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Architekten- und Ingenieur-Verein <Frankfurt, Main> [Hrsg.]; Wolff, Carl [Bearb.]
Die Baudenkmäler in Frankfurt am Main (Band 3): Privatbauten — Frankfurt a. M., 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.25633#0254
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207 *-

Unter den Baudenkmälern, welchen in der zweiten Hälfte des XVIII.
Jahrhunderts die Zeil, namentlich auf der nördlichen Seite, ihr vornehmes,
„grossstädtisches" Aussehen verdankte, w^ar der Schweitzersche Palast, der
nachmalige Russische Hof (Zeil 48(50; im Grundbuche Lit. D. Nr. 19
und 20) bei weitem das hervorragendste, zugleich überhaupt der bedeutendste
Bau der einheimischen, bürgerlichen Architektur jener Zeit. Noch unbe-
rührt von Veränderungen war er in seinem ursprünglichen Zustande auf
unsere Zeit gekommen, aber ein verhältnissmässig nur kurzes Dasein von
gerade 100 Jahren war ihm beschieden; denn er fiel, trotz aller Einwend-
ungen, welche aus den Kreisen der Denkmalpflege dagegen geltend ge-
macht wurden, dem im Jahre 1891 begonnenen Vorderbau des von der
neuzeitlichen, rasch fortschreitenden Verkehrsentwicklung geforderten
Reichspostgebäudes zum Opfer. Die folgenden Ausführungen und Ab-
bildungen mögen darthun, welchen unersetzlichen Verlust der Abbruch
dieses durch geschichtliche und kulturgeschichtliche Erinnerungen und
durch hohe künstlerische Vollendung gleich ausgezeichneten Bauwerkes
für Frankfurt zu bedeuten hat. In keinem der bisher über dieses Ge-
bäude veröffentlichten Berichte sind die wichtigen Akten des Bau-Amtes
zur Forschung herangezogen worden; es geschieht dies in den folgenden
Ausführungen zum ersten Male.
Aus Battonn erfahren wir, dass an der Stelle, an welcher der Schweitzer-
sche Palast später sich erhob, ursprünglich zwei getrennte Gebäude ge-
standen hatten, von denen das grössere, östliche, zuerst in einer Urkunde
vom Jahre 1529 erwähnte, den Namen Viehhof hatte; diese architektonisch
unbedeutenden Gebäulichkeiten sind auf dem Belagerungsplane und auf
dem Merianschen Plane deutlich wiedergegeben. Es befanden sich darin
die Stallungen für das an den Markttagen hierher gebrachte Vieh, ausser-
dem eine Gastwirthschaft. Als im Jahre 1784 der Viehmarkt von der
Zeil verlegt wurde, wodurch sich die Lage dieser breit angelegten, nun-
mehr weniger geräuschvollen Strasse zugleich wesentlich hob, hatten die
Stallungen des Viehhofes keinen Zweck mehr. Im Jahre 1786 wurde das
Grundstück von dem reichen Handelsmanne Franz Maria Schweitzer *)

*) Ueber dessen Lebenslauf entnehmen wir der Arbeit Holthofs (a. a. O. 8. 356)
die folgenden Notizen: „Er war als junger Mann aus Italien gekommen. Als er am
1. November 1751 um Aufnahme in den Frankfurter Bürgerverband nachsuchte, gab
er über sich und seine persönlichen Verhältnisse Folgendes an. Er sei am 27. Oktober
1722 in Verona geboren; sein Geschäft bestehe in dem Handel mit italienischen
Seidenwaaren; er sei verlobt mit Paula Maria Francisca Allesina (Messina), geboren
am 2. Dezember 1725 in Frankfurt (Mutter: eine Brentano, geb. 12. Juli 1705 dahier).
Er gedenke keine eigne Handlung hier zu errichten, sondern bleibe mit der Allesina'schen
Handlung in Compagnie und in seines Schwiegervaters Hause, bezw. an dessen Tisch.
Dazu machte er sich anheischig, sogar für die aus seiner Ehe zu gewärtigenden
Kinder, niemals hierselbst eine sogen, italienische Handlung anzufangen, wie die
Brentano, Guaitau. s. w. Sein Vermögen sei dermalen kein grosses, gleichwohl sei er
erbötig, für den Fall, dass ihm das Bürgerrecht zu Theil werde, die höchste Schatzung
 
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