Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Sommer, Gustav; Otte, Heinrich
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 9): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Eckartsberga — Halle a. d. S.: Otto Hendel, 1883

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.41968#0029
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Cölledä.

19

damals, als das bisherige Dorf* das Stadtrecht empfing, wofür auch die Lage letzterer
Kirche am Marktplatze sprechen dürfte; dessenungeachtet behauptete sich die
Johanniskirche im Pfarrrechte, und erst im Jahre 1528 gestattete der Abt zuHers-
teld, dass der Stadtrath die Kirche zu St. "Wiprecht (zunächst nur auf 3 Jahre)
mit einem geschickten Priester bestellen durfte, der alle Pfarrechte ausüben und
vom Propst des Johannesklosters remunerirt werden sollte; auch Hess der Abt zu
Dntb feriicbfeit willen bet1 bofeu IDeege, bas ein tEeitjte jue 6. IDipvecbt gesagt nnbt
auf geriet full werben.1 Das Kirchenpatronat, welches Hersfeld infolge der Refor-
mation aufgeben musste, ging nach längeren Streitigkeiten mit dem Rathe durch
Recess von 1662 an die Besitzer der Grafschaft Beichlingen über, welche dasselbe
noch jetzt inne haben.
Die Wipertikirclie ist ein ursprünglich gothisches, ziemlich nüchternes ein-
schiffiges Bauwerk mit Holzdecke und um einige-Stufen erhöhtem im halben Acht-
eck geschlossenen mit Strebepfeilern besetzten Chorraum. Tn einer Inschrift über
der grossen Kirchthür nach dem Markte zu heisst es zwar:
Annno Domini Mccccxcvi Dominica
post festum Mariae Magdalenae hoc templum Dei
exordium sumsit,
was aber nicht von der ersten Gründung zu verstehen sein kann, da schon, im
Jahre 1404 einVicarius an S. Wiperti angestellt wurde. Sicher ist, dass die Kirche
bei dem Stadtbrande von 1538 stark beschädigt wurde, wobei namentlich das Schiff
gelitten zu haben scheint. Die über der Thür der an der Nordseite angebauten,
gewölbten alten Sacristei stehende Jahreszahl 1542 bezeugt die damaligen Wieder-
herstellungsbauten. Ob indess die jetzigen rechteckigen Thür- und Fensteröffnungen
mit ihren Sandsteineinfassungen nicht erst, wie die Construktion der Heizdecke
mit den ihr Licht in die Kirche sendenden Dachfenstern, aus dem vorigen Jahrh.
herrühren, wo um 1720 - 1740 der ganze innere Ausbau erneuert und dem
Aeusseren zwei entstellende Treppengehäuse, sogenannte Cavaten2 angeklebt wurden,
mag dahingestellt bleiben. In den Jahren von 1810—1812 wurde ein neuer Thurm,
dessen Obergeschoss aus Fachwerk besteht (s. in Fig. 11), dem Westgiebel der
Kirche vorgebaut, da der früher vorhandene, der auf einer anderen Stelle stand
und nur die Höhe des Kirchdaches hatte, nicht mehr reparaturfähig war. Schliesslich
wurde 1819 die fetzige Sacristei an der Südseite der Kirche errichtet.
Altar und Kanzel von 1740 im Rococostil; letztere, von einer Mosesfigur ge-
tragen, zeigt an den 5 vortretenden Feldern der Brüstung die Figuren Christi und
der Evangelisten. Das Altarblatt stellt die Einsetzung des h. Abendmahles dar.
Der achteckige Taufstein hat eine geschmückte Holzdecke. Die jetzt weiss ge-
strichenen und finit grauen Ornamenten bemalten Emporenbrüstungen sollen früher
auf dunkelem Grunde biblische Bilder mit Aufschriften enthalten haben.

1 Die lietr. Urkunde s. in Unger’s Stadtchronik S. 111.
2 Vergl. Heft VI. S. 42.
2*
 
Annotationen