D a s B u c< für Alk e
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besſchützte ihn gegen die treibende Flut. Bella hing am Gitterwerk, und ihr
Kopf sank tiefer und tiefer. Alle ſahen dem Schauspiel zu. Ein Hindurch-
kommen schien unmöglich. Endlich, als der alte Wecker klingend viermal
ſchlug, ließ der Regen nach, und die Wasser wälzten ich in minderer Wucht.
Die Flut fiel von Minute zu Minute. Um Viertel fünf watete der Bach-
bauer als erſter zur Weide hinüber. Er mußte ſchwer ankämpfen, er ſtürzte
vielmal, aber die Angst um sein Jüngelchen gab ihm zehnfache Kraft. Er
ſtand an der Weide und ſchrie hellauf. Das war darum, weil der Schrecken
und die Angſt eine Stunde lang Fo ſchwer in ihm gesessen hatten. Der Erste
Knecht drang zu ihm hin, und vereint ~ der Bauer hielt den Wagen, der
Knecht den Hund ~ kämpften ie ich zurück. Der Hundertmeterweg dauerte
bald eine halbe Stunde. Nach fünf Uhr fieldie Flut ſchnell. Im Bachbauern-
gehöft, in der breiten Stube ſaß Baumgarten neben der Bella. Er massierte
den Hund, er gab ihm Kognat zu trinken, er streichelte das nasse, lebloſe
Tier wieder und wieder. Dann bewegte er die Läufe regelmäßig, atmete
ihm in den Mund. Er ſtellte ich ſchier verzweifelt an. Aber die Bella war
tot. Die lekte Kraft des Tieres hatte ausgereicht, um den treibenden Wagen
"! tus Weide zuzubringen. Dann war er ins Gitterwertk feſtgebiſſen
ertrunken. ;
Baumgarten richtete ſich auf. „Geht und seht, was draußen zu retten
iſt, nehmt das Vieh von den Treppen, seht nach, bis wohin die Scheune
geſchwommen iſt und richtet den Hof ein. Hier iſt nichts mehr zu ſchaffen.“
Das Gesinde erhob Jich und ging in den durchnäßten und furchtbar ver-
Der fagenpmiohens Hehentrpick jm Herhfigolo / Mach Hitze Gemälde von G. Schönleber
wüſteten Hof hinaus. Der Bachbauer aber ſaß neben der toten Bella. Die
Tränen rollten ihm über die Wangen, unaufhaltſam. Seine grobe Hand
ſtrich zitternd über das nasse Tier, ſpielte wie im Traume mit den langen
Behängen, bog in letter Hoffnung den Fang auseinander und goß wieder
Kognak hinein.
„Nu, Bella, Bella . . ." Man hätte nie meinen Jollen, daß der Baum-
garten so bitten kann. Aber der treue Stichelhaar war tot.
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Die Bella wurde ausgestopft in der Stellung eines ſizenden Hundes. Und
als. das Unwetter lange vorüber war, als der angerichtete Schaden ſoweit
möglich ſchon wieder beseitigt war, ſaß der Bachbauer ſtill am Tiſch, die
Bäuerin sorgte sich um das Jüngelchen. Und leiſe erklang des Bauern
Stimme: „Gib mir die Bella her ..." ;
Scheu sah die Bäuerin auf ihren so gar unverhofft ruhigen Mann. Sie
trug ihm den ausgeſtopften Hund zu, setzte ihn neben den Bauern. Baum-
garten nahm dann das Kreisblatt und las, während seine Hand immer
wieder und immer wieder über den Kopf des Hundes glitt, immer wieder
und immer wieder gutmachen wollte. Das Gasthaus sſieht den Bauern
nicht mehr, denn wessen Haar in einer Stunde von tiefem Braun zu
silbernem Grau hinübergewechſelt iſt, der hat das Leben von einer gar
ſchrecklichen Seite kennengelernt. Und die Bella ſitt zu Füßen des Lesen-
den, und deſſen Mund murmelt leiſe und freundlich: „Nu, Bella .. .?"
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besſchützte ihn gegen die treibende Flut. Bella hing am Gitterwerk, und ihr
Kopf sank tiefer und tiefer. Alle ſahen dem Schauspiel zu. Ein Hindurch-
kommen schien unmöglich. Endlich, als der alte Wecker klingend viermal
ſchlug, ließ der Regen nach, und die Wasser wälzten ich in minderer Wucht.
Die Flut fiel von Minute zu Minute. Um Viertel fünf watete der Bach-
bauer als erſter zur Weide hinüber. Er mußte ſchwer ankämpfen, er ſtürzte
vielmal, aber die Angst um sein Jüngelchen gab ihm zehnfache Kraft. Er
ſtand an der Weide und ſchrie hellauf. Das war darum, weil der Schrecken
und die Angſt eine Stunde lang Fo ſchwer in ihm gesessen hatten. Der Erste
Knecht drang zu ihm hin, und vereint ~ der Bauer hielt den Wagen, der
Knecht den Hund ~ kämpften ie ich zurück. Der Hundertmeterweg dauerte
bald eine halbe Stunde. Nach fünf Uhr fieldie Flut ſchnell. Im Bachbauern-
gehöft, in der breiten Stube ſaß Baumgarten neben der Bella. Er massierte
den Hund, er gab ihm Kognat zu trinken, er streichelte das nasse, lebloſe
Tier wieder und wieder. Dann bewegte er die Läufe regelmäßig, atmete
ihm in den Mund. Er ſtellte ich ſchier verzweifelt an. Aber die Bella war
tot. Die lekte Kraft des Tieres hatte ausgereicht, um den treibenden Wagen
"! tus Weide zuzubringen. Dann war er ins Gitterwertk feſtgebiſſen
ertrunken. ;
Baumgarten richtete ſich auf. „Geht und seht, was draußen zu retten
iſt, nehmt das Vieh von den Treppen, seht nach, bis wohin die Scheune
geſchwommen iſt und richtet den Hof ein. Hier iſt nichts mehr zu ſchaffen.“
Das Gesinde erhob Jich und ging in den durchnäßten und furchtbar ver-
Der fagenpmiohens Hehentrpick jm Herhfigolo / Mach Hitze Gemälde von G. Schönleber
wüſteten Hof hinaus. Der Bachbauer aber ſaß neben der toten Bella. Die
Tränen rollten ihm über die Wangen, unaufhaltſam. Seine grobe Hand
ſtrich zitternd über das nasse Tier, ſpielte wie im Traume mit den langen
Behängen, bog in letter Hoffnung den Fang auseinander und goß wieder
Kognak hinein.
„Nu, Bella, Bella . . ." Man hätte nie meinen Jollen, daß der Baum-
garten so bitten kann. Aber der treue Stichelhaar war tot.
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Die Bella wurde ausgestopft in der Stellung eines ſizenden Hundes. Und
als. das Unwetter lange vorüber war, als der angerichtete Schaden ſoweit
möglich ſchon wieder beseitigt war, ſaß der Bachbauer ſtill am Tiſch, die
Bäuerin sorgte sich um das Jüngelchen. Und leiſe erklang des Bauern
Stimme: „Gib mir die Bella her ..." ;
Scheu sah die Bäuerin auf ihren so gar unverhofft ruhigen Mann. Sie
trug ihm den ausgeſtopften Hund zu, setzte ihn neben den Bauern. Baum-
garten nahm dann das Kreisblatt und las, während seine Hand immer
wieder und immer wieder über den Kopf des Hundes glitt, immer wieder
und immer wieder gutmachen wollte. Das Gasthaus sſieht den Bauern
nicht mehr, denn wessen Haar in einer Stunde von tiefem Braun zu
silbernem Grau hinübergewechſelt iſt, der hat das Leben von einer gar
ſchrecklichen Seite kennengelernt. Und die Bella ſitt zu Füßen des Lesen-
den, und deſſen Mund murmelt leiſe und freundlich: „Nu, Bella .. .?"