Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Architekten- und Ingenieur-Verein <Frankfurt, Main> [Editor]; Wolff, Carl [Oth.]
Die Baudenkmäler in Frankfurt am Main (Band 3): Privatbauten — Frankfurt a. M., 1914

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.25633#0234
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
' 187


sowie als Zeichner der Werkpläne und besonderer Bauleiter gar nicht nöthig
war J) Aber auch dem Bauherrn ist an der Plangestaltung ein hervorragender
Antheil zuzuschreiben; jedenfalls ist die Anordnung der Räume wohl ganz
das Werk des Herrn Rath; er hatte auch die Führung des Baues übernommen,
wie wir von Goethe erfahren: „Mein Vater hatte die ganze Einrichtung
desselben ersonnen und den Bau mit großer Standhaftigkeit durchgeführt,
und es ließ sich auch, insofern es eine Wohnung für ihn und seine Familie
ausschließlich sein sollte, nichts dagegen einwenden; auch waren in diesem
Sinne sehr viele Häuser von Frankfurt gebaut." „Da nun also das Ein-
reißen und Aufrichten allmählich geschah, so hatte mein Vater sich vor-
genommen, nicht aus dem Hause zu weichen, um desto besser die Aufsicht
zu führen und die Anleitung geben zu können: denn aufs Technische des
Baues verstand er sich ganz gut." Dass Johann Kaspar Goethe den Hand-
werkern gegenüber recht vorsichtig und selbständig verfuhr, beweist die
Inanspruchnahme eines ausgezeichneten Sachverständigen, welchem er die
gesammten Kostenanschläge zur Begutachtung vorlegte. Nach der Er-
zählung Wilhelm Meisters (im Anfänge des IV. Kapitels des I. Buches)
war dieser Beistand des Bauherrn „ein junger Mann von der Artillerie,
mit vielen Talenten begabt, besonders in mechanischen Arbeiten geschickt,
der dem Vater während des Bauens viele wesentliche Dienste geleistet
hatte und von ihm reichlich beschenkt worden war." Dieser Mann, an
dessen thatsächlicher Bethätigung im Hinblicke auf den autobiographischen
Hintergrund des ersten Buches dieses drei Jahrzehnte vor „Dichtung und
Wahrheit" begonnenen Romanes „Wilhelm Meisters Lehrjahre" nicht ge-
zweifelt werden konnte (der im letzten Absätze des V. Kapitels und am
Anfänge des VI. Kapitels auch als „Lieutenant" bezeichnet wird), dessen
Namen aber bis jetzt der Forschung unbekannt geblieben war, ist nach
einem Dokumente bei den Baurechnungen kein Geringerer als Johann
Friedrich von Uffenbach,^) der als hervorragender Bau-Ingenieur in den
Jahren 1741—1744 die schwierige Wiederherstellung der alten Mainbrücke
geleitet hatte und sonst auch vielfach sachverständiger Berather bei den bau-
lichen Unternehmungen der Stadt gewesen war, zum Beispiel 1741 beim
Bau der neuen Kaisertreppe. 3) Utfenbach, der wiederholt hohe Stellungen
in der Verwaltung seiner Vaterstadt bekleidete und sich nach der Sitte
der damaligen Architekten und Ingenieure wegen seiner Kenntnisse in
der Kriegsbaukunst 1737 den Titel eines Grossbritannischen Oberstlieute-
nants erworben hatte, ohne anscheinend Berufssoldat gewesen zu sein,

1) Erst 1767 wird in der Grundsteinsurkunde des Rothen Hauses auf der Zeil,
des damals grössten und vornehmsten Gasthofes der Stadt, der Stadtbaumeister Liebhardt
ausdrücklich als „Architekt" erwähnt (vgl. oben S. 127, ferner S. 166); diese Bezeichnung
wurde erst um jene Zeit hei den Frankfurter Meistern üblich.
2) Geboren am 6. Mai 1687 in Frankfurt, gestorben daselbst am 10. April 1769.
Vgl. über ihn Jung in der Allgemeinen Deutschen Biographie Bd. XXXIX, 132.
h Vgl. hierzu Bd. II, 167 und 270 ff.
 
Annotationen