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Bulletin du Musée National de Varsovie — 19.1978

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Nr. 3
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Unverfehrt, Gerd; Muzeum Narodowe w Warszawie [Mitarb.]: Zwei Gemälde der Bosch-Nachfolge aus dem Muzeum Narodowe zu Warschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.18863#0060
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Mit Ausnahme dei Luftszene begegnen die genannten damonischen Motive an gleicher Stelle
der Komposition auf einer 1914 bei Helbing in Miinchen versteigerten Tafel, dereń heutiger
Aufbewahrungsort mir unbekannt ist (Abb. 2; Ol auf Holz, 67x40 cm).' Hier wie auf dera
Warschauer Bild ist der kleinfigurige Heilige von einer steil aufragenden Felsfolie hinterfangen
und von locker gestreuten Damonen und Damonengruppen umgeben. Bei gleiehartiger Bild-
anlage ist die Helbing-Tafel reicher ausgestaltet und enger an Bosch orientiert, wie mehrfache
wbrtliche Zitate aus dem Lissaboner Antoniusaltar belegen (Hintergrund rechts; Mittelgrund
links; unterer Bildrand). Das zweibeinige Ungeheuer rechts, halb Knte, halb Echse, hat wie
der Lautenspieler links sein Yorbild auf dem Wiener Gerichtsaltar. Die Landschaft links erinnert
an Landschaften Boschs, vor allem an den Anbetungsaltar aus dem Prado, ohne jedoch kopiert
zu sein7. Aufmerksamkeit verdient der symbiotische FelsabschluB, der wiederura an Vorbilder
Boschs denken IaBt. Mischformen wie diese begegnen bei ihmh aufig ais „Blumen des Bosen"8,
sind jedoch in der Bosch-Nachfolge selten9 und fehlen auch auf der Warschauer Tafel, die sowohl
in motivischer wie auch in stilistischer Hinsicht Bosch ferner steht ais das bei Helbing verkaufte
Gemalde.

Dem Kompositionstyp Warschau/Helbing konnen zwei weitere Werke zugeordnet werden.
Erik Larsen publizierte bereits 1950 eine Anloniusversuchung aus Genfer Privatbesitz (Abb. 3;
ehem. Genf, Slg. Czuczka; Leinwand, 72,5 X99 cm).10 Larsens Zuschreibung des Gernaldes
an Bosch wurde in der Literatur zu recht nicht aufgegriffen; das Bild blieb iiberhaupt unbeachtet.
Die linken beiden Bilddrittel des Genfer Gernaldes stimmen nahezu wortlich mit der Warschauer
Tafel uberein. Die Landschaft ist detaillierter ausgefuhrt. Unten und rechts ist die Komposi-
tion um eine Vielzahl kleinteiliger Damonen erweitert. Larsen stellte ferner eine Teilkopie
dieser Zufiigung vor, die etwa die unteren zwei Drittel umfaBt (Abb. 4; unbekannter Besitzer).11
Eine zweite Ausschnittkopie, auf der der landschaftliche Hintergrund stark reduziert ist und
dereń Maler sich soinit auf die schweren, kubischen Architekturformen konzentrierte, wurde
am 11. 12. 1963 in Palais Galliera in Paris versteigert.13

Ein viertes Exemj)lar der Antoniusversuchung vom Warschauer Typ wurde mir schlieBlich
aus Kólner Privatbesitz bekannt (Abb. 5; Ol auf Holz, 56x85 cm). Die zentrale Yersuchungs-
szene entspricht recht genau den Tafeln aus Warschau und Genf, es fehlt jedoch die Entfiihrung
des Heiligen in die Liifte. Die Komposition des rechten Bildviertels begegnet auf der Genfer
Tafel und, in verkiirzter Form, auf den beiden genannten Teilkopien. Gegeniiber der Genfer
Tafel ist hier links der hl. Christophorus angefiigt, wodurch nicht nur der Komposition Sym-
metrie und Ausgewogenheit verliehen wird. Auch das Bildprogramm ist so erweitert.

Wie die zentrale Darstellung mit der Versuchung des hl. Antonius und der rechte Bildteil,
so ist auch die Christophorusszene in einer Einzeltafel uberliefert (Abb. 6; Ol auf Holz, 45 X
X 20 cm). Das Gemalde wurde von Angulo Inigucz ais Original Boschs veróffentlicht.13 Tolnay,

6. Foto RKD L 17328 unter Bosch. Die Tafel war vorhcr im Kunsthandel Lepke, Berlin, mul wurde dort am 28. 11. 1911
ais Nr. 617 versteigert.

7. Tolnay, a.a.O., Tf. 134—136, 174 (unten mittc), 304.

8. L. von Baldass, Hieronymus Bosch, Wien, 1943, S. 24 und bfter.

9. Zu den Ausnahmen vgl. etwa Max J. Friedlander, Geertgen lot Sint Jans and Jeromc Boschy = Karły Netherlandish Pain-
ling, V), Leiden/Briłsscl, 1969, Nr. 69, 74 b, Suppl. 128, 136.

10. E. Larsen,, ,Les tentations dc Saint Antoinc de Jeróme Bosch", Revue belge d"archeologie et d'kistoire de fart, 19/1950,

S. 23 ff.

11. Larsen, a.a.O., S. 27 und Alb. 22.

12. Friedlander hielt dieses Bild fur ein Original Boschs (handschriftliche Notiz auf eincm Foto im Friedlandcr-NachlaC des
RKD, Den Haag).

13. D. Angulo Imguez, „Saint Christopriex by Hieronymus Bosch", The Burlington Mfigazine, 82/1940, S. 1 f.

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