Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
schaffen, wie die fur die neuerbaute Theatinerkirche St. Kajetan in Munchen (Tod des hl.
Andreas Avellinus, 1677), fur S. Giustina in Padua (Marterdes hl. Gerhard, 1678), fur die
Cappella del Crocefisso des Trienter Domes (Geburt und Auferstehung Christl, um
1685), fur die Cappella Feroni in der SS. Annunziata in Florenz (Tod des hl. Joseph, um
1690) und fur die Klosterkirche in Tegernsee {HI. Katharina, Hl. Barbara,
Rosenkranzmadonna und Der Schutzengel mit eiriem Knaben, um 1690); nicht erhalten
(nur urkundlich erwahnt) blieben die Bildnisse des Kaisers Leopold I. und seiner Familie.
Im neuen Ambiente schnell und vóllig akklimatisiert, genoB er sehr hohes Ansehen;
1688-89 stand er dem Colleglo de’Pittoriais Prior vor und wurde von seinen italienischen
Zeitgenossen ais einer der Ihren betrachtet. Man nannte ihn auch italienisch: Carlo Lotti
oder Carlotto, und er selbst unterschrieb sich immer in der italienischen Form.
Nichtsdestoweniger war er im ganz Suddeutschland hochgeschatzt, was die oben ange-
fuhrten Bestellungen beweisen; seine Werke waren aber auch in hollandischen
Sammlungen prasent, wie es der schwedische Architekt, Nicodemus Tessin d.J., in
seines Tagebuch vom Anfang 1688 berichtet hat und was auch die niederlandischen
lnventare aus dem 17.-18. Jahrhundert bestattigen. Carlotto wurde ein reicher Mann -
ais einer der gesuchtesten Maler Venedigs und gleichzeitig dank dem Plandel mit
Juwelen, den er mit dem Bildhauer Giusto Le Court zusammen betrieb. Seine Einkunfte
- eine der hóchsten unter den Kunstlern der Serenissima - lieBen sich nur mit denjeni-
gen von Piętro Liberi und Antonio Zanchi, den erfolgreichsten Kunstlern des damaligen
Venedig, vergleichen. Johann Carl starb am 6. Oktober 1698 in seiner Wohnung am
Canal Grandę und wurde im Vorraum der Sakristei der S. Luca-Kirche bestattet4.

In den Museen Warschaus werden acht Gemalde aufbewahrt, die sich auf Loth
selbst bzw. auf seine Werkstatt oder seinen Umkreis beziehen lassen, - und davon drei,
die noch nie publiziert wurden.

I. FAUN MIT FLOTĘ Abb. 1.

Ólgemalde auf Leinwand. 130x100 cm

Nationalmuseum Warschau lnv.-Nr. 183041; Leihgabe der Familie Tarnowski

Dies ist zweifellos das beste und wertvollste von Loths Werken in Warschau, dabei
noch nie publiziert. Die einfigurige Komposition stellt sich ais fur Loths Oeuvre vollkom-
men typisch vor: Der athletische Jungling mit sudlichen Gesichtszugen sitzt in einer
ungezwungenen, ausgelassenen Haltung, im Halbprofil aufgefaBt, und spielt eine kleine
Flotę. Der nackte Kórper ist inkarnatfarbig, mit rosa- und blaugrauen Farbtónen mo-
delliert. Seine Hufte und Lenden sind mit einem hellbraunen Feli und dunkelgrunen
Weinrebezweigen und Ranken umhullt. Ein rotes Gewebe faltet sich um seinen Arm. Ein
dunkelgruner Weinrankenkranz kront den dunkelhaarigen Kopf des Junglins. Der leere
Hintergrund ist dunkelbraun/schwarz.

Es besteht kein Zweifel, daB der Faun ein Werk von Loth sein mu3. Dies wird durch die
feine Modellierung des nackten Korpers, die freie, virtuose, aber gleichzeitig disziplinierte,
kompakte Pinselfuhrung, das scharfe Helldunkel und die raffinierte, beinahe monochrome,
um die intensiven roten und dunkelgrunen Akzente bereicherte Farbgebung bewiesen.

Die Figur des Faunes findet zahlreiche Analogien in Loths Oeuvre. Denselben Kopf,
dasselbe Gesicht, ahnliche Flaltung und gleiche Modellierung des Korpers stellt die Figur
des Marsyas im Wettstrelt von Apoll und Marsyas in Berlin (Abb. 2)5 dar. Dieselbe

4. Biographie des Loth nach: Ewald, op. cit., und R. Pallucchini, La pittura veneziana del Seicento, Milano 1981,
Bd.l, s. 259-265.

5. Ewald 364, Taf. 61.

8
 
Annotationen