte. Aus dem Raſscheln des Schilfes kamen vielerlei Laute,
die man wohl als Stimmen auslegen konnte.
Der Hund vor ihnen war verſchwunden. Ziemlich nahe klang sein lautes
Aufheulen in langgedehnten, ſchauerlichen Klängen durch die Nacht.
Sie gingen noch wenige Schritte, dann blieb der Bauer stehen. Der
Laternenſchein fiel seitwärts auf eine grüne Raſendecke, in der ein dunkler,
erdbreiiger Fleck war. Daneben ſteckte ein kunſtlos gezimmertes Kreuzlein.
„Hier war es. Das mit der Gertrud !" sagte er und nahm den Hut ab.
Der Hund ſtand neben ihnen und heulte jammervoll, verſuchte einen
Schritt nach vorne, zog aber ſtets wieder angſtvoll die Pfoten zurück.
Plötzlich ſchrie der Bauer auf: „Seht dort, Herr, ſeht + was iſt das ?Ü
Neben dem Kreuzlein lag eine blaue Maſche, die Masche, die Wigold im
Haare Anneliesens gesehen hatte.
Der Bauer ſtand zitternd da, das Haupt nach vorne geneigt, und in Wi-
golds Armen ſtrafften ſich die Sehnen, um ihn zurückzuhalten, falls er