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Bulletin du Musée National de Varsovie — 19.1978

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Nr. 3
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Unverfehrt, Gerd; Muzeum Narodowe w Warszawie [Mitarb.]: Zwei Gemälde der Bosch-Nachfolge aus dem Muzeum Narodowe zu Warschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.18863#0059
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Gerd Unverfehrt

ZWEI GEMALDE DER BOSCH-NACHFOLGE AUS DEM
MUZEUM NARODOWE ZU WARSCHAU

Das Warschauer Nationalmuseum besitzt zwei Gemalde, dereń Erfindungen ohne das Vorbild
des Hieronymus Bosch undenkbar sind. Es handelt sieli um die Inventar-Nummern 186923
{Versuchung des hl. Anlonius) und 34170 (Christus im Limbus). Beide Geinalde, die ich nur
durch Fotografien kenne, scheinen nicht von erster Qualitat zu sein. Sie verdienen jedoch im
Zusammenhang der Wirkungsgeschichte Boschs besondere Aufmerksamkeit.

1

Die Versuchung des hl. Antonius (Abb. 1; Ol auf Holz, 67x71 cm) wurde 1942 durch van
Marle & Bignelli, Den Haag, ais „Hieronymus Bosch" zum Verkauf angeboten.1 Seit 1945
befindet sich das Bild im Warschauer Museum und ist dort ais primitive Bosch-Kompilation
bzw. ais niederlandische Arbeit der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts katalogisiert.2

Die nahezu ąuadratische Tafel zeigt vor wenig differenziertem Landschaftshintergrund zwei
ausgehóhlte Felsmassive. Der in der Bildmitte aufragende Felsen ist zur Eremitenklause umge-
bildet. Zu seinen FiifSen sitzt der lesende Iieilige, umgeben von locker gefugten damonischen
Motiven der Yersuchung, die ihn jedoch nicht in seiner kontcmplativen Ruhe storen. Rechts
oben ist eine andere Episode aus der Antoniusvita synchron dargestellt, namlich dessen Ent-
fiihrung und Bedrangnis in der Luft, eine Szene, die Schongauer auf seinem bemhmten Kup-
ferstich B. 47 thematisiert hat. Der auf dem Warschauer Bild riicklings Iiegende, die Hande
zum Gebet erhebende Heilige lafjt jedoch an Boschs entsprechende Formulierung vom linken
Fliigel des Lissaboner Antoniusaltars denken.3 Auch der damonische „Lautenspieler" am linken
Bildrand diirfte auf eine Erfindung Boschs zuruckzufuhren sein, und zwar auf das entsprechende
Motiv von der Mitteltafel des Wiener Gerichtsaltars.'1 Andere Figuren begegnen auf Werken
der friihen Bosch-Nachfolge, so der riicklings vor dem Heiligen Iiegende Damon ganz ahnlich
auf der Antoniusversuchung im Escorial, ehem. Slg. van Buuren, Briisscl (Abb. 10), die ge-
schwanzte Riickenfigur in der linken Hohlung des rechten Felsens in voluminóserer Fassung
auf dem Miinchener Fragment eines Jiingsten Gerichts und auf dem Oxforder Skizzenblatt
(Abb. 7), der lesende Damon rechts ais Gegenbild des Heiligen auf der Antoniusversucłmng
aus Nashville.5 Obwohl keines dieser Motive exakt mit seinem Pendant ubereinstimmt, ist der
Zusammenhang mit dem Schaffen Boschs und seiner Nachfolge nicht zu ubersehen.

1. Vgl. den Katalog der Auktion vom 27.7.1942, Nr. 15.

2. Jan Białostocki, La peinturc neerlandaise dans les coilcctions polonaises, 1450—1550. Musec National de Varsovie, 1960,
Nr. 77; National Museum in Warsaw, Całalogue of Paintings: Foreign Schools, W arszawa, 1970, Nr. 1591.

3. Ch. de Tolnay, Hieronymus Bosch, Baden-Baden 1965, Tf. 134.

4. Tolnay, a.a.O., Tf. 174 (linltei Bildrand).

5. Zum Miinchener Fragment vgl. Tolnay, a.a.O., Tf. 251. Gegen die iiberwiegend vertretene Zuschreibnng des Fragments
an Bosch ansfuhrlich K. Arndt, ,,Zur Ausstellung ,Jheroninuis Bosch" in VIIcrtogcnbosch", Kunstchronik, 21/1968,
S. 11 f. — Zum Musterblatt aus dem Ashmolean Museum, Oxford, vgl. Arndt, a.a.O., S. 9 f. — Zur Antoiiiusversucliung
aus Naslwille vgl. den Katalog der Ausstellung „Jhcronimus Bosch", 's-Hertogenbosch, 1967, Nr. 4.

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