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Bernhard Maaz

CD. RAUCH, E. RIETSCHEL, J.K.U. BAHR-ANMERKUNGEN ZU

EINER ZEICHNUNG

Im Nationalmuseum Warschau befindet sieli eine Zeichnung, die die von Ernst Rietschel
geschaffene Biiste Christian Daniel Rauchs darstellt. Ihr kommt kunstgeschichtliche Bedeutung
auf mehreren Ebenen zu, zumal sich im Zusammenhang damit das interessante Phanomen
nahezu kultischer Verehmng bestimmter Kunstwerke im 19. Jahrhundert skizzieren liiCt (Abb. 1).

Das Blatt1 ist bezeichnet links anten mit Dr.17.11.62 und einem verwischten, nicht zweifelsfrei
aufzulósenden Monogramm nnd rechts unten mit „4." und „Baer". Die dargestellte Biiste
tragt — entsprechend dem Original — vorne die Inschrift CHRISTIAN RAUCH.

Es ist schwer zu bestimmen, aus welcher Zeit die Bezeichnung „Baer'''' stammt; die Schrift
liifit vermuten, daB dieser Name erst spiiter hinzugefiigt wurde. Unter allen nachweisbaren
Kiinstlern namens Baer (oder Biihr, Baehr etc.) kommt angesichts der Datierung auf den 7.
November 1862 und der Lokalisierung auf „Dr(esden)" wohl nur der damals inDresden lebende
.Tohann Karl Ulrich Bahr (1801—1869) in Frage. Zwar unterzeichnete er seine Briefe in der
friihen Zeit mit „Baehr" und spiiter mit „Bahr"2, niemals mit „Baer". Doch die Schreibweise
des Namens wechselte, auch wissen wir nicht, ob die Beschriftung iiberhaupt vom Kiinstler
selbst stammt. Auch der Versuch einer Attribution aufgrund stilistischer Vergleiche mit anderen
Bliittcrn genannten Malers blieb erfolglos3. Die Zuschreibung liiBt sich jedoch aus der Kenntnis
seiner Beziehungen zu anderen Kunstlern erharten.

Johann Karl Ulrich Bahr war ais Historien- und Portratmaler tatig; er studierte ab 1824
in Dresden bei Friedrich Matthiii (1777—1845), ging 1825 nach Paris und im Herbst desselben
Jahres mit Camille Corot nach Rom, von wo er 1826 nach Dresden zuriickkehrte. 1827 und 1834—
35 weilte er erneut in Rom: in der Zwischenzeit hielt er sich in Dresden und in seiner Geburts-
stadt Riga auf. Unter Baers Portrats sind auch solche von Dresdener Kunstlern: Caspar David
Friedrich, Ludwig Richter, Raden Saleh. — In den 1850er und 1860er Jahren verlagerte sich
sein Hauptinteresse zunehmend auf verschiedene wissenschaftliche Gegenstande (vom anima-
lischen Magnetismus bis hin zur Beschaftigung mit Goethes und Newtons Farbenlehre)4. Er
korrespondierte mit Schopenhauer und verkehrte im Kreise um Ludwig Tieck. Mit dem Dresdener
Romantiker Ludwig Richter war Bahr schon friih befreundet; beide Kiinstler wollten 1834
gemeinsam nach Italien reisen5. Richter seinerseits war mit Ernst Rietschel befreundet; Rietschel

1. Kohle, weifl gclioht: graues Papier; 328 X 269 mm. Den Hinweis auf dieses Blatt vcrdanke ich Frau Anna Kozak, Grafische
Sammlnng des Muzeum Narodowe. Ihr danke ich fiir ihre frenndiiehe HUfe.

2. Briefe in der Sachsischen Landesbibliothek, Dresden: Mscr. Drcsd. App. 299, 5 nnd App. 1191 Nr. 5.

3. Im Kupferstichkabinett Dresden: eine gewifl in die 1830cr Jahre zu dalierende italienischc Scpia-Landschaft, cin Carton,
eine Olstudie. Alle drei Arheiten erlauben keinen Vergleich mit dem Dnktus der Warschauer Zeichnung.

4. Zur Biografie: Allgemeines Kiinstler-Lexikon. Leben und Werke der beriiltmteslen bildenden Kiinstler. Vorbereitet von Hermann
Alexander Muller, herausgegeben von Hans Wolfgang Singer. Frankfurt/Main, 1922, Bd. 1, S. 54; Wilhelm Neumann,
Lexikon ballischer Kiinstler. Biga, 1908. (Beprint: Hannover-D6hren, 1972); Hans Joachim Neidhardt, Die Malerei der
Romantik in Dresden. Leipzig, 1981, S. 197, 245f.; Bruno Sauer: „Johann Karl Ulrich Bahr", in: JVe«e Deutsche Bio-
graphie. Berlin (West), Bd. 1, 1953, S. 519 (mit weiterer Literatur).

5. Vgl. Ludwig Richter, Lebenserinnerungen eines deutschen Malers. Herausgegeben von Erich Marx. Leipzig, 1944, S. 369;
Ludwig Richter und sein Kreis. Aussteltung zum 100. Todestag im Alberlinum zu Dresden, (Katalog), 1984. Leipzig, 1984,
S. 70, 135.

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